Begrüßung und Einführung durch den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch
im Rahmen des gemeinsamen Studientags von DBK und ZdK in Würzburg -es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Meyer,
sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter des Zentralkomitees der deutschen Katholiken,
liebe Mitbrüder im bischöflichen Dienst,
ich begrüße Sie herzlich zum Gemeinsamen Studientag im schönen Würzburg, wo die Suche nach Wegen zur Erneuerung der Kirche in Deutschland eine gute Tradition hat. Der Ständige Rat unserer Bischofskonferenz findet regelmäßig im Kloster Himmelspforten statt und letztes Jahr traf sich hier die Vollversammlung der Bischofskonferenz, die übrigens vor genau 40 Jahren, im Februar 1969, die Vorbereitung einer gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland beschloss, die dann 1971 – 1975 hier in Würzburg tagte.
Ich freue mich über das Zustandekommen dieses gemeinsamen Studientages, das alles andere als selbstverständlich war. Wohl alle spüren wir, dass es – trotz vieler Formen alltäglicher Begegnung und Zusammenarbeit – gut ist, wenn wir ausführlicher miteinander sprechen und uns darüber verständigen, was wir für vordringlich halten in Bezug auf das Leben und den Dienst der Kirche in Deutschland in diesen stürmischen Jahren. Im Zentralkomitee wirken Vertreter und Vertreterinnen unserer Bistümer mit Repräsentanten der Verbände und weiteren gewählten Persönlichkeiten des katholischen Lebens zusammen. Ich halte es für wichtig, dass die vielen guten Kräfte, die Sie bündeln, in das Streben nach einer kirchlichen Erneuerung eingefügt sind, für das wir Bischöfe eine letzte Verantwortung tragen. Wir wollen und müssen miteinander reden, auch über die angemessene Ausgestaltung des verantwortungsvollen Miteinanders von kirchlichem Amt und Laien in Deutschland. Dabei brauchen wir im übrigen auch kontroverse Debatten und die Meinungsvielfalt nicht zu fürchten, sie gehören seit Anfang an zum Erscheinungsbild der Kirche.
Besonders begrüße ich den Bischof von Würzburg Dr. Friedhelm Hofmann, dem ich für die Gastfreundschaft danke, und den Präsidenten des Zentralkomitees Prof. Dr. Hans-Joachim Meyer. Ich empfinde eine große Genugtuung darüber, lieber Herr Prof. Meyer, dass dieser Studientag, für den Sie sich mit Nachdruck eingesetzt haben, nun am Ende ihrer Präsidentschaft noch in Ihrer Verantwortung stattfindet.
„Seid Zeugen der Hoffnung“ lautet das Thema unserer Gespräche. Beharrlich schärft unser Heiliger Vater Papst Benedikt XVI. der Kirche ein, dass uns eine Hoffnung geschenkt wurde, „eine verlässliche Hoffnung, von der her wir unsere Gegenwart bewältigen können: Gegenwart, auch mühsame Gegenwart, kann gelebt und angenommen werden, wenn sie auf ein Ziel zuführt und wenn wir dieses Zieles gewiss sein können.“ Unser Glaube ist eine Hoffnung, Erlösung gibt es in Gestalt von Hoffnung. Und die Kirche hat die Aufgabe, Rechenschaft zu geben über unsere Hoffnung. Genauso hat es der bewegende Beschluss „Unsere Hoffnung“ der Gemeinsamen Synode formuliert . Seine Vorgehensweise ist bis heute richtig: Sich vom Herrn den Blick und das Herz öffnen zu lassen für die Gesellschaft der Gegenwart, damit wir deren Not und Hoffnungssehnsucht gewahr werden und die Sendung und die heutigen Wege der Kirche identifizieren – im Miteinander der vielen Träger der einen Glaubenshoffnung. „Mehr als Strukturen“ haben wir deutschen Bischöfe den Studientag während der Frühjahrsvollversammlung im vorletzten Jahr überschrieben: die pastorale Neuordnung der Bistümer ist keineswegs eine Frage bloß der Zurichtung neuer, besserer Strukturen. Sie hat eine theologische Tiefendimension. Pastorale Erneuerung wird umso besser gelingen, je mehr sie getragen ist von der Kraft der Hoffnung, in welcher der Glaube sich unter den konkreten Bedingungen der Gegenwart äußert.
