Familienpolitik: geschlechter- und generationengerecht

Erklärung der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) vom 20./21. Mai

Einleitung: Warum diese Erklärung?

Am 3. Mai 2002 hat die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) die Erklärung "Rahmenbedingungen für das Gelingen stabiler Partnerschaften in Ehe und Familie verbessern" verabschiedet, am 29. April 2005 die Erklärung "Partnerschaft und Elternschaft". Beide Erklärungen richteten bereits den Fokus auf das gedeihliche Zueinander von "Wohl des Kindes" und "Wohl der Partner" und haben seitdem keineswegs an Gültigkeit verloren. Warum äußert sich das ZdK nun erneut zur Familienpolitik?

In der laufenden Legislaturperiode sind wichtige Richtungsentscheidungen in der Familienpolitik getroffen worden. Gleichzeitig hat die öffentliche Debatte sehr unterschiedliche Interessenlagen deutlich gemacht und an Schärfe gewonnen. Kirchliche Stimmen haben dazu beigetragen.

Als katholische Christinnen und Christen wollen wir die gesellschaftliche Entwicklung aktiv und verantwortlich mitgestalten. Aus christlicher Überzeugung heraus können wir dazu beitragen, mit den großen Spannungen, unter denen das Leben in und als Familie heute steht, konstruktiv umzugehen.

Familie geht jeden Menschen an – schon weil niemand sein Leben völlig unabhängig von "Familienbanden" lebt, selbst wenn er kein "Familienmensch" ist. Weil niemand ganz unbeteiligt über Familie reden kann, ist es jedoch nicht einfach, nüchtern und unparteiisch darüber nachzudenken: Bewusst oder unbewusst steht immer auch der eigene Lebensentwurf, ob mit oder ohne eigene Familie, zur Diskussion; eingestanden oder uneingestanden spielen eigene Erfahrungen und Lebensentscheidungen mit.

Umso wichtiger ist es zu versuchen, zunächst einen möglichst unvoreingenommenen Blick auf das Thema zu richten. Grundsatz muss es sein, die notwendigen Auseinandersetzungen um Familienbild, Familienverständnis und Geschlechterrollen in der Familie im kirchlichen wie im gesellschaftlichen Raum sachlich und fair zu führen. Schuldzuweisungen müssen vermieden bzw. überwunden werden. Familie als Lebensform ist wertvoll und verdient in der Vielfalt, in der sie heute gelebt wird, Schutz und Unterstützung. Die unterschiedlichen Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Bedürfnisse, die in der Institution Familie zusammentreffen, müssen miteinander vereinbart werden können. Dabei dürfen weder Kinder und pflegebedürftige Angehörige noch die (Ehe-)Partner – Mütter und Väter – zu kurz kommen.

Die Erklärung ist deshalb von folgenden Grundüberzeugungen getragen: Die Wertschätzung jeder einzelnen Person in ihrer gleichen Würde ist das schlechthin grundlegende Kriterium, an dem jede normative Konzeption von Familie zu messen ist. Sie schließt die Wahrnehmung und Wertschätzung von Frauen wie Männern vor jeder Zuweisung geschlechtlich bestimmter sozialer Rollen ein. Für die Vielseitigkeit von Familienleben und für die unterschiedlichen Phasen und Herausforderungen sind unterschiedliche Maßnahmen und Leistungen notwendig.

Als Vertretung der katholischen Laien wollen wir dazu beitragen, realistische, gerechte und nicht ausgrenzende Wege der Familienpolitik zu bahnen. Im ersten Teil dieser Stellungnahme wird nach den Zielen und Strategien gefragt, die in der aktuellen Familienpolitik verfolgt werden. Hier werden gewisse Spannungen deutlich. Dieser Diagnose soll im zweiten Teil genauer nachgegangen werden, indem die Grundspannung zwischen Geschlechter- und Generationengerechtigkeit bedacht wird, die die Institution Familie prägt. Die sozialethische Herausforderung liegt in der Frage, wie beide Gerechtigkeitsperspektiven miteinander verbunden werden können – in der Überzeugung, dass Geschlechter- und Generationengerechtigkeit miteinander zu vereinen sind, wenn sie auch spannungsvoll aufeinander bezogen bleiben. In der Perspektive christlicher Ethik werden Kriterien angeboten, an denen sich eine geschlechter- und generationengerechte Familienpolitik orientieren kann. Vor diesem Hintergrund werden im dritten Teil konkrete Erwartungen an die Familienpolitik und an eine kirchliche Familienförderung formuliert.

1. Familie im gesellschaftlichen und politischen Spannungsfeld

Während sich heute gerade 40 Prozent der jungen Männer eine Partnerschaft vorstellen können, in der die Aufgaben tatsächlich gleichberechtigt zwischen Mann und Frau verteilt werden, wünschen sich 80 Prozent der jungen Frauen ein gleichberechtigtes Lebensmodell, in dem sowohl die Frau als auch der Mann sich um die Kinder, den Haushalt wie um das Erwerbseinkommen kümmern ; Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander. Tatsächlich werden derzeit 68 Prozent der Erziehungsarbeit von Frauen geleistet . Gleichzeitig wachsen die Anforderungen der Berufswelt sowie die Aufgaben für Familien. Dort, wo die "Sandwich-Generation" auch mit der Pflege älterer Angehöriger betraut ist und zugleich Kinder versorgt, geraten Erwachsene an die Grenzen ihrer Kräfte. Unterschiedliche Familienphasen bringen unterschiedliche Herausforderungen mit sich; es mangelt an finanzieller Entlastung im Familienalltag, an einer unterstützenden Infrastruktur und an verfügbarer Zeit. Einkommensschwache Familien, Alleinerziehende und ein Großteil der Mehrkinderfamilien sind besonders belastet. In diesem gesellschaftlichen Spannungsfeld ist es für die Familie nicht leicht, einen Weg zu finden, sich für alle Beteiligten zufriedenstellend zu organisieren.

Gesellschaft und Politik richten äußerst vielfältige Hoffnungen, Erwartungen und Anforderungen an junge Paare und Familien heute. Familienpolitische Gesetze, Leistungen, Maßnahmen und entsprechende Diskussionen senden dabei unterschiedliche Botschaften an junge Paare und Familien. Einige dieser Botschaften seien im Folgenden in Worte gefasst:

In Anbetracht der demographischen Entwicklung mit all ihren Folgen für die deutschen Sozialversicherungssysteme verfolgt die Familienpolitik auch das Ziel, die Geburtenrate zu steigern. An junge Menschen und Paare ergeht die Botschaft: "Bekommt mehr Kinder!"

Das zum 1. Januar 2007 eingeführte Elterngeld soll den finanziellen Einbruch, den die Geburt eines Kindes bisher für viele junge Paare bedeutete, abmildern, jungen Menschen die Entscheidung für ein Kind erleichtern und den Anreiz für den schnellen Wiedereinstieg in den Beruf setzen. Der geplante Ausbau der Kindertagesbetreuung für Ein- bis Dreijährige von derzeit 250.000 auf 750.000 Plätze bis zum Jahr 2013 verbessert die Infrastruktur. Die Botschaften des Elterngeldes und der so genannten Partnermonate in Verbindung mit dem Ausbau der Kindertagesbetreuung an junge Menschen heißen also: "Ihr könnt euch auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen verlassen! Es ist gesellschaftlich erwünscht und ökonomisch sinnvoll, wenn ihr Erwerbs- und Familienarbeit partnerschaftlich aufteilt!"

