Predigt von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch
im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.
Werte Mitglieder des Zentralkomitees,
liebe Schwestern und Brüder in der Gemeinschaft des Glaubens,
immer soll der Glaube auch öffentlich verkündigt werden. Das zeigen die Lesungen dieser Messe: Der Prophet tritt gegenüber Völkern und Königen auf. Jesus „lehrte täglich im Tempel“, was seinen Gegnern den Anlass gab, ihn umbringen zu wollen. Der Glaube ist eingebettet in die Tradition der Kirche, die ihm immer auch eine öffentliche Gestalt gibt. Die Kirche will und soll immer auch öffentlich wirken. Sie darf sich nicht zurückziehen in die Welt bloß der persönlichen Glaubenssuche und der Glaubenspraxis in der kleinen Gemeinschaft. Der Glaube der Kirche will und soll die Welt ansprechen und nach Kräften mitgestalten.
In Deutschland spielt dabei das Zentralkomitee der deutschen Katholiken eine wichtige Rolle. Es will in lebendiger Verbindung mit dem kirchlichen Amt im Miteinander von gewählten Laienvertretern, von Repräsentanten aus Verbänden und Gemeinschaften sowie einer Reihe ausgewählter katholischer Persönlichkeiten dazu beitragen, dass die Kirche in Deutschland nach innen und nach außen wahrnehmbar Gestalt gewinnt. Ich freue mich deshalb, gleich im ersten Jahr meines Dienstes als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz mit Ihnen zusammentreffen und diese Heilige Messe feiern zu können. Es bedarf einer verlässlichen Vertrauensbeziehung zwischen uns Bischöfen und Ihnen, damit Ihre Bemühungen auch fruchtbar werden können. Unser heutiges Zusammensein soll die persönliche Bekanntschaft zwischen Ihnen und mir ermöglichen, das wechselseitige Vertrauen stärken und es auf das Fundament gründen, das der Herr uns gibt und das er selbst ist.
Die Impulse, die die heutigen Schrifttexte für die Frage des öffentlichen Glaubenszeugnisses geben – ein Zeugnis, das wie das kleine Buch, von dem die Lesung spricht, bald süß, bald bitter ist –, möchte ich im Blick auf Ihren Einsatz in drei Punkten aufnehmen. Ich tue dies im Bewusstsein, dass das Zentralkomitee der deutschen Katholiken weltkirchlich fast einmalig ist und dass uns die Kirche in vielen Ländern um Sie beneidet. Daher sollte viel Mühe auf die Bestimmung Ihrer Sendung in der Kirche aufgewendet werden.
1. Die größere Kirche
Die Kirche ist nicht beschränkt auf das einzelne Bistum oder die innerkirchliche Gliederung, der man angehört. Das Zentralkomitee hilft den Angehörigen der Laienräte in unseren Bistümern in Deutschland, die Weite und Vielfalt vor allem der Kirche in unserem Land zu erleben. In ihm ist ein ständiger überdiözesaner Austausch von Erfahrungen und Meinungen möglich. Deutschland prägt eine Geschichte und gegenwärtig ein religiöser Pluralismus, die es mit sich bringen, dass die Bedingungen eines Lebens aus dem Glauben und des kirchlichen Zeugnisses im Osten und Westen, im Norden und Süden bisweilen sehr unterschiedlich sind. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es für einen Freiburger nicht schädlich, sondern sogar gut ist, manches auch über die Kirche von Hamburg zu wissen und umgekehrt. Diese Erfahrung der größeren Kirche ermöglicht das Zentralkomitee. Nutzen Sie die Chance solcher Blickfelderweiterung, die Ihnen persönlich und uns in den Bistümern nützlich ist und helfen kann. Ich freue mich, dass nun schon seit einer ganzen Reihe von Jahren ein Katholik aus dem Osten Deutschlands als Ihr Präsident Ihre Bemühungen leitet.
2. Glaubensdynamik
Für die Lebendigkeit von Glaube und Kirche hängt viel davon ab, dass wir öffentlich in Erscheinung treten und uns auch gegenseitig durch das öffentliche Zeugnis stärken können – damit die Kirche nicht Opfer einer Schweigespirale wird, die religiöse Überzeugungen weitgehend ins Private abdrängt. Eine Verlebendigung des öffentlichen Erscheinungsbildes und des Glaubens geben vor allem die Katholikentage, aber auch viele andere kleine und größere Veranstaltungen. Ich denke besonders dankbar zurück an den Weltjugendtag hier im Erzbistum Köln. Ich gehe zwar weniger davon aus, dass wir Zeugen einer größeren religiösen Renaissance sind, von der oft gesprochen wird. Die Zahlen weisen eher darauf hin, dass Menschen ungebrochen die religiöse Orientierung suchen und dass sie sie oft ganz losgelöst von der Kirche finden. Doch sind wir gesandt, im öffentlichen Raum die katholische Tradition bekannt zu machen und zur Erscheinung zu bringen und so zu helfen, dass Menschen mit Freude in unserer Kirche sind und zu ihr kommen. Daran haben Sie im Zentralkomitee der deutschen Katholiken Anteil.
