Überlegungen zur Umsetzung des Social Business Ansatzes von Muhammad Yunus

Mit unternehmerischer Kreativität und Kompetenz Armut überwinden

Rede von Kerstin Humberg & Karl Osnerim Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

1. Kontext
Trotz internationaler Bemühungen und Transferleistungen in einem Umfang von mehr als 1,7 Billionen US Dollar seit 1950, ist die Massenarmut in den Entwicklungsländern bis heute Realität (OECD 2007). Weltweit verfügt fast jeder zweite Mensch über weniger als zwei US Dollar pro Tag. 1,4 Milliarden Menschen leben in extremer Armut – von weniger als 1,25 US Dollar täglich (Weltbank 2008). Gepaart ist diese materielle Armut oft mit immaterieller Armut – z.B. dem fehlenden Zugang zu Bildung, Gesundheitsvorsorge oder Energie. Gleichzeitig wachsen die globalen Herausforderungen, die Menschen in Armut besonders hart treffen: Umweltdegradierung durch Bevölkerungswachstum und Klimawandel, schrumpfende Ölressourcen und steigende Lebensmittelpreise durch Börsenspekulationen.
Nach Ansicht des Wirtschaftsprofessors und Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus aus Bangladesch gibt es jedoch einen Ausweg aus der Armut: Social Business. Yunus beschreibt damit einen neuen Unternehmenstyp in Ergänzung zum klassischen Business und Armutsbekämpfung durch Spenden und Hilfsprogramme. Unternehmen, die grundsätzlich nach den üblichen Marktmechanismen arbeiten, deren Zweck aber in der Lösung sozialer und / oder ökologischer Probleme liegt. Eventuelle Profite sollten nach Yunus reinvestiert werden, um das Preis-Leistungs-Verhältnis der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen für die Armen zu verbessern oder das Geschäft geographisch zu expandieren. Das Abgrenzungskriterium zu dem, was Yunus als charity bezeichnet, liegt dabei in der dauerhaften Deckung der Betriebskosten:
"As long as a project has to rely on subsidies and donations to cover its losses, such a project remains in the category of charity. But once such a project achieves full cost recovery, on a sustained basis, it graduates into another world – the world of business. Only then can it can be called a social business".
Was für manch einen wie die Quadratur des Kreises klingen mag, wird in der Praxis schon umgesetzt. Zum Beispiel in Bangladesch. Dort betreibt Danone, der größte Milchproduktkonzern der Welt, seit März 2006 ein Social Business mit der dortigen Grameen Bank. Ziel des Joint Ventures ist die Produktion von nährstoffreichem und trotzdem für Arme erschwinglichem Joghurt, um der weit verbreiteten Mangelernährung unter Kindern Abhilfe zu schaffen. Darüber hinaus planen derzeit auch weitere französische Unternehmen wie Veolia oder Carrefour die Entwicklung eigener Social Businesses. Praxisbeispiele, die vielleicht auch Unternehmer in Deutschland zur Auseinandersetzung mit der Social Business-Idee motivieren.
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Gemeinsam mit Yunus verfolgen die Autoren dieses Konzeptpapiers das Ziel, auch Unternehmer und Investoren mit Sitz in Deutschland für den Social Business-Ansatz zu gewinnen und diese bei der Umsetzung überzeugender Geschäftsideen zu unterstützen. Darüber hinaus wollen die Autoren auf Basis dieser Praxiserfahrungen dazu beitragen, den kritischen Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und dem dritten Sektor über die soziale und marktwirtschaftliche Ausgestaltung der Armutsbekämpfung zu stimulieren.