Beim geplanten Ausbau der Kindertagesbetreuung hat die Qualität der Einrichtungen in der Debatte bisher kaum eine Rolle gespielt. Das führt zu der Anfrage, welche Bedeutung eigentlich das Kindeswohl hat. Dennoch lautet die politische Botschaft an junge Menschen: "Bekommt Kinder, ihr könnt sie dann in eine Kindertagesstätte geben!"

Das in der Diskussion stehende Betreuungsgeld, das als Kompensation an die Eltern bis zum dritten Lebensjahr ihres Kindes gezahlt werden soll, die keine Kinderbetreuungseinrichtung in Anspruch nehmen, kann als Botschaft an junge Frauen wie folgt verstanden werden: "Die Familienzeit für und mit deinem Kind wird dir insbesondere in der ersten Phase finanziell erleichtert!"

Dagegen sendet das zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts – Unterhaltsrechtsänderungsgesetz (UÄndG), das die Ansprüche von Kindern vor die der geschiedenen Ehefrau stellt und die nacheheliche Eigenverantwortung stärker als bisher betont, folgende Botschaft an junge Frauen: "Stelle dich möglichst schnell nach der Geburt eines Kindes wieder ökonomisch auf eigene Beine und garantiere selbst für deine Versorgung!"

Schon diese wenigen Beispiele zeigen: Familienpolitik ist geprägt von der Grundspannung zwischen Geschlechter- und Generationengerechtigkeit. Diese Diagnose soll im Folgenden aus sozialethischer Perspektive genauer untersucht werden.

2. Familie im Spannungsfeld von Geschlechter- und Generationengerechtigkeit

2.1 Familie und Familienpolitik als Spannungsfeld von
Geschlechter- und Generationengerechtigkeit

Familie ist auch in der modernen Gesellschaft der wichtigste Ort gegenseitiger Sorge und Fürsorge, zugleich aber auch ein Ort, an dem vielfältige Spannungen ausgetragen und ausgehalten werden müssen. Denn in der Familie als gesellschaftlicher Institution und als Gemeinschaft von Personen kreuzen sich die Linien von Paar-/Geschlechterbeziehungen und Generationenbeziehungen, von gegenseitiger Verantwortung zwischen (Ehe-)Partnern und der Verantwortung von Eltern für Kinder, Kinder für Eltern sowie andere Verwandte. Lebensentwürfe von Frauen und Männern müssen in der Familie miteinander und mit den Bedürfnissen der Kinder und der Älteren, auch der pflegebedürftigen älteren Menschen, vermittelt und zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden. Zudem müssen die Familie als ganze und die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Wünsche der einzelnen Familienmitglieder in ein faires Verhältnis zueinander gebracht werden. In der Familie kreuzen sich die Linien von Geschlechter- und Generationengerechtigkeit.

Familie findet nicht auf einer "Insel der Seligen" statt; das wird in einer idealistischen Familien-Rhetorik – auch im kirchlichen Kontext – leicht vergessen. Sie ist eingebunden in Prozesse gesellschaftlichen Wandels, nicht zuletzt durch die Notwendigkeiten ökonomischer Existenzsicherung und der Vorsorge für Risikosituationen. Diese vielfältigen Anforderungen an die einzelnen Familienmitglieder und die Familie als ganze sowie die hieraus resultierenden Spannungen sind nicht einfach auszugleichen, zumal die Erwartungen der Wirtschaft an die Einzelnen diesem Ziel eher entgegenstehen. Die Erfordernisse der Familie liegen quer zu den Erwartungen an die Verfügbarkeit der Erwerbstätigen und zu den oft selbstverständlich vorausgesetzten Trennungen zwischen privater und öffentlicher Sphäre. Die daraus erwachsenden Konflikte sind nicht dadurch zu lösen, dass auf vermeintlich eindeutige und klare Rollenzuweisungen an Frauen, die Mütter sind, und Männer, die Väter sind, verwiesen wird.

Der Wandel der Geschlechterrollen hat die Spannungen zwischen der "Welt der Familie" und der "Welt der Öffentlichkeit" deutlicher zu Tage gefördert. Das betrifft besonders die erfreulicherweise gestiegene gesellschaftliche Anerkennung der öffentlichen Präsenz und Partizipation von Frauen. Doch nicht nur die Frauen- und Männerrollen haben sich verändert, sondern das Verhältnis der Geschlechter zueinander und ihre Kooperation in Familie und Gesellschaft haben sich tiefgreifend gewandelt. Wird dies nicht berücksichtigt, dann werden die Probleme der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familienaufgaben individualisiert und immer noch verzerrt als bloße "Frauenfragen" wahrgenommen oder allenfalls als Probleme, die allein von dem einzelnen Paar zu lösen seien. Eine solche Wahrnehmung wehrt familienpolitische Initiativen zur Unterstützung der Familien durch familienergänzende Strukturen (etwa zur frühkindlichen Erziehung) dann zu schnell als unangebrachte Einmischung in die innerfamilialen Angelegenheiten ab, anstatt in ihnen eine politische Herausforderung zu erkennen. Denn Frauen und Männer fällen zwar ihre je persönlichen Entscheidungen über Lebensform, Familiengründung und Arbeitsteilung in der Familie; das ist ihr persönliches Recht und ihre unvertretbar eigene Verantwortung. Aber welche Entscheidungen sie treffen (können), wird auch von gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen beeinflusst.

Die Bedürfnisse und Rechte der Kinder auf Erziehung und elterliche Zuwendung ("Kindeswohl") scheinen in Konflikt zu geraten mit den Bedürfnissen und Rechten der Eltern, insbesondere der Mütter, ihr Leben eigenverantwortlich zu gestalten und gegen Risiken abzusichern. Gesellschaftliche und politische Erwartungen sind immer mehr darauf gerichtet, dass gesunde Erwachsene, mithin auch die Mütter jüngerer Kinder, eigenverantwortlich ihren Lebensunterhalt erwirtschaften und für die Bewältigung der Risiken des Daseins vorsorgen, d. h. im Regelfall: einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Unabhängig von diesen Erwartungen wollen viele Frauen und Mütter einer Erwerbstätigkeit nachgehen – wie dies Männern und Vätern selbstverständlich zugestanden wird. Demgegenüber scheinen nicht wenige Beiträge, auch manche kirchliche Stimmen, zu den gegenwärtigen familienpolitischen Debatten vorauszusetzen, dass Frauen, die Mütter jüngerer Kinder sind, um des Wohles ihrer Kinder willen eben darauf verzichten bzw. durch staatliche Transferleistungen von einer entsprechenden Notwendigkeit entlastet werden sollten. Dahinter steckt oftmals nicht so sehr die Sorge um eine Überlastung der Frauen, sondern die Vermutung, eine – auch nur stundenweise – außerfamiliale Betreuung schade der Entwicklung kleiner Kinder. Es befürchtet hingegen niemand, dass die Berufstätigkeit des Vaters einem Kind schadet – sie sichert die materielle Basis der Familie. Zwar ist das gleichstellungspolitische Ziel, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, mittlerweile akzeptiert. Doch hat die Berufstätigkeit von Frauen dabei nicht den gleichen Stellenwert wie die von Männern. Andersherum gesprochen: Die Ansicht, dass Väter zu Hause genauso gebraucht werden wie Mütter, ist kaum verbreitet. Nicht wenige Ehen scheitern daran, dass die beiden Partner sich beim Aushandeln ihrer Aufgabenteilung nicht auf Dauer annähern. Eine solche Annäherung wird vielfach noch zu wenig durch die strukturellen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen Rollenerwartungen, vor allem gegenüber Männern, unterstützt.

