Ethisches Investment: Unsere aktive Verantwortung für die Ärmsten dieser Welt

Rede von Peter Weiß MdB im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

Vorstellung der Erklärung und Handreichung


Christliches Weltbild und "Ethisches Investment"
Werdegang: Von der Idee zur Broschüre
Broschüre "Ethisches Investment"
Rückmeldungen auf die Erklärung und Handreichung


Liebe Mitglieder des ZdK,
sehr geehrter Herr Präsident Prof. Meyer,
sehr geehrter Herr Prof. Töpfer,
sehr geehrte Gäste,

kann mit Geldanlagen Gutes bewirkt werden? Was macht die Bank mit meinem Geld? Und: Kommt es nur auf Rendite und Sicherheit an, oder steckt mehr hinter den Anlageprodukten, in die wir unser Geld investieren?

Für immer mehr Menschen spielen diese Fragen eine wichtige Rolle. Sie wollen mit ihren Spargroschen weder Rüstungsprojekte noch Umweltzerstörung finanzieren, sondern ökologische, wirtschaftlich sinnvolle und soziale Projekte fördern. Sie wollen damit zu Frieden, Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung beitragen. Und das nicht nur hier bei uns in Europa, sondern auf der ganzen Welt. Dies ist der Kern eines christlich geprägten Ethischen Investments: Jede und jeder Einzelne hat die Chance, mit der eigenen Geldanlage auch den Menschen in Entwicklungsländern bei der Gestaltung ihrer Zukunft zu helfen.

Für uns als Kirche ist diese Frage von ethischer Geldanlage von großer Bedeutung – im Allgemeinen, aus einem christlichen Verständnis heraus. Aber auch im Besonderen, wenn es um die Geldanlage der Diözesen, der Pfarrgemeinden, der Orden, der caritativen Dienste und Einrichtungen der katholischen Verbände und Stiftungen geht. Aus diesem Grund haben wir im ZdK seit über einem Jahr an diesem Thema gearbeitet. Umso mehr ist es mir nun eine große Freude, Ihnen unsere druckfrische Broschüre zu präsentieren.

Ziel unserer Anstrengungen ist es, auf ethische Geldanlagen aufmerksam zu machen und noch mehr Menschen und Institutionen dazu zu motivieren, bei ihren Entscheidungen über Geldanlage auch ethische Kriterien zu berücksichtigen. Wir haben in unserer Broschüre Antworten auf die Fragen entwickelt, was private und institutionelle Anleger konkret tun können, um ethisch zu investieren, und welche Beiträge sich mit dem Ethischen Investment zur Entwicklungszusammenarbeit leisten lassen. Wir wollen private Anleger zu ethischen Geldanlagen ermutigen, denn auch Kleinsummen ergeben zusammen ein großes Potential. Wir fordern gleichzeitig alle Akteure am Finanzmarkt zu einem noch stärkeren Engagement im Ethischen Investment auf.
Christliches Weltbild und "Ethisches Investment"

Trotz der besonderen Rolle, die die erneuerbaren Energien und das Thema Nachhaltigkeit in unserem Land spielen, kann man Deutschland als "Entwicklungsland" in Sachen ethischer Geldanlagen bezeichnen. Denn erst Ende der 80er Jahre wurden die ersten Umweltfonds aufgelegt. In den letzten Jahren stieg die Nachfrage nach entsprechenden Fonds allerdings deutlich an. Laut der Agentur ECOREPORTER gab es im Jahre 1998 lediglich 12 solcher Nachhaltigkeitsfonds mit einem Gesamtvolumen von 300 Millionen Euro. Heute gibt es in Deutschland immerhin 114 zum Vertrieb zugelassene Nachhaltigkeitsfonds: 73 Aktienfonds, 23 gemischte Fonds und Dachfonds sowie 18 Rentenfonds. Deren Volumen belief sich zum Stichtag 30.03.2007 auf 16,07 Milliarden Euro.

Vorreiter dieser Entwicklungen waren die USA und Großbritannien; in den USA wurde der erste Ethikfonds bereits 1928 aufgelegt. In den siebziger Jahren wurden dort Fonds erstellt, die ausdrücklich die Mitfinanzierung beispielsweise des Vietnamkriegs ablehnten. Und auch in diesen beiden Ländern haben sich in den letzten Jahren für private Anleger viele Möglichkeiten eröffnet und immer mehr Menschen wollen ihre Geldanlage nach ethischen und moralischen Kriterien auswählen. Allein im vergangenen Jahr ist das Volumen sogenannter glaubensgebundener Fonds von 500 Millionen US-Dollar auf 17 Milliarden US-Dollar sprunghaft angestiegen.

Schon an den verschiedenen Namen erkennen Sie die Vielfalt, die es heute gibt, wenn Sie sich mit Geldanlagen nach ethischen Kriterien beschäftigen. Aber man muss natürlich genau hinschauen, bevor man sich für einen Fonds entscheidet, denn die jeweiligen Kriterien, die dem Fonds zu Grunde liegen, können stark variieren. Auch aus diesem Grund gibt es sogenannte Rating-Agenturen, die bei der Bewertung der einzelnen Fonds helfen können.