Damit ist diese Initiative ein weiterer Schritt in der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Muhammad Yunus und der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zur dauerhaften Überwindung extremer Armut in Schwellen- und Entwicklungsländern, die Anfang der achtziger Jahre ihren Anfang genommen hat. In einem langfristig angelegten Dialog haben führende Vertreter und Selbsthilfeorganisationen aus der Dritten Welt – darunter federführend Yunus und die Grameen Bank – gemeinsam mit der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit und dem Deutschen Bundestag Konzepte und Programme zur Förderung der Selbsthilfe und Entwicklung des Mikrofinanzwesens als Bestandteil von Finanzsystemen konzipiert und umgesetzt.
2. Social Business in der Praxis
Was visionär klingt, realisiert sich bereits in der Praxis: Gemeinsam mit vier Unternehmen der Grameen Gruppe hat der französische Nahrungsmittelkonzern Danone im März 2006 das erste Social Business Joint Venture gegründet: Die Grameen Danone Foods Ltd., ein Gemeinschaftsunternehmen, das mit Nährstoffen angereicherte Joghurts produziert. Diese sollen den Mangel vieler armer Kinder an Vitaminen und Proteinen entgegen wirken – und das zu einem Preis von 5 Taka (das entspricht in etwa 5 Cents) pro Becher Joghurt. Ein Preis, der auch für Menschen in Armut erschwinglich ist. Die Qualität des Joghurts entspricht dabei internationalem Standard.
Getestet wird das Geschäftsmodell in einer Joghurtfabrik in Bogra nordwestlich von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Das Werk in Bogra entspricht den modernsten europäischen Umweltstandards – von der Produktion bis hin zur Wasseraufbereitung. Selbst die Joghurtbecher werden aus biologisch abbaubaren Materialien gefertigt. 28 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in Bogra, das die Milch von Bauern aus einem Umkreis von 50 Kilometern bezieht und diesen dann mit Joghurt beliefert. Für die Auslieferung sind derzeit 235 Mitglieder der Grameen Bank zuständig. Frauen, die den Joghurt auf Kommissionsbasis verkaufen und sich auf diese Weise ein zusätzliches Einkommen erwirtschaften.
Yunus Kriterien für ein Social Business entsprechend, werden alle Gewinne des Unternehmens reinvestiert – mit Ausnahme des ursprünglich eingesetzten Kapitals, das Danone nach drei Jahren zurück erhalten soll. Bislang hat Danone rund 545.000 US Dollar in das Social Business investiert. Für eine zweite Fabrik sind bereits weitere 725.000 US Dollar zugesagt. Läuft alles nach Plan, sollen in den kommenden zehn Jahren 50 weitere Produktionsstätten in schwach entwickelten Regionen Bangladeschs entstehen.
Für Danone ist das Social Business Joint Venture eine Mischung aus philanthropischem Engagement und mittelbarer Wachstumsstrategie. Denn je mehr Menschen mit dem Social Business Joint Venture aus der Armut befreit werden können, desto mehr potenzielle Kunden wird es in Zukunft auch für andere Danone-Produkte in Bangladesch geben. Andere Unternehmen und Unternehmer denken bereits in eine ähnliche Richtung: Intel engagiert sich in Form eines Social Business für die Ausbreitung Technologie-basierter Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Marketing und Bildung. Die Green Children Foundation hat eine Augenklinik gegründet, die sich auf die Behandlung armer Patienten mit Grauem Star spezialisiert hat.
Für Yunus selbst ist das Social Business-Konzept im Grunde genommen eine Weiterentwicklung seiner Arbeit mit der Grameen Bank in Bangladesch.


3. Den Kapitalismus weiterdenken
Spätestens seit der Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis im Jahr 2006 ist Muhammad Yunus einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Doch Yunus treibt auf Basis seiner praktischen Erfahrungen eine neue, sehr viel umfassendere Vision als die Vergabe von Kleinkrediten an Arme. Er will den Kapitalismus weiterdenken.