Einen Augenblick noch verweile ich beim Thema Hoffnung. In diesen Jahren sind wir ergriffen worden von Wogen sehr weitreichender Hoffnungen – in Bezug auf die Welt der weltweiten politischen Ordnung, der angeblich allseitig nützlichen, globalen Wirtschaftsbeziehungen und des kommunikativen Zusammenkommens der Menschen und Völker. Wir sind aber auch abgestürzt in globale Krisen der Wirtschaft, der Störung des ökologischen Gleichgewichts und der Bedrohung durch Terror und neuartige Kriege. Es sind Bedrohungen, die bis ins Leben des Einzelnen zu spüren sind. In der Kirche ist das große Momentum des Zweiten Vatikanischen Konzils und seiner Rezeption – die Hoffnungsemphase der letzten Jahrzehnte des ausgehenden 20. Jahrhunderts – in den Hintergrund getreten. An seine Stelle trat in Deutschland die unaufgeregte, aber auch oft mühselige Normalität des kirchlichen Lebens in einem geistigen Klima, das einesteils religionsfreundlich ist und zugleich die religionskritischen Züge eines neuen, aufdringlichen Atheismus trägt. Schöne und hoffnungsvolle Aufbrüche gibt es natürlich immer wieder in der Kirche, gemeinsam haben wir diese Erfahrung gemacht auf dem Weltjugendtag 2005. Aber insgesamt, scheint mir, finden sich, wie im weltlichen Leben, auch in der Kirche eher eine Hoffnung in kleiner Münze oder bisweilen gar ein Mangel an Hoffnung. Nicht selten sogar Müdigkeit und Resignation.
Wir wissen, dass eine Erneuerung der Kirche als ersten Schritt eine Vertiefung von Glaube und Hoffnung verlangt: eine Vertiefung, die nicht einfach produziert werden kann, sondern wachsen muss und Geduld verlangt. In unserer Schrift „Zeit zur Aussaat – Missionarisch Kirche sein“ haben wir im Zusammenhang der „Hand, die aussät“ von demütigem Selbstbewusstsein, Gelassenheit und Gebet gesprochen. Wir wissen auch, dass unsere Sendung nicht im Rahmen einer Logik der Quantität verläuft – sie also nicht in der großen Zahl der Mitglieder, der Aktivitäten oder Institutionen das Kriterium ihres Gelingens hat. Schließlich ist der Herr selbst der Garant unserer Sendung und ihres Erfolgs mit seinen Möglichkeiten, die nicht unsere Möglichkeiten sind. Dennoch: Gemeinsam mit so vielen Gläubigen – den Priestern und Diakonen und pastoralen Mitarbeitern und mit Ihnen, die auf vielfältige Weise in der Kirche mittun und so der Sendung entsprechen, in die Sie durch Taufe und Firmung gestellt sind – wollen wir die Hoffnungsdynamik der Kirche beflügeln und nach Kräften vermehren. Wir wollen alles Mögliche tun, um mit Vitalität und innerer Freiheit, mit entbranntem Herzen und mit der Weite eines „großen Denkens“ den Glauben der Kirche lebendig in Erscheinung treten zu lassen. Nicht nur sollen die Dornen des weltlichen und kirchlichen Alltags die Hoffnungsfreude nicht ersticken, wir wollen auch kräftig neu säen und neue Frucht heranwachsen lassen. Eben: „Zeit zur Aussaat“.
In den Gesprächen und Arbeitskreisen dieses Studientages haben wir ausreichend Gelegenheit, über dieses – wenn Sie so wollen – „Programm“ unserer Bischofskonferenz zu sprechen. Unsere diesbezüglichen Ausarbeitungen sollen dabei eine Grundlage sein. Über die Pfarrei als Kirche vor Ort, das Zusammenwirken von unterschiedlichen Orten, Formen und Vollzügen der Seelsorge heute, neue Anforderungen an die Priester, Diakone und hauptamtlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie die „Vergrößerung des pastoralen Raumes und die Nähe zu den Menschen“ haben wir gründlich nachgedacht . Wir haben mit vielen Einzelnen und mit vielen kirchlichen Zusammenschlüssen gesprochen, besonders auch den Orden und Gemeinschaften des geweihten Lebens. Heute erfolgt eine Begegnung mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, welche die vielen anderen Kontakte ergänzt und von der ich mir erhoffe, dass sie Gemeinsamkeiten identifiziert, die dann Grundlage weiterer Gespräche und Verständigungen in der Gemeinsamen Konferenz werden. Ich bin froh, dass wir die Anstöße der Erklärung „Für eine Pastoral der Weite“ in diese Begegnung miteinbeziehen können .