Wie ist auf der Grundlage eines christlichen Menschenverständnisses und einer auf diesem Fundament aufbauenden Sozialethik dazu Position zu beziehen?

2.2 Die Spannung von Geschlechter- und Generationengerechtigkeit im Licht christlicher Anthropologie und Sozialethik

Eine Stellungnahme aus katholischer Sicht zu den Gerechtigkeitsherausforderungen, unter denen Familie und Familienpolitik stehen, ist gut beraten, den Blick auf die tagesaktuellen Fragen und Konfliktfelder durch eine Rückbesinnung auf die Quellen des christlichen Glaubens zu schärfen. Eine Vergewisserung über grundlegende Optionen eines christlichen Menschenverständnisses kann helfen, Perspektivverengungen in den eigenen Positionen aufzudecken. Gerade im Blick auf das Spannungsfeld Familie kann eine solche Reflexion dazu beitragen, die einzelnen Personen in der Familie genauer wahrzunehmen und eine Haltung der Wertschätzung zu entwickeln, die durch eine christliche Anthropologie sehr ermutigt wird. Das kann helfen, den Blick nicht vorschnell auf bestimmte Rollenerwartungen zu verengen, "hinter" denen dann die konkreten Personen, die in der Familie Verantwortung tragen, leicht zu kurz kommen.

Menschliche Existenz entfaltet sich nach dem Verständnis des christlichen Glaubens selbst in charakteristischen Spannungen. Eine ganz grundlegende Spannung zeigt sich schon in der für das christliche Verständnis fundamentalen Rede vom Menschen als Geschöpf: Der Mensch existiert nicht aus sich selbst heraus, sondern verdankt sich einem Anderen. Das ist eine urmenschliche Erfahrung – jeder Mensch hat Eltern, ist von einer Mutter geboren und kann die eigene personale Existenz nur dank der Zuwendung Anderer entfalten. Im biblischen Ethos hat daher die Achtung und gegenseitige Sorge in der Generationenfolge einen hohen Stellenwert; dies kommt besonders im Gebot der Elternehrung zum Ausdruck (vgl. Ex 20,12; Dtn 5,16). Die biblisch-christliche Rede vom Menschen als Geschöpf meint aber noch eine tiefere Verdanktheit von Gott her als dem Schöpfer allen Lebens. Gerade als Geschöpf wird der Mensch aber auch als eigenständig und verantwortlich begriffen. Das ist kein Gegensatz zur Verdanktheit der Existenz, sondern die Frucht der Würde und Ermächtigung des Geschöpfs durch Gott. Sie ist nach biblischer Überlieferung nicht einem isolierten Menschen allein zugesagt, sondern von Anfang an dem Menschen "als Mann und Frau". Mit der Deutung des Menschen als Geschöpf ist zugleich eine grundlegende Gleichheit aller Menschen ausgesagt, die in der Bestimmung zu gemeinsamer verantwortlicher Weltgestaltung (Mensch als Bild Gottes, vgl. Gen 1,26 – 28) ihre Begründung findet.

Das katholische Verständnis der sakramentalen Ehe als Fundament der Familie gibt diesem Verständnis einen intensiven Ausdruck: Die Verdanktheit menschlicher Existenz wird hierin ebenso deutlich wie die im Vertrauen auf Gott gründende Hoffnung auf Gelingen der Paargemeinschaft als einer das ganze Leben bestimmenden Perspektive.

Für die Wahrnehmung von Frauen und Männern im Zusammenhang mit Familie sind dies fundamentale Vorgaben: Beide Partner sind gleichermaßen zurückverwiesen auf Familie – auf den schöpferischen Akt ihrer Eltern, dem sie ihr Leben verdanken und der sie dauerhaft als Tochter oder Sohn beansprucht. Beide gleichermaßen sind sie in die Verantwortung für ihr eigenes Leben gerufen und herausgefordert, es unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen aktiv zu gestalten. Das wiederum ist kein individualistisches Projekt, sondern kann nur in der Hinordnung auf andere Menschen, in Beziehungen gelingen. Das gilt auch dann, wenn Menschen keine eigene Familie gründen. Frauen und Männer, die eine eigene Familie gründen, übernehmen damit eine genuine Verantwortung für das gemeinsame Leben mit dem Partner bzw. der Partnerin und für Kinder, die aus der Verbindung hervorgehen. Dazu gehört auch, Bedürfnisse und Erfordernisse des gemeinsamen Lebens als Familie und die je persönliche Entfaltung, die in der Regel nicht auf den internen Raum des Familienlebens beschränkt sein wird, gegeneinander abzuwägen bzw. miteinander zu einem für alle Beteiligten dauerhaft lebensförderlichen Ausgleich zu bringen. Verantwortung für sich selbst (Eigenverantwortung) und Verantwortung für andere in der Familie (und darüber hinaus) gehören zusammen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das gilt auf der Ebene von Ehe, Partnerschaft und Elternschaft, und es gilt auch in der weiteren Generationenfolge, wenn etwa Großeltern durch persönlichen Einsatz und/oder durch materielle Beiträge die Familien ihrer Kinder tatkräftig unterstützen. Familie als "Gemeinschaft von Personen" ist aus diesem Zusammenspiel von Bedürfnissen, Erfordernissen und Fähigkeiten heraus wahrzunehmen: Sie ist mehr als eine Addition von Individuen, aber das Eigenrecht der einzelnen Familienmitglieder darf nicht zugunsten des Ganzen ignoriert werden.

2.3 Konsequenzen und Kriterien für eine
geschlechter- und generationengerechte Familienpolitik

Was bedeutet eine solche Position, die im Horizont der biblisch-christlichen Rede vom Menschen formuliert werden kann, für eine geschlechter- und generationengerechte Familienpolitik? Was bedeutet eine solche Position für das Zusammenleben und die Kooperation von Frauen und Männern in Familie und Gesellschaft? Die Wertschätzung jeder einzelnen Person in ihrer gleichen Würde ist das schlechthin fundamentale Kriterium, an dem jede normative Konzeption von Familie zu messen ist. Sie schließt die Wahrnehmung und Wertschätzung von Frauen wie Männern vor jeder Zuweisung geschlechtlich bestimmter sozialer Rollen, auch derer von Mutter- bzw. Vaterschaft, ein. Ein weiteres mit dem Personsein gegebenes Kriterium bildet die Hinordnung auf soziale Kooperation und Kreativität. Als grundlegende humane Fähigkeit und zugleich als unhintergehbares humanes Bedürfnis kann sie in unterschiedlicher Weise gelebt und ausgefüllt werden. Wenn man von diesen Überlegungen ausgeht, ergeben sich einige Konsequenzen für ein christlich fundiertes Nachdenken über Familie und Familienpolitik sowie für entsprechende öffentliche Äußerungen.