"Unsere Vorstellung von Kapitalismus ist geprägt vom Gedanken des Freihandels: Je freier der Markt, desto besser löst der Kapitalismus ein Problem – egal welches, egal wie, egal zu welchem Nutzen" , sagt Yunus. Ganz im Sinne von Adam Smith glaubten wir Menschen, dass ein System, in dem jeder individuell nach Gewinn strebt, der Allgemeinheit am meisten nutze. Dabei ist für Yunus gerade diese "eindimensionale Sichtweise" (Profitmaximierung als einziger Maßstab für unternehmerisches Handeln) mitverantwortlich für eine Vielzahl sozialer und ökologischer Probleme wie Armut und Umweltzerstörung – denn politische, emotionale, soziale, spirituelle und ökologische Dimensionen der Menschheit kämen in diesem Konstrukt (einigen positiven Unternehmerbeispielen zum Trotz) oft zu kurz.
Um die Struktur des Kapitalismus zu vervollständigen, sollten wir eine weitere Art von Unternehmen einführen, so Yunus. Unternehmen, die der mehrdimensionalen Natur des Menschen gerecht werden. "Wenn wir unsere gegenwärtigen Unternehmen als gewinnorientierte Unternehmen definieren, so könnten wir dieses neuartige Unternehmensmodell als Social Business bezeichnen" . Gemeint sind damit Unternehmen, die der Unternehmer bzw. Investor nicht gründet, um nach persönlichem Gewinn zu streben, sondern um soziale oder ökologische Ziele zur Armutsbekämpfung zu verfolgen.

Ein Social Business im Yunus'schen Sinne entspricht dabei folgenden Grundsätzen:
1. Unternehmenszweck: Das Social Business erfüllt einen sozialen und / oder ökologischen Nutzen, entweder
a. weil die Produkte oder Dienstleistungen den elementaren Bedürfnissen und Anforderungen ärmster Bevölkerungsschichten entsprechen, diese für sie erschwinglich sind und ihre Lebensbedingungen nachhaltig verbessern, oder
b. weil die Armen selbst Eigentümer des Social Business sind und somit am Profit beteiligt werden
2. Profitabilität: Das Social Business wirtschaftet profitabel (bzw. mindestens verlustfrei), obwohl der soziale Nutzen für die Armen oberste Priorität hat
3. Gewinnausschüttung: Zwar können Investoren nach einigen Jahren ausgezahlt werden – grundsätzlich verzichten sie jedoch auf jede Dividende. Eventuelle Gewinne werden reinvestiert. Entweder um das Preis-Leistungsverhältnis der Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, das Unternehmen räumlich zu expandieren oder um neue Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.
Vor diesem Hintergrund definiert Yunus ein Social Business als mindestens verlustfreies Unternehmen, das sich an den Grundbedürfnissen der Armen orientiert. Eventuelle Gewinne sollen nach Ansicht von Prof. Yunus reinvestiert werden, um das Preisleistungs-Verhältnis der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern oder das Social Business räumlich zu expandieren. Ein Social Business muss sämtliche Betriebskosten selbst decken, während es seine soziale bzw. ökologische Aufgabe erfüllt. Anders als die meisten Organisationen, die sozialen Zwecken dienen, hängen Social Businesses damit nicht dauerhaft von Spenden, Stiftungen oder staatlichen Zuschüssen ab. Auf der Basis betriebswirtschaftlicher Grundsätze kann ein Social Business vielmehr nachhaltig wirtschaften. Mit seinen Produkten und Dienstleistungen erzielt das Unternehmen Einnahmen, während es gleichzeitig den Armen und damit der Gesellschaft insgesamt dient. Das heißt: Ein Social Business ist keine gemeinnützige Einrichtung im herkömmlichen Sinn, sondern ein Wirtschaftsbetrieb, das regulären betriebswirtschaftlichen Kriterien entspricht.
Damit steht der Social Business-Ansatz auch für einen Paradigmenwechsel: Von der Wohltätigkeit und Nothilfe hin zum sozialen Investment.
