Informationen und Einladung zum 97. Deutschen Katholikentag Osnabrück
Rede von Prälat Theo Paul im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
eine unserer ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen war vor kurzem in Süddeutschland bei einer Tagung. In Randgesprächen hat sie auch auf den kommenden Katholikentag in Osnabrück hingewiesen, hat Werbematerial verteilt und anderes mehr. Als sie zurückkam, sagte sie: "Ich war erstaunt, wie wenig so mancher mit Osnabrück anzufangen wusste." Dabei lohnt es, die Stadt, das Bistum und die Menschen unserer abwechslungsreichen und kulturell vielfältigen Region kennenzulernen. Ich möchte sie Ihnen mit Blick auf den Katholikentag ein wenig vorstellen. Zunächst sozusagen von innen, von der Art her, wie wir uns auf dieses Großereignis vorbereiten.
Ein Stab geht durch das Bistum Osnabrück. Am vergangenen Pfingstfest hat unser Bischof Franz-Josef einen großen Stab – den eigens für den Anweg zum Katholikentag gefertigten 'Bistumsstab' – und 72 kleinere Pilgerstäbe in unsere Pfarreien, Pfarreiengemeinschaften und Pastoralen Räume ausgesandt. Der wandernde große Stab wird durch alle Gemeinden des Bistums weitergegeben wie bei einem großen Staffellauf. Er soll die Verbindung mit dem Bischof und dem Bistum ausdrücken, ja mit der ganzen Kirche, und so an die Führung des guten Hirten Jesus Christus erinnern.
Die Krümme des Stabes ist aus einer Baumwurzel gearbeitet. Sie verdeutlicht: Wer sich auf den Weg in die Weite macht, ist den Herausforderungen nur gewachsen, wenn er verwurzelt ist in der Tiefe guter Traditionen, in der Gemeinschaft des Glaubens und in der Sehnsucht nach dem größeren Leben. Wurzeln und Wege gehören zusammen, ebenso Wurzeln und Visionen. Simone Weil hat das treffend beschrieben:
"Die Entwurzelung ist bei Weitem die gefährlichste Krankheit der menschlichen Gesellschaft. Wer entwurzelt ist, entwurzelt. Wer verwurzelt ist, entwurzelt nicht. Die Verwurzelung ist vielleicht das wichtigste und meist verkannte Bedürfnis der menschlichen Seele."
Am Ende wird der Stab alle Gemeinden des Bistums durchwandert haben. Er kommt dann zum Katholikentag nach Osnabrück zurück, gefüllt mit vielfältigem heimischen Grund und Boden. An jeder seiner Haltestationen – von den ostfriesischen Inseln bis ins südliche Osnabrücker Land, von der deutsch-niederländischen Grenze bis an die Weser – wird ein wenig Erde in den Stab eingefüllt.
Ein Buch begleitet den Stab auf seiner Wanderschaft. Darin werden die Erfahrungen und Gebete derer gesammelt, die sich um den Stab einfinden und sich unter Gottes Wort und Willen stellen. So wird der Stab ein intensives Zeichen tiefer Gemeinschaft um den Hirten Jesus Christus. Ihm vertrauen wir uns gemeinsam mit allen Gästen des Katholikentags an.
Auch die 72 Pilgerstäbe, die in den Pfarreien und Pastoralen Räumen ihre Heimat gefunden haben, kommen zum Katholikentag nach Osnabrück. Sie werden mit Zeichen und Erfahrungen bearbeitet sein, gestaltet und geschmückt, um an dem großen Fronleichnamsgottesdienst im Schlosspark teilzunehmen.
Es geht immer zuerst um einen geistlich-pastoralen und dann auch um einen gestalterischen Pilgerweg. Der Stab als Zeichen der Orientierung und Stütze will das verdeutlichen, wie es im Psalm 23,4 heißt: "Dein Stab und dein Stock geben mir Zuversicht." Die Heilsgeschichte kennt viele Beispiele:
- Der Stab Arons wird vor dem Pharao lebendig, wird zu einer Schlange, um die Macht Gottes zu zeigen (Ex 7,8-12).
- Der Stab des Aron erblüht zum Zeichen neuen Lebens, neuer Hoffnung von Gott (Num 17,23).