2.3.1 Die plurale Familienwirklichkeit wertschätzen

Die heutigen Lebenswirklichkeiten und die vielfältigen und oft spannungsvollen Erfahrungen von Frauen und Männern in und mit Familie müssen ernst genommen und gewürdigt werden. Sie vor jeder (moralischen) Wertung zunächst einmal wahrzunehmen, ist eine Frage des Respekts vor den Lebensentscheidungen, Lebenswegen und Lebensleistungen der Menschen, die sich für Familie entscheiden. Dies bezieht auch die nicht erfüllten Hoffnungen und Lebenspläne sowie die Erfahrungen des Scheiterns ein. Mit den Familien und nicht gegen sie ist nach Lösungen zu suchen, die Frauen und Männern wie Kindern und erwachsenen Pflegebedürftigen in ihren jeweiligen grundlegenden Bedürfnissen und Fähigkeiten gerecht werden können.

Wenn die Erfahrungen heute lebender Frauen, Männer und Kinder mit Familie auch für Katholiken Ausgangspunkt ihrer Überlegungen zum Thema Familie und zu einer gelingenden Familienpolitik sind, ist der Erwartung, es gebe das katholische Familienbild als unbedingte, überzeitliche Größe, mit starker Zurückhaltung zu begegnen. Zunächst einmal gibt es eine Vielfalt von Ausdrucksformen und Möglichkeiten gelebter Familie: Was Paare, aber auch alleinerziehende Mütter oder Väter – gemeinsam mit ihren Kindern – auf der Suche nach lebbaren Modellen für Familie leben, verdient Wertschätzung. Sie nimmt nicht an vorgefertigten Schablonen Maß, nach denen "immer schon" feststeht, was eine gute Mutter, ein guter Vater, eine gute Familie ist. Was Menschen unter nicht idealen Bedingungen aufbauen, um miteinander als Familie auf Dauer verantwortungs- und rücksichtsvoll leben zu können, ist anzuerkennen.

Dabei ist darauf zu achten, dass nicht alle Akteure in der Familie die gleichen Handlungsspielräume haben und dass es auch in der Familie asymmetrische Machtverhältnisse gibt: zwischen Eltern und Kindern, aber auch nicht selten zwischen Männern und Frauen. Die Beziehungen fair zu gestalten, gehört zunächst zur Verantwortung, die die Familienmitglieder füreinander haben; die Rechte der jeweils Schwächeren müssen aber zusätzlich durch geeignete rechtliche und politische Maßnahmen geschützt werden. Das ist, auch weil es mit Eingriffen in den geschützten Raum des privaten Lebens verbunden ist, eine sensible Aufgabe.

2.3.2 Die Dynamik der Institution Familie wahrnehmen

Familie als Institution ist ein Grundbestandteil jeder Gesellschaft. Aber sie wird historisch und kulturell in ganz unterschiedlichen Gestalten konkret und unterliegt dem gesellschaftlichen Wandel. Wenn nun nicht nur Familie als solche, sondern ein bestimmtes (de facto historisch und kulturell bedingtes) Familienverständnis oder Familienbild als "natürliches" vorausgesetzt wird, liegt darin die Gefahr, dass Aspekte des Wandels der Familie gar nicht in den Blick kommen oder als Störfaktoren ausgeblendet werden (müssen). Eben dies hat im katholischen Denken über die Familie Tradition, und es betrifft auch und gerade solche Aspekte, welche die Geschlechtergerechtigkeit angehen. Tendenzen, die Familie als ganze bzw. das Anliegen der Generationenverantwortung generell den Anliegen, Bedürfnissen und Interessen der Frauen vorzuordnen, ist unter dieser Rücksicht entgegenzutreten: Aspekte familialer Verantwortung werden zwar zu Recht unter dem Stichwort des Kindeswohls einerseits, des Gemeinwohls andererseits geltend gemacht; aber wenn das Kindeswohl benutzt wird, um Forderungen der Geschlechtergerechtigkeit auszuhebeln, ist das eine vorschnelle und nicht faire Verkürzung der Perspektive. Die Anliegen der Erwachsenen, insbesondere der Frauen in der Familie, dürfen nicht pauschal ausgeblendet werden.

3. Impulse für eine geschlechter- und generationengerechte Familienpolitik

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland macht Vorgaben, an denen sich die Familienpolitik auszurichten hat und bestätigt die im sozialethischen zweiten Teil herausgearbeiteten Kriterien der Geschlechter- und Generationengerechtigkeit: Die zentralen Grundlagen sind dabei Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, und Art. 3 Abs. 2 GG, der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festschreibt und den Staat zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern verpflichtet. Eine verfassungskonforme Familienpolitik muss folglich darauf ausgerichtet sein, der Institution Familie wie den einzelnen Familienmitgliedern gerechte und verlässliche Rahmenbedingungen zu erhalten bzw. diese zu verbessern. Dazu gehört auch die Orientierung an den jeweiligen Bedürfnissen des Kindes.

Die Politik muss dabei der sozialen Ausdifferenzierung unserer Gesellschaft Rechnung tragen, die sich in der Situation der Familien spiegelt. Und sie muss die empirisch belegbare Tatsache berücksichtigen, dass der Druck auf Familien objektiv gewachsen ist: Zeitdruck, Erziehungsdruck, Bildungsdruck, Rechtfertigungsdruck, finanzieller Druck und das so genannte Vereinbarkeitsdilemma beschreiben schlagwortartig die Situation, in der sich Familien heute befinden. Diese Situation unterscheidet sich signifikant von Zeiten, in denen in Deutschland ein eindeutiges und unhinterfragtes Lebensmodell Familie auf der Basis des männlichen Alleinernährermodells und der Hausfrauenehe fest verankert war. Das ZdK formuliert im Folgenden konkrete Erwartungen an Familienpolitik, Familienpastoral sowie Kinderbetreuung in pluraler Trägerschaft: Impulse für eine geschlechter- und generationengerechte Familienpolitik. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für Familien, für Mann und Frau Wahlfreiheit herstellen – Freiheit, sich in den unterschiedlichen Familienphasen zwischen mehreren, tatsächlich bestehenden Möglichkeiten entscheiden zu können. Denn sowohl für die Berufstätigkeit der Eltern als auch für die Entscheidung, sich ganz oder zeitweise ausschließlich der Kindererziehung zu widmen, gibt es ideelle wie materielle Beweggründe, die Anerkennung verdienen.

Alle Maßnahmen müssen daran gemessen werden, ob sie auch Eltern in prekären Situationen sowie Alleinerziehende unterstützen und entlasten. Die aktuelle Familienpolitik ist stärker als bisher auf gut situierte Familien ausgerichtet. Allerdings ist dafür Sorge zu tragen, dass die auf Transferleistungen angewiesenen Familien nicht aus dem Blick geraten.

3.1 Verbesserung der Einkommens- und Vermögenslage von Familien

Vor dem Hintergrund der Überprüfung aller familienpolitischen Leistungen betont das ZdK die Notwendigkeit unterschiedlicher familienpolitischer Leistungen und Maßnahmen für die jeweiligen Familienphasen. Denn für die Vielseitigkeit von Familienleben und für die unterschiedlichen Phasen und Herausforderungen sind unterschiedliche Maßnahmen und Leistungen notwendig. Damit dieser Mix passgenau auf möglichst viele Familiensituationen zugeschnitten ist und Entlastung schafft, muss er gezielt ausgebaut werden.