Ich will nicht die theologischen Überlegungen zur Sendung der Laien wiederholen, die im Zweiten Vatikanischen Konzil entfaltet wurden und die sich die großen überdiözesanen Synoden in beiden Teilen des getrennten Deutschlands zu eigen machten. Wir leben aus diesem bleibend wichtigen Erbe, auch wenn die unmittelbare Anwesenheit derer, die Teilnehmer und Sympathisanten zum Beispiel der Würzburger Synode waren, allmählich schwindet. Ich weiß sehr wohl zu schätzen, dass Sie eine besondere Mitverantwortung tragen, wenn es darum geht, der katholischen Kirche öffentliche Gegenwart zu verleihen und dafür zu sorgen, dass man den Glauben in Freude und Freiheit leben kann. Sie wollen und müssen Ihre Ziele gemeinsam mit den Bischöfen und in deren letzter Verantwortung verfolgen – aber als freier Zusammenschluss, der sich nicht bischöflicher Einsetzung und bischöflicher Berufung verdankt.
3. Expertise
Eine hoch differenzierte Gesellschaft verlangt auch von der Kirche in vielen Kultursachbereichen Expertise und sichere Urteile. In den Bistümern und in der Bischofskonferenz sind wir um diesen Sachverstand bemüht, auch mit Ihrer Hilfe. Umso wichtiger ist es, dass das Zentralkomitee ein Zusammenschluss ist, in dem viele kompetente Laien mit hoher Expertise ehrenamtlich in verschiedenen Fragen zusammenwirken und ihre analytischen Fähigkeiten und ihre Urteilskraft zum Nutzen der anderen untereinander verbinden. Man kann und soll nicht die politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen, kulturellen und sonstigen Herausforderungen zur Angelegenheit primär des Zentralkomitees stilisieren, als ob wir Bischöfe die Verantwortung abtreten könnten, uns damit zu beschäftigen. Doch glaube ich, dass Sie für die Kirche aufs Beste einstehen können, wenn Sie sich dank Ihrer intellektuellen Kraft und kirchlichen Bindung mit diesen Fragen befassen und sich zu ihnen äußern – und Ihre Ansichten auf verschiedene Art und Weise, wie es ja auch der Fall ist, an die Bischöfe, an unsere Bischofskonferenz herantragen und in die Öffentlichkeit tragen.
Größere Kirche, Glaubensdynamik, Expertise: Das sind drei Stichworte, die mir in den Sinn kommen, wenn ich – angeregt durch die heutigen Lesungen – darüber nachdenke, wie das Zentralkomitee der deutschen Katholiken das süße und bittere Buch unseres Glaubens, Hoffens und Liebens verinnerlichen und öffentlich zur Geltung bringen kann – ganz besonders auch im Bemühen um die Ökumene und durch Anlässe wie den Zweiten Ökumenischen Kirchentag. Mit Ihnen danke ich dem Herrn für alle guten Früchte, die Ihre Arbeit trägt. Für ein gutes und richtiges Zusammenarbeiten der Bischofskonferenz mit Ihnen und umgekehrt von Ihrer Seite mit uns werde ich mich als Vorsitzender gerne einsetzen. Aus unserer Perspektive möchte ich sagen: Schwierigkeiten und Klärungsbedarf wird es immer wieder geben, vielleicht auch Schritte Ihrerseits, die bei den Bischöfen Fragen auslösen. Gerade dann kommt es auf das grundsätzliche Vertrauen zueinander an. Alle sind wir gesandt, in der Nachfolge dessen, der öffentlich den Vater bezeugte und der die Seinen bis zur Vollendung liebte (Joh 13,1), dafür Sorge zu tragen, dass die Kirche Licht und Vertrauen in diese Welt bringt, den Zusammenhalt der Menschen und Völker stärkt und Frieden und Gerechtigkeit fördert – unter Achtung der Vielfalt der Charismen und Verantwortungsformen. Amen.
Erzbischof Dr. Robert Zollitsch