- Der Stab des Moses lässt aus dem Felsen Wasser hervorquellen in der Kraft des Herrn (Ex 17,1-7).
- Unter diesem Stab teilen sich die Wasser für den Durchzug durch das Rote Meer (Ex 14,15-31).
Das Paschalamm sollen die Israeliten essen mit dem Stab in der Hand, bereit zum Aufbruch, der in die Freiheit führt. Die Propheten tragen einen Stab, um im Auftrag des Herrn zu handeln und zu sprechen. "Die Furcht des Herrn ist ein starker Stab", sagt uns das Buch Jesus Sirach. "sie ist eine herrliche Stütze und erhöht den Ruhm derer, die nach ihr greifen. Wurzel der Weisheit ist die Furcht des Herrn, und ihre Zweige sind langes Leben" (Züricher Bibelübersetzung Jesus Sirach 1,19 ff.). Oder im übertragenen Sinn: Jesus wählt sich die Apostel zu seinem Stab, zu seiner Stütze in besonderer Verantwortung, weshalb die Bischöfe bis heute als Nachfolger der Apostel für ihren Hirtendienst den Stab tragen.
Besonders spüren wir die tiefe Dimension dieses Zeichens, wenn wir das Kreuz Christi als Stab erkennen. Das Kreuz ist eben nicht nur Pilgerstab, wie es in dem über 400 Jahre alten Lied "Oh du hochheilig Kreuze" heißt: "Du bist der Stab der Pilger, daran wir sicher wallen, nicht wanken und nicht fallen" (Gottes Nr. 182,7). Es ist der Stab neuen Lebens, neuen Aufbruchs, neuen Haltes, neuer Verantwortung. Wenn wir das Kreuz Jesu so ansehen, d. h. den Gekreuzigten mit seinen weit ausgestreckten Armen als unseren Begleiter haben, dann macht es uns den Höhen, Tiefen und Weiten des Lebens gewachsen und eben der Zukunft unseres Kircheseins.
So sind wir auf einem guten Pilgerweg zum – nach 107 Jahren – zweiten Katholikentag in Osnabrück. In den Gemeinden, Verbänden, Einrichtungen, Orden, den Kommunen, der Stadt und des Landkreises gibt es eine große Offenheit, viel Interesse und Hilfsbereitschaft. Das Miteinander von Bistum und Zentralkomitee ist unkompliziert, herzlich und intensiv. Wir pilgern in eine gemeinsame Richtung. Ich bin sehr dankbar für dieses konstruktive und kreative Miteinander.
Dabei ist "Beseelen statt befehlen" unser Motto im Bistum bei allen Vorbereitungen auf den Katholikentag. Als Beispiel möchte ich die Weise nennen, wie wir auf die junge Generation zugehen. Wir haben mittlerweile einen Kinder-ZUG gestartet, ein bistumsweites Zukunftsgespräch mit Kindern, eine Art 'Kinderkonzil', das im Katholikentag seinen Höhepunkt findet. Oder: Bislang nehmen schon 159 Schulklassen, Lerngruppen und Kurse mit rund 3500 Schülerinnen und Schülern an einem Mal- und Gestaltungswettbewerb zum Katholikentag teil. Und es werden immer noch mehr. – Es geht um eine große, breit angelegte Partizipation auch schon in der Vorbereitung des Katholikentags. Die Freude, die daraus erwächst, ist groß und gibt viel Kraft.
Du führst uns hinaus ins Weite – so lautet das Leitwort des kommenden 97. Deutschen Katholikentags. Sie kennen diese Zeile aus dem 18. Psalm. In einer etwas anderen Form verwenden wir sie gerne als Liedruf in unserem Gottesdienst. Im Psalm heißt es nach der Einheitsübersetzung wörtlich: "Er führte mich hinaus ins Weite, er befreite mich, denn er hatte an mir Gefallen." Wir haben uns für diesen Psalmvers als Leitwort des Katholikentags entschieden, weil jedes einzelne Wort als Teil unseres christlichen Glaubensbekenntnisses interpretiert werden kann. Unser Bischof Franz-Josef hat diesen Gedanken in seiner Silvesterpredigt 2006 sehr ausführlich und intensiv entfaltet. Ich will seine Gedanken hier nicht unzulässig verkürzen, aber ich möchte Sie einladen, selbst einmal jedem dieser Worte nachzuspüren. Sie werden merken, wie intensiv in diesen wenigen Worten Glaube und Hoffnung ihren Ausdruck finden: "Du führst uns hinaus ins Weite".