3.1.1 Elterngeld II

Mit dem zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit –Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) wurde das Elterngeld eingeführt. Das Elterngeld hat es jungen Paaren erleichtert, sich für ein Kind zu entscheiden. Es hat die wirtschaftliche Situation vieler Familien unmittelbar nach der Geburt eines Kindes verbessert und die wirtschaftliche Selbständigkeit beider Elternteile gestärkt. Gleichzeitig ergeben sich aber insbesondere für einkommensschwache und kinderreiche Familien durch die Einführung des Elterngeldes erhebliche finanzielle Einbußen. Im Blick auf diese Gruppen besteht weiterer Handlungsbedarf.

Das ZdK empfiehlt als notwendige Weiterentwicklung der Vorschriften des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes ein Elterngeld II, das an das bestehende Elterngeld anschließt und bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes in Höhe von 300 Euro monatlich an alle Eltern ausgezahlt wird. Eine derartige Fortführung des bestehenden Elterngeldes ist erforderlich für die Gestaltung der Übergangsphase zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr des Kindes. Durch diese Unterstützung aller Eltern bei der Finanzierung der von ihnen gewählten Betreuungsform in der ersten Lebensphase ihres Kindes ist das Elterngeld II auch Ausdruck der Gestaltungsvielfalt und Wahlfreiheit: Die Eltern können selbst entscheiden, wie sie ihr Kind betreuen wollen und wofür sie dieses Geld einsetzen.

3.1.2 Anhebung von steuerlichem Kinderfreibetrag und Kindergeld

Das ZdK fordert mit Blick auf die Vorlage des Siebten Existenzminimumberichts der Bundesregierung im Herbst 2008 eine deutliche Anhebung von steuerlichem Kinderfreibetrag und Kindergeld. Aufgrund der steigenden Lebenshaltungskosten ist diese familienpolitisch orientierte Reform der Einkommensbesteuerung überfällig. Die Generationenleistung der Eltern muss staatlich anerkannt werden.

Gesetzlich sind die Eltern ihrem Kind gegenüber zu Unterhaltsleistungen verpflichtet. Da die Unterhaltsleistungen dem Steuerpflichtigen selbst nicht mehr als disponibles Einkommen zur Verfügung stehen, können diese auch nicht der Besteuerung unterworfen werden. Der steuerlich absetzbare Kinderfreibetrag ist Ausdruck dieses Sachverhalts: Der von den Eltern geleistete Kindesunterhalt wird bei der Ermittlung der Steuerschuld durch Abzug des Kinderfreibetrags berücksichtigt. Nach geltendem Steuerrecht werden aber bei diesem steuerlich absetzbaren Kinderfreibetrag weder die tatsächlich erbrachten noch die rechtlich geschuldeten Unterhaltsaufwendungen der Eltern für ihr Kind berücksichtigt, sondern lediglich das sächliche Existenzminimum und der minimale Betreuungsbedarf. Um das System der Einkommensbesteuerung der sozialen Realität anzunähern und es gleichzeitig konsequent familienfreundlich auszugestalten, muss die Höhe des steuerlich absetzbaren Kinderfreibetrages durch den rechtlich geschuldeten Unterhaltsaufwand der Eltern für ihr Kind festgelegt werden und nicht lediglich durch die Aufwendungen, die dem Existenzminimum entsprechen.

Um die Situation aller Familien – auch derer mit geringem Einkommen – grundsätzlich zu verbessern, ist darüber nachzudenken, ein eigenständiges System einer Existenzsicherung von Kindern außerhalb des SGB II zu schaffen.

3.1.3 Stärkere Staffelung des Kindergeldes nach der Anzahl der Kinder

Um Mehrkinderfamilien finanziell besser zu fördern, unterstützt das ZdK eine stärkere Staffelung des Kindergeldes nach der Anzahl der Kinder. Denn ein wesentlicher Grund für die zurückgegangene Geburtenrate in Deutschland ist die starke Abnahme von kinderreichen Familien. Die Fixkosten für Familien steigen bei mehreren Kindern sprunghaft an und die Möglichkeit für beide Elternteile, erwerbstätig zu sein, nimmt deutlich ab. Das Armutsrisiko für Mehrkinderfamilien mit mittlerem Einkommen wächst. Deswegen wünschen sich zwar viele Eltern mehrere Kinder, können diesen Wunsch aber aus materiellen Gründen nicht realisieren. Das Kindergeld kompensiert zu einem Teil die finanziellen Mehrkosten, die durch Kinder faktisch entstehen. Es leistet somit einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität von Familien. Eine Weiterentwicklung des gestaffelten Kindergeldes, bei dem mit weiteren Geschwisterkindern das Kindergeld steigt, kann wirksam entlasten.

3.1.4 Einführung einer leistungsgerechten Lohnsteuerverteilung für Ehepaare

Das ZdK fordert die Beibehaltung des Ehegattensplittings. Das Ehegattensplitting sichert Gleichbehandlung und Gestaltungsfreiheit in der Erwerbsgemeinschaft Ehe. Indem beiden Partnern ihr gemeinsam erzieltes Einkommen zu gleichen Teilen zugerechnet wird, stärkt das Ehegattensplitting die Ehe als gleichberechtigte Teilhabe- und Verantwortungsgemeinschaft. Es ist als steuerrechtliches Instrument Ausdruck des Schutzes und der Förderung von Partnerschaft und Ehe sowie Ausdruck der Wahlfreiheit. Eine Erweiterung des Ehegattensplittings um eine Kinderkomponente wäre denkbar.

Das ZdK fordert die Abschaffung der Steuerklasse V, um für Eheleute auch bei unterschiedlich hohen Einkommen eine leistungsgerechte Lohnsteuerverteilung herzustellen und damit den Nachteil der Steuerklassenkombination III / V aufzuheben. Dieser Nachteil entsteht dadurch, dass die Steuerklassenkombination III / V eine fiktive Einkommensverteilung zwischen den Ehepartnern in einem Verhältnis von 60 zu 40 Prozent unterstellt. Die Berechnung der Lohnsteuer erfolgt derart, dass von dem Bruttoeinkommen des Ehepartners in Lohnsteuerklasse III die steuerlichen Grundfreibeträge beider Eheleute sowie die Pauschalen für Sonderausgaben und Vorsorge für beide Eheleute, also in doppelter Höhe abgezogen werden. Damit fließen alleine dem Ehepartner mit dem höheren Einkommen – in der Regel dem Ehemann – die steuerlichen Entlastungen aus den gemeinsamen Steuerabzugsbeträgen zu.