Als wirtschaftliche Tätigkeitsbereiche für soziale Unternehmen dieses Typs nennt Yunus vor allem das Gesundheitswesen, den Bildungssektor, Finanzdienstleistungen, Informationstechnologie und erneuerbare Energien – ausgerichtet auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Armen.
Denkbare Social Business Geschäftsmodelle
• Ein Unternehmen, das Krankenversicherungen anbietet, die den Armen Zugang zu einer medizinischen Versorgung geben, die sie sich leisten können
• Ein Unternehmen, das Systeme zur Gewinnung erneuerbarer Energie entwickelt und zu erschwinglichen Preisen an ländliche Gemeinden verkauft, die sich ansonsten keine Stromversorgung leisten können
• Ein Unternehmen, das nährstoffreiche Lebensmittel für Kinder herstellt, die auch für Familien in Armut bezahlbar sind
• Ein Unternehmen, das fehlende Infrastruktur (z.B. Brücken, Häfen) bereitstellt, um Armen beispielsweise den Zugang zu Märkten und Versorgungseinrichtungen zu ermöglichen
Das Social Business kann im Besitz des Staates, einer gemeinnützigen Einrichtung, einer bzw. mehrerer Personen oder einer beliebigen Kombination verschiedener Arten von Anteilseignern stehen (Einzelunternehmung oder Partnerschaft in Form eines Joint Ventures), die die nötige Ausstattung (Kapital, Wissen etc.) bereitstellen, um das Geschäftsmodell zu entwickeln und das Unternehmen aufzubauen (inkl. eines professionellen Managements).
Über die kreative Kraft und mögliche Rolle der Unternehmer
Yunus ist davon überzeugt, dass Social Business das Leben der Menschen in Armut (weit über die Befriedigung der Grundbedürfnisse hinaus) nachhaltig verändern und ihnen bei der Überwindung ihrer Armut helfen kann. Die unternehmerische Herausforderung besteht seiner Ansicht nach nun darin, innovative Geschäftsmodelle für die Zielgruppe der Armen zu entwickeln und umzusetzen, um die gewünschten sozialen sowie ökologischen Ziele effektiv und effizient zu erreichen.
Bei der Suche nach kreativen Lösungen für soziale Probleme setzt Yunus auf den Erfindungsreichtum von Unternehmern. Auf den Unternehmergeist, der seiner Ansicht nach letztlich in jedem Menschen schlummert. Auf unternehmerische Eigenschaften und Schlüsselqualifikationen, von denen die Armutsbekämpfung profitieren könnte:

• Leistungsmotivation: Der Unternehmer hat eine Geschäftsidee, die ihn begeistert. Diese Vision, gepaart mit dem Wunsch, die eigenen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, ist die treibende Kraft für jedes Unternehmen.
• Kreativität: Unternehmer sind oft schöpferisch denkende und entscheidungs-freudige Menschen – die unternehmerische Phantasie kennt dabei selten Grenzen. Für das Entdecken ungenutzter Chancen, die Entwicklung neuer Geschäftsideen und Innovation ist diese Kreativität unverzichtbar.
• Eigeninitiative: Mit Ausdauer und Entschlossenheit entwickelt der Unternehmer Strategien, um seine Vision zu verwirklichen. Im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten strebt er nach größtmöglicher Selbständigkeit.
• Risikobereitschaft: Unternehmerische Aufgaben bieten Chancen, beinhalten aber auch Risiken. Der Unternehmer muss bereit sein, die Risiken für sein Handeln zu übernehmen. Dazu bewertet er Kosten, Nutzen, Markt- und Kundenbedürfnisse. Wenn das Geschäftsmodell Erfolg verspricht und das Verlustrisiko überschaubar ist, setzt er seine Idee in die Tat um.
• Problemlösungskompetenz: Unternehmerisches Handeln erfordert darüber hinaus die gezielte Analyse und Bewältigung immer neuer Herausforderungen (z.B. die Entwicklung von Geschäftsideen, die Abschätzung des Marktpotenzials oder die Suche nach geeigneten Produktionsstandorten).