Leitworte stehen aber nicht für sich. Sie sollen das ins Wort bringen, was thematisch im Fokus des jeweiligen Katholikentags stehen soll. Wir haben am Anfang unserer Beratungen darüber nachgedacht und dann beschlossen, unsere Verantwortung als Christen für die Gestalt und die Mitgestaltung unserer Kirche und unserer Gesellschaft ausdrücklich in den Blick zu nehmen. Vielleicht halten Sie, die Sie hier versammelt sind, dies für nicht besonders originell. Einen ganz wesentlichen Teil Ihrer Kraft und Phantasie investieren Sie ja genau in dieses. In der Katholikentagsleitung waren wir aber davon überzeugt, dass es heute selbst unter engagierten Christen keineswegs mehr selbstverständlich ist, dass gelebter Glaube auch dies umfasst: Sich einzusetzen für Gesellschaft und Politik, für eine lebendige Kirche, für die glaubwürdige Weitergabe unseres Glaubens und den Dialog mit jenen, die uns fern oder skeptisch gegenüber stehen; dass engagiertes Christsein heute Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, für Menschenwürde und Lebensschutz, für den Erhalt der Schöpfung und ein humanes Wirtschaften im kleinen wie im weltweiten Maßstab bedeutet. So werden uns diese Stichworte auf die eine oder andere Weise alle im Programm des Katholikentags begegnen, sei es in den 48 großen Podiumsveranstaltungen, die dieses Mal den Kern des Programms darstellen, sei es in der Vielzahl von kleineren Programmangeboten in den Zentren des Katholikentags.
Der Katholikentag wird sich auf den Innenstadtbereich Osnabrücks konzentrieren. Mit Ausnahme einiger Kirchen und der Sportanlage Illoshöhe als Ort des Schlussgottesdienstes werden alle Veranstaltungen in der unmittelbaren Innenstadt, innerhalb des sogenannten Walls, stattfinden. Die Entfernungen betragen zu Fuß maximal 20 Minuten. Der Osnabrücker Katholikentag wird ein Katholikentag der kurzen Wege sein.
Wie gesagt: Aufgrund der Beratungen auch des Zentralkomitees haben wir uns auf 48 große Podiumsveranstaltungen konzentriert. Diese Konzentration wurde möglich, weil zahlreiche katholische Organisationen und etliche diözesane Räte an der Erarbeitung des Kernprogramms beteiligt sind. Osnabrück hat – wie Sie wissen – kein eigenes Messegelände, und es gibt vergleichsweise nur wenige wirklich große Säle. Unter Einbeziehung sämtlicher kirchlicher Räumlichkeiten, der Stadthalle, des Theaters, nahezu aller Schulen in der Innenstadt, Teilen der Universität sowie eines ehemaligen Busdepots sind wir aber zuversichtlich, ausreichende Kapazitäten vorhalten zu können. Die Gesamtzahl der mittleren und kleineren Veranstaltungen wird in Osnabrück gegenüber Saarbrücken nicht wesentlich geringer sein.
Die männer- und frauenspezifischen Angebote werden unter einem Dach stattfinden.
Das Bibelzentrum wird ins Geistliche Zentrum integriert. Eine Zusammenführung und Zusammenfassung hat es ebenso im Kulturbereich gegeben.
Neu hineingenommen wurden ein eigener Arbeitskreis und ein Zentrum für Themen aus der weltkirchlichen Arbeit.
Ebenfalls neu und so sicher einmalig wird ein Programm- und Ausstellungsangebot rund um Fragen des Umweltschutzes sein. In Osnabrück ist die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ansässig, die in vielerlei Hinsicht mit uns kooperiert. So wird der Katholikentag unter Umweltgesichtspunkten klimaneutral sein, wie es die Leitung und der Trägerverein beschlossen haben. Das bedeutet: 1. die Vorbereitung und Durchführung sollen möglichst energiesparend gestaltet werden, und 2. die durch den Katholikentag erzeugten Energieemissionen werden durch die Finanzierung CO2-sparender Maßnahmen kompensiert. Wir haben uns dabei für ein Projekt in Eritrea entschieden, durch das eine hohe Stückzahl von sehr ineffizienten Kochöfen durch ebenfalls einfache, aber besonders sparsame Öfen ersetzt wird.