Das Einkommen des Ehepartners in Lohnsteuerklasse V – in der Regel das der Ehefrau – gilt als zweites Einkommen. Diesem wird ein fiktives Einkommen in Höhe von 60 Prozent ihres tatsächlich erwirtschafteten Einkommens dazugerechnet. Die Besteuerung erfolgt zwar nach dem Grundtarif, aber durch den Bezug auf eine fiktive Steuerbemessungsgrundlage wird die Ehefrau überproportional und nicht leistungsgemäß belastet, während der Ehemann von den Vorteilen des Ehegattensplittings profitiert. Die Steuerbelastung in Lohnsteuerklasse V ist also aufgrund der Berücksichtigung fast aller Freibeträge der Eheleute in Lohnsteuerklasse III und der Klassifizierung als "Zweiteinkommen" unverhältnismäßig hoch und der Nettolohn infolgedessen im Vergleich zur Lohnsteuerbelastung im Rahmen einer individuellen Besteuerung unverhältnismäßig niedrig. Damit wirkt sich die Besteuerung in der Lohnsteuerklasse V nachteilig auf den Nettolohn und daran anknüpfende Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld, Elterngeld, Krankengeld, Mutterschaftsgeld und Regelarbeitsentgelt für Altersteilzeit aus. Bei der Lohnsteuerklassenkombination III / V wird der Ehepartner mit dem niedrigeren Einkommen – in der Regel die Ehefrau – trotz Eheschließung und Ehegattensplitting schlechter gestellt als eine unverheiratete Person mit derselben Einkommenshöhe.

Partnerschaftlichkeit und Geschlechtergerechtigkeit zwischen den Eheleuten müssen aber im Steuerrecht Ausdruck finden und erfordern eine leistungsgerechte Besteuerung: Der Ehepartner mit dem niedrigeren Einkommen darf maximal so besteuert werden, wie es einer individuellen Besteuerung in Lohnsteuerklasse IV bzw. einer getrennten Veranlagung entspräche. Die Abschaffung der Steuerklasse V verringert die negativen Anreizwirkungen für die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit, erzielt eine gerechtere Verteilung der Lohnsteuerbelastung zwischen den Ehegatten und baut die mittelbare Diskriminierung von verheirateten hinzuverdienenden Frauen ab.

3.1.5 Verbesserte Anerkennung der Kindererziehungszeiten in der Rente

Das ZdK fordert eine stärkere Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, um das System der sozialen Alterssicherung familiengerechter zu gestalten, wie dies das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen vom 7. Juli 1992 (BVerfGE 87, 1) und 3. April 2001 (BVerfGE 103, 242) als verfassungsrechtlich geboten angemahnt hat. Dafür sind sowohl Modelle der Reduzierung von Beitragszahlungen von Familien als auch Modelle zur höheren Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf die Rentenleistung denkbar. "In einem umlagefinanzierten System ist die Erbringung von Kindererziehung ein systemnotwendiges und dem Äquivalenzprinzip entsprechendes Element und muss deshalb entsprechend honoriert werden." (Erklärung des ZdK "Mut zur Zukunft" vom 23. November 2007; S. 24)

Das ZdK verweist auf "Das Rentenmodell der katholischen Verbände" , das in den Jahren 2002 bis 2004 entwickelt wurde sowie auf das "2+-Modell", für das sich ein Gutachten zum Thema "Familiengerechtigkeit" im Auftrag der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz vom Juli 2006 ausspricht.

3.2 Förderung tatsächlicher Wahlfreiheit für Familien

Das ZdK begrüßt, dass die aktuelle Familienpolitik darauf ausgerichtet ist, die vernachlässigten Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familienaufgaben und Erwerbstätigkeit für Mütter und für Väter zu verbessern, die Väter verstärkt zur Beteiligung an der Erziehungsarbeit zu bewegen und die familienergänzenden Betreuungsangebote für Kleinkinder auszubauen. Insgesamt werden dadurch die Wahlmöglichkeiten der Eltern verbessert, wie sie die Aufgaben von Erziehung, Pflege und Lebensunterhaltssicherung partnerschaftlich teilen wollen. Darin sehen wir aussichtsreiche Ansätze, Geschlechter- und Generationengerechtigkeit miteinander zu vereinbaren.

3.2.1 Stärkung der Paar- und Elternkompetenz

Das ZdK fordert gesellschaftliche Anstrengungen, Eltern in ihrer Paar- und Elternkompetenz zu stärken: Die Schulung in Beziehungs-, Erziehungs- und Alltagskompetenzen muss zentraler Ansatzpunkt der Familienförderung sein. Sie dient der Vermeidung von Scheidungen und Trennungen wie auch der generationenvererbten Kinderarmut.
Die Beratungsstellen katholischer Verbände, die katholischen Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen und die katholischen Einrichtungen der Familienbildung beraten und unterstützen Paare in ihrer Kompetenz, Kommunikation und beim Aushandeln ihrer Aufgabenteilung; die Nachfrage nach diesem Angebot steigt. Die Institutionen entlasten die einzelnen Ratsuchenden und – nicht nur mit Blick auf immense Scheidungsfolgekosten – die Gesellschaft. Deshalb müssen Kommunen und Länder diese Angebote auch verstärkt finanziell unterstützen. Die katholischen Verbände und deren Männer- und Frauenarbeit sowie die katholischen Einrichtungen tragen zur Vermittlung von Paar- und Elternkompetenz bei. Ihnen wird in Zukunft eine immer größere Bedeutung zukommen; die Vermittlung von Eltern- und Erziehungskompetenz an Eltern und Familien ist zentrales Handlungsfeld der Zukunft. Positiv zu nennen sind ebenfalls die Projekte im Bereich Früher Hilfen, die gezielt auch bildungsferne Eltern und Familien ansprechen und aufsuchende Beratung und Unterstützung im familiären Umfeld anbieten.

Im Bereich der Paar- und Elternkompetenz sehen wir eine zentrale kirchliche Aufgabe, die es zu intensivieren gilt. Denn diesbezüglich besteht der karitative Grundauftrag der Kirche im Einsatz für Familien und Kinder ohne Beachtung von Person, Herkunft oder sozialem Status. Deshalb benötigen die katholischen Einrichtungen trotz der angespannten finanziellen Situation in vielen Diözesen Deutschlands Finanzierungskonzepte und -zusagen für eine Planungssicherheit, die für die zukünftige Bewältigung dieser Aufgabe erforderlich ist.

3.2.2 Ausbau der Kindertagesbetreuung und Qualitätskriterien

Das ZdK begrüßt die Verständigung von Bund, Ländern und Kommunen über den geplanten Ausbau der Kindertagesbetreuung für Ein- bis Dreijährige, weil erst dadurch Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine reale Wahlfreiheit für die Eltern entstehen lassen. Das ZdK betont die primäre Elternverantwortung für ihre Kinder; die Kindertagesbetreuung kann die Erziehung und Bildung in der Familie jedoch sinnvoll ergänzen. Es ist klarzustellen, dass es sich dabei nie um eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung außer Haus handelt, sondern lediglich um eine familienergänzende, stundenweise Betreuung. Die Eltern bleiben die ersten und wichtigsten Bezugspersonen der Kinder. Mit Nachdruck muss das anvisierte Ziel verfolgt werden, durch den bedarfsgerechten Ausbau bis zum Jahr 2013 bundesweit für rund ein Drittel der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege zur Verfügung zu stellen.

Das ZdK fordert mit Blick auf das zum 31. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Errichtung eines Sondervermögens "Kinderbetreuungsausbau" – Kinderbetreuungsfinanzierungsgesetz (KBFG), den Ausbau auf keinen Fall zu Lasten anderer öffentlicher Leistungen für die Familien zu finanzieren, da er Aufgabe der gesamten Gesellschaft ist.