Schon heute setzen sich viele deutsche Unternehmen im Rahmen von Corporate Social Responsibility (CSR) Strategien oder Stiftungsaktivitäten freiwillig für soziale oder ökologische Belange ein. So engagiert sich die Krombacher-Brauerei beispielsweise für den Schutz des Regenwaldes, der Otto-Konzern mit der "Aid by Trade Foundation" um die Förderung von nachhaltigem Anbau land- und forstwirtschaftlicher Produkte in Entwicklungsländern.
Doch warum sollte ein Unternehmer Zeit und Geld in ein Social Business stecken? Was könnte einen Unternehmer dazu bewegen, in ein Unternehmen zu investieren, obwohl er trotz Risikoübernahme selbst im Erfolgsfalle nur die Investition zurückerhält, später jedoch keine Dividende?
Konkreter Beleg für die Realisierbarkeit einer "weitergedachten" kapitalistischen Wirtschaftsordnung ist die Tatsache, dass erste Unternehmer bzw. Investoren bereits Social Business praktizieren. Treiber für dieses Engagement kann neben philanthropischer Motivation auch unternehmerischer Ehrgeiz (z.B. Erprobung der eigenen Kreativität und Managementfähigkeiten) oder kluge Strategie sein. Im Vergleich zu klassischem Sponsoring sind Investitionen in Social Businesses nicht nur nachhaltiger, sondern auch strategisch interessant (z.B. aufgrund des Erwerbs von praktischem Know-how in Wachstumsmärkten).
Welche Motivation letztlich auch immer ausschlaggebend ist: Die Bereitschaft des Investors auf seinen persönlichen Profit zu verzichten und stattdessen alle Gewinne im Interesse der Nachhaltigkeit und der Armen im Unternehmen zu belassen, macht seine soziale Gesinnung glaubwürdig. Dabei bereichern Social Businesses die Gesellschaft um einen neuen Typ von Institutionen, die benachteiligte gesellschaftliche Gruppen nicht als Empfänger von Wohltätigkeit, sondern als Marktteilnehmer wie alle anderen Kunden- bzw. Unternehmergruppen behandeln.
Was grundsätzlich für die Investition in Social Businesses spricht, ist der besonders hohe Effizienz- und Wirkungsgrad. Da unternehmerisch angelegt, sind sie in der Regel effektiver, kostengünstiger und nachhaltiger in der Zielerreichung als die meisten Programme, die auf dauerhafte Fördermittel angewiesen sind. Gleichzeitig erschließen Social Businesses die Entwicklungspotenziale der Ärmsten für diese selbst auf intelligente Weise: Durch Social Businesses kommen die Armen laut Yunus am schnellsten zur Lösung ihrer strukturellen Probleme. Sie finden ein neues Angebot an Arbeitsplätzen und werden nach dem Grameen-Modell eventuell sogar zu Miteigentümern dieser Unternehmen. Was könnte aus entwicklungspolitischer Sicht sinnvoller sein?
Yunus selbst sieht in dem Social Business-Ansatz die Lösung für eine Vielzahl sozialer und ökologischer Probleme der Welt. Vor allem eine Lösung im Kampf gegen die Armut und eine Lösung zur Wahrung des Friedens. Denn: "Armut ist eine Bedrohung für den Weltfrieden".
Dabei sollen und können Social Businesses klassische Unternehmen sicher nicht ersetzen. Sie sollen den freien Markt nur um diese ergänzen.