Die Zentren für Jugend und Familie werden sehr umfangreiche Programmangebote haben. Hiermit entsprechen wir dem ausdrücklichen Wunsch der Katholikentagsleitung, diesen beiden Gruppen und den von ihnen gewünschten Themen diesmal besonderes Interesse zu schenken. – Sie kommen nach Osnabrück in eine sehr kinderreiche und kinderfreundliche Region.
Dann die Kirchenmeile: 230 kirchliche Organisationen und Institutionen werden unter freiem Himmel das bunte Bild des Katholikentags prägen. Die Kirchenmeile wird nicht als ununterbrochene Kette von Ständen und Zelten gestaltet werden; es wird verschiedene 'Inseln' in der Innenstadt geben. Auf diese Weise wird der Katholikentag nicht nur die Haupteinkaufsstraße, sondern viele weitere Plätze in Osnabrück beleben.
Und es gibt Geburtstage auf dem Katholikentag. Zwei große kirchliche Hilfswerke, Misereor und das Päpstliche Missionswerk der Kinder/Die Sternsinger, werden während des Katholikentags runde Geburtstage feiern. Misereor wird 50, das Päpstliche Missionswerk der Kinder führt dieses Jahr seine 50. Sternsingeraktion durch.
Weitere Zentren widmen sich dem ökumenischen Dialog sowie dem christlich-jüdischen und dem christlich-islamischen Gesprächen.
Dabei darf ich ausdrücklich erwähnen: Osnabrück ist Friedensstadt. 1648 wurde in Münster und Osnabrück der Westfälische Friede verkündet, der in Osnabrück mit den Schweden ausgehandelt worden war. Von diesen Friedensverhandlungen ist Osnabrück bis heute mitgeprägt. In unserer Stadt galt die "Capitulatio perpetua", die gegenseitige immerwährende Kapitulation der Gegner, und damit verbunden die vorgeschriebene Gleichberechtigung der Konfessionen. Seinen Ausdruck fand das besonders in der "Alternativen Sukzession", das heißt, wir hatten seit dem Friedensschluss nach dem 30-jährigen Krieg wechselnde Landesherren: auf evangelisch folgte katholisch, dann wieder evangelisch und so weiter. Hier galt nicht "cuius regio eius religio", und niemand musste wegen seiner Überzeugung die Stadt verlassen. So entwickelte und gestaltete sich in Osnabrück ein neues Zusammenleben. – In Zusammenarbeit mit dem in Osnabrück ansässigen Friedensinstitut und der etablierten Migrationsforschung der Universität werden wir auch die Themen Frieden und Migration prominent platzieren.
Das alles sind nur Schlaglichter. Vieles könnte ich noch ansprechen von unseren Suchprozessen innerhalb des Bistums über unsere verschiedenen Pastoralen Zukunftsgespräche bis hin zu unserer Beratungs- und Entscheidungskultur, die wir in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt haben. Doch das Gesagte mag hier genügen, um Ihnen deutlich zu machen: Osnabrück freut sich auf den Katholikentag und auf viele Gäste von nah und fern. Wir bereiten uns so gut vor, wie es irgend geht. Und wenn dann im kommenden Mai die Sonne scheint, dann können wir ganz nebenbei die ganze Schönheit der Altstadt, die Ufer der Hase und unsere herrlichen Kirchen erleben. Wir gehen fest davon aus, dass unsere Gäste nach dem Katholikentag ermutigt und gestärkt von Osnabrück abreisen.
Das sollten auch Sie alle hier nicht verpassen. Sie sind uns mehr als willkommen. Für jeden von Ihnen gibt es in Osnabrück einen Platz. Auch im Namen unseres Bischofs Franz-Josef darf ich Sie noch einmal ganz, ganz herzlich einladen: Kommen Sie in die Weite von Osnabrück!
Danke.
Prälat Theo Paul, Generalvikar des Bistums Osnabrück