Bei den dazu erforderlichen Anstrengungen zur Errichtung zusätzlicher Kindertageseinrichtungen und Angebote der Kindertagespflege gilt es, nicht leichtfertig die plurale Landschaft gemeinnütziger freier Träger durch eine rechtliche Gleichbehandlung privat-gewerblicher mit gemeinnützigen Trägern bei der Förderung zu gefährden. Da gemeinnützige Einrichtungen keine Gewinne ausschütten dürfen und die Erlöse in die soziale Arbeit reinvestieren müssen, sind auch bei der Investitionsförderung von privaten Trägern entsprechende Sicherungen nötig. Ohne eine solche Sicherung ist ein Investitionszuschuss für gewinnorientierte Träger zumindest riskant. Entscheidend ist die Qualität der Kinderbetreuung: Die Entscheidung über die Einbeziehung kommerzieller Angebote ist Sache der Länder. Dabei müssen diese sich am Erhalt der von den gemeinnützigen Trägern erreichten Qualitätsstandards orientieren und diese auch von den anderen Anbietern einfordern.

Der Gesetzgeber hat im Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder – Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) die Kindertagespflege als gleichrangiges Angebot zur Kindertagesstätte etabliert. Zwischen dem gegenwärtigen und dem geplanten Ausbau der Kindertagespflege besteht eine quantitative Lücke. Zudem stellt das Postulat der Gleichrangigkeit hohe Anforderungen an die Qualität dieser Betreuungsform und an die Qualifizierung des Personals. Die gesetzliche Gleichrangigkeit und die damit verbundenen vergleichbaren Anforderungen an den Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsauftrag erfordern eine Angleichung des Qualifikationsniveaus beider Angebotsformen. Daraus folgt die Notwendigkeit einer zunehmenden Professionalisierung: Es sind deshalb verstärkte fachliche Anstrengungen erforderlich, um ein neues Berufsbild "Tagespflegeperson" zu entwickeln.

Aus Sicht des ZdK ist die Beitragsfreiheit der Kinderbetreuungs- und -bildungsangebote anzustreben.

Das ZdK fordert klare Qualitätskriterien für die frühkindliche Erziehung, Bildung und Betreuung der unter Dreijährigen in der Kindertagesbetreuung, die im Rahmen der geplanten Novellierung des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) und der Bildungs- und Erziehungspläne der Länder zu beachten sind. Maßstab für die Qualitätskriterien ist das individuelle Kindeswohl, also das körperliche, geistige und seelische Wohlergehen eines Kindes und sein Aufwachsen in Beziehungen und einem Lebensraum, die ihm eine körperliche, emotionale und kognitive Entwicklung ermöglichen.

• Mit Blick auf die pädagogisch-konzeptionelle Ausrichtung fordert das ZdK eine durch den Bund koordinierte länder-, kommunen- und trägerübergreifende Verständigung über Qualitätsstandards, die in einem bundesweiten, verbindlichen Qualitätskatalog festgehalten werden und darüber hinaus ein trägerspezifisches Profil nicht ausschließen. Ziel muss die Entwicklung von überzeugenden, wirkungsvollen Bildungskonzepten sein. Dabei ist von einem ambitionierten, erweiterten Bildungsbegriff auszugehen, der behutsam von einem erfahrungsbasierten, lebensweltlichen und familiennahen Lernen zu einem strukturierten Lernen übergeht und nicht auf Schule, Schulfächer, Unterricht und ökonomische Verwertbarkeit zentriert ist. Seitens der Kindertageseinrichtungen ist eine enge Kooperation mit den Eltern, mit Bildungseinrichtungen und mit anderen Beratungsstellen wie beispielsweise der Erziehungs- und Schuldnerberatung anzustreben.

• Das ZdK hält die Umsetzung grundlegender Anforderungen an die Personalsituation für ausgesprochen wichtig. So sind die besonderen psychologischen und pädagogischen Anforderungen an die Erzieherinnen und Erzieher hinsichtlich individueller Entwicklungsbedingungen und Bedürfnisse, frühkindlicher Bildung und Sprachförderung verstärkt in Ausbildung, Qualifikation und Fortbildung zu integrieren. Insbesondere Kenntnisse des Sprachaufbaus sind unabdingbar. Das ZdK befürwortet hinsichtlich der Ausbildung eine Differenzierung der Berufsbilder der in der Kindertagesbetreuung Beschäftigten. Für die Pflege muss den Erzieherinnen und Erziehern ausreichend Zeit zur Verfügung stehen. Erforderlich ist ein angemessener Betreuungsschlüssel, nach dem eine Fachkraft nicht mehr als vier Kinder unter drei Jahren betreut. Das Ansehen des Erzieherinnen- und Erzieher-Berufsbildes muss verbessert und insbesondere eine der Qualifikation entsprechende Entlohnung vorgesehen werden. Außerdem müssen in Anbetracht des stark weiblich geprägten Berufsfeldes und fehlender männlicher Bezugspersonen Anreize geschaffen werden, um vermehrt junge Männer für den Beruf des Erziehers zu gewinnen.

Das ZdK sieht die katholische Kirche als Trägerin vieler Kindertageseinrichtungen in der Pflicht, die Chancen der frühkindlichen Bildung wahrzunehmen, den Ausbau mit voranzutreiben und dabei klare Qualitätsstandards zu setzen.

3.2.3 Honorierung partnerschaftlicher Elternschaft

Das ZdK setzt sich ein für eine verantwortliche und partnerschaftliche Elternschaft von Mann und Frau.

Das Elterngeld sieht zwei so genannte Partnermonate vor: Das Elterngeld wird nach 12 Monaten für zwei weitere Monate bezahlt, wenn auch der zweite Elternteil mindestens zwei Monate Elternzeit nimmt. In dieser Ausgestaltung des Elterngeldes liegt eine große Chance: Die Regelung verhilft nach Einschätzung des ZdK zu gesellschaftlicher Akzeptanz und Wertschätzung der Kindererziehung als Aufgabe beider Elternteile und verbessert die Wahlfreiheit von Vätern und Müttern bei der Kinderbetreuung. Sie schafft ein verändertes Klima und erleichtert es Vätern, ohne Stigmatisierung und sozialen Druck das Aufwachsen und die Erziehung ihrer Kinder aktiver zu begleiten und zu gestalten. Um diese positiven Entwicklungen zu verstärken, fordert das ZdK eine deutliche Ausweitung der bisherigen zwei Partnermonate, ohne die bisherige Dauer von 12 Monaten bei Nichtinanspruchnahme zu kürzen.

Die tatsächlich partnerschaftliche Aufteilung der Elternzeit zwischen Mutter und Vater muss für Familien auch finanziell realisierbar sein. Das ZdK fordert die Politik, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf, sich für die Entgeltgleichheit für Frauen und Männer einzusetzen. Der geschlechtsspezifische Lohnunterschied beträgt in Deutschland 22 Prozent; der europäische Durchschnitt liegt bei 15 Prozent . Frauen verdienen also in Deutschland im Durchschnitt 22 Prozent weniger als Männer.

Das ZdK ermutigt Familienangehörige wie auch Arbeitgeber, Väter bei ihrem Ansinnen aktiver Elternzeit zu unterstützen und Erziehungsleistungen positiv zu bewerten. Die Bereitschaft, sich zeitweise ganz der Erziehung seiner Kinder zu widmen, sich Zeit für die Familie zu nehmen, verdient den Respekt und die Unterstützung aller.

