Versprechen einhalten – Armut wirksam bekämpfen! Die Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele auf dem Prüfstand" - Einführung in den Text der Erklärung
Einführung von Peter Weiß MdB im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Mitglieder des Zentralkomitees der deutschen Katholiken,
ich freue mich sehr, Ihnen heute als Sprecher des Sachbereichs 9 "Weltkirchliche Solidarität und Entwicklungszusammenarbeit" unseren aktuellen Erklärungsentwurf mit dem Titel "Versprechen einhalten – Armut wirksam bekämpfen! Die Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele auf dem Prüfstand" vorstellen zu dürfen.
Als ZdK haben wir ja bereits vor zwei Jahren eine umfangreiche Erklärung zu den Millenniumsentwicklungszielen (MDGs) abgegeben. Ihr Titel lautete "Frieden braucht Entwicklung: Die Millenniumsentwicklungsziele verwirklichen!". Aus Anlass einer Halbzeitbilanz wollen wir nun mit der aktuellen Erklärung an die frühere anschließen.
Lassen Sie uns kurz zurückblicken: Auf dem Millenniumsgipfel der Staats- und Regierungschefs im Jahr 2000 in New York wurde das Ziel vereinbart, bis zum Jahr 2015 die Zahl derjenigen, die weltweit in extremer Armut leben, zu halbieren. Mit Hilfe überprüfbarer Kriterien soll zudem erreicht werden, dass Bildung, Gesundheits- und Wasserversorgung bis zum Jahr 2015 für alle Menschen zugänglich sind. Insgesamt wurden acht sogenannte Millenniumsentwicklungsziele festgelegt und die Internationale Gemeinschaft hat sich für ihre Umsetzung ausgesprochen. Das Jahr 2007 bietet nun die Möglichkeit, ein kritische Halbzeitbilanz zu ziehen und zu fragen: Was ist bereits erreicht wurden, wo bestehen noch Defizite?
Zudem feiern wir in diesem Jahr den 40. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika "Populorum Progressio" von Papst Paul VI. Sie war die erste entwicklungsorientierte Enzyklika und führte einen umfassenden Entwicklungsbegriff in die katholische Soziallehre ein. Das ZdK sieht es als seine Pflicht an, aus dem Geist der Enzyklika heraus eigene Beiträge zur Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele zu leisten.
Die Erklärung umfasst folgende Bereiche: Nach einer kurzen Einführung wird die Enzyklika "Populorum Progressio" und ihr umfassender Entwicklungsbegriff vorgestellt. Anschließend wird die gemeinsame Verantwortung der Industrie- und Entwicklungsländer zur Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele thematisiert. Interne und externe Armutsursachen sowie eine Reihe von Politikbereichen, in denen nach Ansicht des ZdK wichtiger Handlungsbedarf besteht, werden aufgegriffen (mehr Finanzmittel, faire Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, Gefahr von Rüstungsexporten für Entwicklung, Ordnungsrahmen der internationalen Finanzmärkte). Und schließlich geht die Erklärung auf die kirchliche Selbstverpflichtung ein und benennt klare Handlungsempfehlungen.
Erlauben Sie mir, nun kurz auf drei aktuelle Herausforderungen einzugehen, mit denen wir in Zukunft konfrontiert sein werden:
Erstens: Die deutsche ODA-Quote.
Dabei steht ODA für die offiziellen Entwicklungshilfe-Leistungen, die ein Land zur Verfügung stellt.
Unsere deutsche ODA Quote von 0,38 Prozent des Bruttosozialproduktes umfasst zu 34 Prozent den Schuldenerlass für Länder wie Irak und Nigeria. Schon im kommenden Jahr wird dieser Schuldenerlass wegfallen – und die ODA damit deutlich sinken. Um die aktuelle Quote zu halten, müsste also eine Menge Geld in die Hand genommen werden
Zweitens: Die Verfehlung der Millenniumsentwicklungsziele in Subsahara Afrika.
Bisher gibt es auf allen Kontinenten Fortschritte bei der Erreichung der MDGs – außer im südlichen Afrika. Dort wird kein einziges Ziel erreicht werden – so jedenfalls steht es in dem ersten Fortschrittsbericht zu Afrika, der von dem "Africa Progress Panels" im April in Berlin vorgestellt wurde.
Auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hält stärkere Anstrengungen für unseren Nachbarkontinent Afrika für notwendig: sowohl von Seiten der betroffenen afrikanischen Staaten selbst als auch von Seiten der Internationalen Gemeinschaft. Sie appelliert an die Industrieländer, ihre im Jahr 2000 eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen und so die Millenniumsentwicklungsziele in allen Teilen der Welt zu erreichen.
Insbesondere die G8-Präsidentschaft und die EU-Ratspräsidentschaft unter deutscher Führung sind eine wichtige und vielleicht einmalige Chance, um ein positives Signal für Afrika zu setzen. Die Bundeskanzlerin formuliert die Ziele Deutschlands an seine Heiligkeit, Papst Benedikt XVI., in ihrem Brief vom 23. April 2007:
"Wir wollen die deutsche G8-Präsidentschaft und die EU-Ratspräsidentschaft nutzen, um bei Armutsbekämpfung und Erreichung der Millenniumsziele voranzukommen. Dabei legen wir einen Schwerpunkt auf die Entwicklungspotentiale und Herausforderungen des afrikanischen Kontinents. Hierbei geht es in der G8-Präsidentschaft um die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents und Fragen der Regierungsführung sowie um Aspekte von Frieden und Sicherheit. Mir liegt daran, dass die Beziehungen zu Afrika im Sinne einer Reformpartnerschaft ausgebaut werden. Neben verstärkten Eigenanstrengungen der afrikanischen Staaten ist dabei ein größeres Engagement der internationalen Gemeinschaft von Bedeutung."
Drittens: Unsere kirchliche Selbstverpflichtung
Auch wir als katholische Kirche müssen uns für die Abschaffung der Armut und für eine gerechtere Welt einsetzen und Verpflichtungen für die Erreichung der Millenniumsentwicklungsziele eingehen. So schreibt seine Heiligkeit, Papst Benedikt XVI., am 16. Dezember 2006 in seinem Brief an Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel:
"Es besteht vielmehr eine schwere und unbedingte moralische Verpflichtung, die auf der Zusammengehörigkeit der Menschheitsfamilie sowie auf der gemeinsamen Würde und Bestimmung der armen und der reichen Länder gründet, die durch den Prozess der Globalisierung immer enger zusammenwachsen."
"Angehörige verschiedener Religionen und Kulturen auf der ganzen Welt sind überzeugt, dass die Erreichung des Ziels, bis zum Jahr 2015 die extreme Armut zu beseitigen, eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit darstellt. Sie teilen darüber hinaus die Überzeugung, dass dieses Ziel in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Weltfrieden und der weltweiten Sicherheit steht."
Als ZdK wünschen wir uns in den nächsten Jahren einen neuen Impuls auf weltkirchlicher Ebene, der die besondere Verantwortung der Christen und ihrer Kirche in aller Klarheit anspricht und die politisch Verantwortlichen in die Pflicht nimmt. Die gerechte Gestaltung der Globalisierung muss zum zentralen Thema der internationalen Politik werden. Die mit den Millenniumsentwicklungszielen eingegangenen Verpflichtungen müssen erfüllt werden, damit die weltweite Armut tatsächlich beseitigt wird. Die zweite Hälfte des Zeitraums für die Erfüllung der Entwicklungsziele bedarf deutlich verstärkter Anstrengungen und neuer Impulse
Peter Weiß MdB