4. Handlungsperspektiven
Wie in der Einleitung dieses Konzeptpapiers bereits angedeutet, haben die Autoren dieses Konzeptpapiers zwei Ziele im Blick:
1. Die Anregung zur praktischen Umsetzung von Social Business-Geschäftsideen durch Investoren und Unternehmer mit Sitz in Deutschland
2. Die Etablierung eines strukturierten Social Business-Dialogs zwischen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft
Mit ihrer Initiative wollen sie einen Beitrag zur Erreichung dieser beiden Ziele leisten. Bislang gibt es neben dem Grameen-Danone Joint Venture nur wenige Praxisbeispiele für den Social Business-Ansatz. Daher sollten u.a. folgende Fragen lösungsorientiert diskutiert werden: Was könnte einen deutschen Unternehmer bzw. eine Unternehmerin dazu bewegen, in ein Social Business zu investieren – und welche Konsequenzen hätte eine solche Investition? Unter welchen Voraussetzungen sind erste Praxisbeispiele replizierbar? Was sind Erfolgsfaktoren, was Hindernisse? In welchem Verhältnis stehen Yunus Social Business-Ideen und Praxisbeispiele zur sozialen Marktwirtschaft? Und inwieweit lässt sich der Kapitalismus nicht nur theoretisch weiter denken, sondern auch im Lebensumfeld der Armen praktisch weiter entwickeln?
Dialog-Plattform und persönlicher Austausch mit Yunus im Oktober
Um diese Fragen beantworten zu können, bedarf es überzeugter "Ersttäter": Unternehmerpersönlichkeiten, die mit Kreativität und Kompetenz innovative Social Business-Geschäftsideen entwickeln und bereit sind, das unternehmerische Risiko bei der Umsetzung ihrer Ideen auf sich zu nehmen. Vor diesem Hintergrund suchen die Autoren dieses Konzeptpapiers nun im ersten Schritt den Dialog mit deutschen Unternehmer-Persönlichkeiten. Auf diese Weise sollen potenzielle Investoren identifiziert und angesprochen werden.
Mittelfristig soll dieser Dialog um den Austausch mit interessierten Schlüsselpersonen aus Wissenschaft, Politik sowie dem dritten Sektor erweitert werden, um den Austausch zwischen Theorie und Praxis zu fördern und das gesellschaftliche Umfeld für die Vision eines erweiterten Kapitalismus zu bereiten.
Die Bereitschaft zu eventuellen Kooperationen bei der Etablierung einer solchen Dialog-Plattform werden die Autoren dieses Papiers in verschiedenen Gesprächen ausloten. Dabei sind die Autoren offen für Anregungen und einen intensiven Austausch über ihre Initiative. Darüber hinaus ist für Oktober 2008 eine erste gemeinsame Veranstaltung mit Muhammad Yunus sowie interessierten Unternehmern und Investoren in Köln geplant.
Ansprechpartner
Autoren dieses Konzeptpapiers und Initiatoren des Social Business Network sind Ministerialdirigent a.D. Dr. h. c. Karl Osner aus Bonn und Kerstin Humberg, Unternehmensberaterin aus Hamburg. Beide stehen für Nachfragen sowie als Ansprechpartner für interessierte Investoren und Unternehmer zur Verfügung.
Die in diesem Papier skizzierte Initiative wurde in den vergangenen Monaten in mehreren Gesprächen mit Muhammad Yunus erörtert. Für die Diskussion und Umsetzung konkreter Social Business-Geschäftsideen steht auch Yunus selbst zur Verfügung.


4. Literatur
OECD (2007): Aid Statistics (Online-Dokument heruntergeladen am 28.08.2008). Siehe: www.oecd.org/department/0,3355,en_2649_34447_1_1_1_1_1,00.html
Weltbank (Hrsg.) (2008): The Developing World is Poorer than We Thought, But No Less Successful in the Fight against Poverty (Policy Research Working Paper).
Yunus, M. (2008): Die Armut besiegen.
Yunus, M. (2007): Creating a World without Poverty.
Yunus. M. (2007): "Wir können Armut in die Museen verbannen".

Kerstin Humberg & Karl Osner

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