Das ZdK fordert besonders die kirchlichen Arbeitgeber auf, ihrer Verantwortung für die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen auch dadurch nachzukommen, dass sie Männer und Frauen in der partnerschaftlichen Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung konsequent unterstützen.

3.2.4 Unterstützung beim beruflichen Wiedereinstieg

Das ZdK fordert Unterstützung für Eltern, die sich im beruflichen Wiedereinstieg nach einer Familienphase befinden – Unterstützung durch Partner, Familie, Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Der berufliche Wiedereinstieg eines Elternteils nach der Familiengründung ist ein gravierender Umbruch und Prozess, der die ganze Familie betrifft und die in den Beruf zurückkehrende Person – häufig die Frau und Mutter – vor enorme organisatorische Anforderungen, vor Barrieren unterschiedlicher Art stellt: soziale und strukturelle Widerstände in Familie, Unternehmen und Gesellschaft erschweren ihr die Berufsrückkehr. Partner, Familie und auch die Gesellschaft müssen erkennen, dass die Vereinbarkeit von Kindern, Familienleben und Erwerbstätigkeit nicht ausschließlich Thema der Frau und Mutter ist.

Ausdrücklich fordert das ZdK die Arbeitgeber – nicht zuletzt die Kirche – auf, die Belange von Vätern und Müttern in ihre Organisation und Planung zu integrieren. Ziel muss eine familienfreundliche Wirtschaft und nicht eine wirtschaftsfreundliche Familie sein. Alle Erfahrungen zeigen, dass hiervon auch die Unternehmen profitieren: Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Familie bringen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse ins Unternehmen ein, die sie im Familienalltag erworben haben und sind dank familienfreundlicher Arbeitsplätze motivierter und zufriedener.

Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen dürfen keiner Altersgrenze unterliegen. Eltern, die nach einer Familienphase wieder in den Beruf zurückkehren wollen, muss sowohl in der Familienphase als auch danach der Zugang zu Weiterbildung offen stehen und damit der berufliche Wiedereinstieg erleichtert werden.

3.2.5 Berücksichtigung der Familie in der Pflege

Die Pflege von älteren Angehörigen in der Familie wird meist von Frauen übernommen: Es sind häufig die Ehefrauen, Töchter und Schwiegertöchter, die gesellschaftlich fast unbemerkt Menschen bis zu deren Tod pflegen. Aus Sicht des ZdK ist es wichtig, Frauen gesellschaftliche Anerkennung und auch finanzielle Unterstützung bei ihrer Pflegeleistung zukommen zu lassen. Außerdem ist darauf hinzuwirken, dass ein anerkannter und abgesicherter Handlungsraum für erwerbstätige Männer und Frauen geschaffen wird, der es insbesondere verstärkt Männern ermöglicht, sich bei der Fürsorge und Pflege ihrer Angehörigen aktiv und partnerschaftlich zu beteiligen.

Das ZdK befürwortet die Einführung eines Gesetzes über die Pflegezeit – Pflegezeitgesetz (PflegeZG), nach dem Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 15 Arbeitnehmern bei der Versorgung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung für die Dauer von maximal 6 Monaten einen Anspruch auf unbezahlte, aber sozialversicherte Freistellung von der Arbeit gegenüber ihrem Arbeitgeber haben. Auch den Anspruch auf kurzzeitige Freistellung für bis zu 10 bezahlte Arbeitstage für die Organisation einer bedarfsgerechten Pflege in einer akut auftretenden Pflegesituation oder für die Sicherstellung einer pflegerischen Versorgung hält das ZdK für sinnvoll. Beide Ansprüche erleichtern es Angehörigen, Generationengerechtigkeit in der Familie zu leben.

3.2.6 Leitbild der Drei-Generationen-Familie

"Das ZdK tritt dafür ein, als gesellschaftliches Leitbild die Drei-Generationen-Familie wieder stärker zu betonen, wo Großeltern, Eltern und Kinder füreinander da sind – sowohl bei der Kinderbetreuung als auch beim Pflegefall." (Erklärung des ZdK "Mut zur Zukunft" vom 23. November 2007; S. 23)

Das ZdK würdigt in diesem Zusammenhang die immensen Leistungen, die heutige Großeltern für ihre Nachkommen erbringen: Viele Großeltern unterstützen ihre Kinder und Enkel finanziell; viele Großeltern ermöglichen durch die zuverlässige Betreuung ihrer Enkel die Berufstätigkeit ihrer Kinder. Durch die berufliche Mobilität kann die Drei-Generationen-Familie heute nicht immer unter einem Dach oder in der gleichen Region leben, was viele Großeltern, Eltern und Kinder bedauern. Das ZdK schließt in das Leitbild ausdrücklich die Drei-Generationen-Familie ein, die ihren Zusammenhalt auch über Entfernungen hinweg aufrecht erhält und in tatkräftiger gegenseitiger Unterstützung und emotionaler Verbundenheit zueinander steht.

Das ZdK befürwortet gesellschaftspolitische Ansätze und Anstrengungen, die den Zusammenhalt der drei Generationen auch über verwandtschaftliche Bande hinweg stärken und so Drei-Generationen-Familien im weiteren Sinn herstellen.

Debatten prägen Wertentscheidungen:
Plädoyer für eine angemessene Diskussionskultur

Polarisierungen und Grabenkämpfe um "das eine richtige" Familienmodell sind nicht im Sinne der Familien. Schließlich lebt jede Familie im Laufe der Zeit phasenweise, zeitversetzt und auch überlappend mehrere verschiedene Modelle. Eine Vielzahl individuell realisierbarer Familienmodelle mit unterschiedlichen Vereinbarkeitsstrategien und Rollenaufteilungen zwischen Mann und Frau macht jungen Menschen Mut, heute eine Familie zu gründen. Dabei geht es nicht darum, gelebte Familien-Lebensentwürfe in Frage zu stellen. Allen Menschen, die Kinder aufgezogen, erzogen und ins Leben geführt haben und führen, bringen wir ausdrücklich größte Wertschätzung, Hochachtung und Dank entgegen. Ihre Biographien und Leistungen verdienen Anerkennung und sind bestärkendes Beispiel für die jüngere Generation, für die wir heute Antworten auf die Fragen nach einem gelingenden Familienleben finden müssen.

Für die katholische Kirche ist es wichtig, die bestehenden Realitäten und Pluralitäten von Familienleben heute wahrzunehmen. Wir haben allen Grund, dabei angstfrei und zuversichtlich zu sein. Denn unser christlicher Glaube schenkt uns ein Verständnis vom Menschen, nach dem ihm als Geschöpf Gottes zugetraut werden darf, sein Leben in Eigenständigkeit und Verantwortung für sich und für andere Menschen zu gestalten.

Wir fühlen uns verpflichtet, zur Entideologisierung der Familiendebatte beizutragen, die zugunsten von Versöhnung, Respekt, (Wahl-)Freiheit, Ent-spannung zwischen Geschlechter- und Generationengerechtigkeit und zugunsten von Familie ausfällt. Wir wollen eintreten für ein geschlechter- und generationengerechtes, wohlwollendes Verständnis der unterschiedlichen Lebens- und Familiensituationen.

Beschlossen von der Vollversammlung des ZdK am 20./21. Mai 2008

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