Ich gestatte mir, auf zwei Themen hinzuweisen, die ich persönlich für vorrangig klärungsbedürftig halte und die das Miteinander von Bischöfen und Laien im Dienst des Herrn besonders betreffen. Sie sollen nicht andere Fragen in den Hintergrund schieben und müssen nicht heute, sollten aber bald einmal zwischen uns besprochen werden.
1. Die Herausforderung der Macht und der Ohnmacht: Der damalige Kardinal Joseph Ratzinger hat im Juli 1987 in Dresden am Katholikentreffen teilgenommen und zu dessen Thema „Gottes Macht – unsere Hoffnung“ gesprochen. Es war noch die alte Zeit vor dem Mauerfall und die Kirche in der DDR war nicht nur Diasporakirche, sondern auch weithin ohnmächtige Kirche in einem totalitären Staat. Das Thema ist über die Zeitumstände relevant und gleicht dem Thema unseres heutigen Studientages, weil es auf den inneren Zusammenhalt von Hoffnung und Glaube abhebt. In seinem Vortrag zeigte Kardinal Ratzinger, wie Jesu Macht recht eigentlich als Vollmacht, als verliehene Macht oder als Teilhabe an der Macht Gottes zu verstehen ist – und so auch die Macht der Kirche. Von ihr sagt er: „Sie ist Macht als Weg, die ihr Ziel darin hat, den Menschen auf den Weg zu bringen: in den Überschritt der Liebe hinein“ – und zwar der mächtigen Liebe Gottes. Wir fragen nach dem Einfluss und nach der Stellung der Kirche in unserer Zeit, nach Macht und Ohnmacht. Dies geschieht inmitten tektonischer Verschiebungen der internationalen Macht- und Einflusssphären und im globalen Wirtschafts-, Wissenschafts-, Technik- und Kommunikationsgefüge. Wir spüren das Abschmelzen von Einfluss- und Autoritätspositionen der Kirche im öffentlichen Leben. Was wollen wir? Was sollen wir wollen? Welchen Einfluss suchen wir in der Gesellschaft? Welche Ziele beflügeln uns? Worauf setzen wir unsere Hoffnung?
2. Die Herausforderung der Weltkirche: Was verlangt die universale Sendung der missionarischen Kirche von uns, die wir missionarisch Kirche sein und noch besser werden wollen? Immer überschreitet der Katholik die Grenzen seiner Gemeinde hinein ins Bistum, aber auch in den weiteren, überdiözesanen Raum der Kirche. Das tun auch wir im Blick auf Deutschland durch unser heutiges Gespräch. Zugleich wissen wir um die Weltkirche, die Kirche in der Vielfalt der Kontinente, und ihr Einheitszentrum, den Bischof von Rom. Alle haben Anteil an der einen Sendung der Kirche, der die Dynamik innewohnt, immer wieder Grenzen des Bisherigen und bloß Örtlichen zu überschreiten, um aus der Kraft des Ganzen zu leben. Was verlangt diese göttliche Dynamik, die es nicht gestattet, sich im jeweils Eigenen einzurichten, von uns Katholiken in Deutschland – im Hinblick auf die Erfahrungen der Weltkirche, im Hinblick auf den Nachfolger Petri, aber auch im Hinblick auf die machtvoll und bisweilen gewaltsam gelebten Ansprüche anderer Religionen, denen die Kirche im Geflecht der Wahrheitsansprüche weltweit begegnet? Dabei ist Eines klar: Wir haben gemeinsam Teil an der Sendung der einen Kirche, wenn auch in verschiedener Weise und Verantwortung. „Allen Christen ist … die ehrenvolle Last auferlegt, mitzuwirken, dass die göttliche Heilsbotschaft überall auf Erden von allen Menschen erkannt und anerkannt wird.“ So sagt es das II. Vatikanische Konzil in seinem Dekret über das Apostolat der Laien, das – wie sämtliche Texte dieses Konzils – unvermindert unsere Aufmerksamkeit verdient.
Zum Schluss: Ich bin sehr dankbar für diesen Studientag und danke allen Teilnehmenden dafür, dass sie ihn durch ihre Bereitschaft zum Mitmachen ermöglicht haben. Wir wollen offen, ehrlich und anspruchsvoll miteinander umgehen, im Respekt, den Brüder und Schwestern im Herrn einander schulden, realistisch und unter Verzicht auf jede steile Überforderung des Einzelnen oder seiner Stellung in der Kirche.