Aber nicht nur die Kriterien der jeweiligen Fonds sind entscheidend. Natürlich müssen wir auch über Rendite, also über Erträge aus der Geldanlage sprechen. Denn es geht eben nicht nur um finanzielle Rendite, sondern auch um soziale Rendite. Beides steht bei einer Geldanlage nach ethischen Prinzipien im Mittelpunkt. Und da möchte ich gern den Präsidenten der Frankfurt School of Finance & Management, Herrn Prof. Udo Steffens, zitieren, der auf unserer gemeinsamen Pressekonferenz zum ethischen Investment Ende August sagte:
"Sozialverantwortliches Investieren muss und sollte meines Erachtens nicht einhergehen mit unterdurchschnittlichen Renditen. Ethische Investments sollten idealerweise zeigen, dass ihre Wertorientierung "produktiv" ist. Das heißt, die Nachhaltigkeit der Investments sollte sich durch eine zumindest durchschnittliche Rendite (gemessen am allgemeinen Markt) bestätigen"
Werdegang: Von der Idee zur Broschüre

Lassen Sie mich nun kurz auf den Werdegang der Broschüre und des Themas innerhalb des ZdK eingehen.

Vor über einem Jahr haben wir uns zum ersten Mal mit Fragen zum ethischen Investment beschäftigt und seither kontinuierlich daran gearbeitet. Dabei waren uns zwei Punkte wichtig: Erstens wollten wir die Position der Katholiken in Deutschland zu diesem Thema verdeutlichen und auch für uns selbst präzise formulieren. Und zweitens wollten wir eine Handreichung erarbeiten, um sowohl unseren Mitgliedern, aber auch anderen Interessenten im kirchlichen und öffentlichen Raum eine praktische Einführung in das doch recht komplexe Thema der ethischen Geldanlage zu liefern. Beide Ziele haben wir gut erreicht, denn Ende Juni diesen Jahres konnten wir sowohl eine Erklärung als auch eine Handreichung verabschieden.

Ich habe nun die Ehre und große Freude, Ihnen unsere kürzlich fertiggestellte Broschüre zum Ethischen Investment, die die eben genannte Handreichung enthält, vorzustellen. Vorab möchte ich meinen herzlichen Dank an die fünf katholischen Banken aussprechen, die durch finanzielle Unterstützung diese großartige Broschüre ermöglicht haben. Wir haben davon eine Auflage von 50.000 Stück anfertigen lassen. Ein erstes Exemplar finden Sie in Ihrer Versammlungsmappe. Natürlich dürfen Sie gerne mehr davon mit nach Hause nehmen und jederzeit für Ihre Gremien beim ZdK nachbestellen.

Ich freue mich auch, dass die fünf Banken sowie Oikocredit heute mit Ständen im Foyer der Stadthalle vertreten sind – vielen Dank auch für dieses Engagement.
Broschüre "Ethisches Investment"

Die Broschüre stimmt inhaltlich mit der im Juni dieses Jahres verabschiedeten Handreichung zum ethischen Investment überein und ergänzt die Erklärung des ZdK zum selben Thema um ausführlichere Erläuterungen und praktische Hinweise.

Nach der kurzen Einleitung werden die für das ZdK relevanten Kriterien ethischer Geldanlagen aufgeführt. Wir haben Positiv- und Negativkriterien aufgestellt, die unter die Oberziele Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung eingeordnet sind. Zu den Positivkriterien zählen wir Armutsbekämpfung, Familienfreundlichkeit, ethische Unternehmensführung, Schutz der Umwelt und entwicklungsfördernde Investitionen, z. B. im Mikrofinanzbereich. Zu den Negativkriterien gehören Rüstung, Drogen, Umweltzerstörung, Nichteinhaltung von Internationalen Arbeitsnormen wie Kinderarbeit sowie die Verletzung von Menschenrechten.

Anschließend werden verschiedene Formen ethischer Geldanlagen erläutert: Zum einen Nachhaltigkeitsfonds, zum anderen "aktiver" Wertpapierbesitz, bei dem insbesondere die Kirche ein doppeltes Gewicht hat – ein finanzielles und ein moralisches. Als drittes werden Ansprechpartner genannt, die Hilfe bieten, wenn ich Geld ethisch anlegen möchte. Und als viertes wird das Modell der Mikrofinanzkredite vorgestellt.

Lassen Sie mich zu diesem Modell noch ein paar Worte sagen. Die Mikrofinanzkredite wurden im letzten Jahr durch die Verleihung des Friedensnobelpreises an Mohammad Yunus aus Bangladesh besonders prominent herausgestellt. Dessen Grameen-Bank vergibt schon seit vielen Jahren Kredite an Kleinunternehmen und kann positive Erfolge für seine Bank und die Unternehmen vermelden. Daher erleben auch die katholischen und evangelischen Kirchenbanken seit einiger Zeit eine stark ansteigende Nachfrage nach Mikrofinanzprodukten.

Mikrofinanz-Fonds erfüllen mindestens zwei unterstützenswerte Kriterien: Einerseits erreicht man durch sie ländliche Bevölkerungen, kleine Unternehmen und insbesondere Frauen, die sich mit wenig Geld bereits eine neue Lebensgrundlage schaffen können. Andererseits zeichnen sich diese Kredite durch eine fast 100-prozentige Rückzahlquote aus und sind aufgrund der Abkopplung von der Weltwirtschaft besonders krisensicher.

Wir haben im Bundestag ganz aktuell über dieses Thema im Rahmen der Novellierung des Investmentgesetzes gesprochen. Dabei waren auch die Erklärung und Handreichung des ZdK sowie die Stellungnahmen des BKU sowie der Kirchenbanken eine wichtige Hilfe. Vor drei Wochen wurde das novellierte Gesetz verabschiedet: Damit wird es nun endlich auch in Deutschland möglich, Mikrofinanz-Investmentfonds öffentlich zu vertreiben. Bisher waren sie nur in Luxemburg und in der Schweiz zugelassen. Erstmalig in Europa enthält das neue deutsche Investmentgesetz eine Sonderregelung, die Mikrofinanzfonds auch als Publikumsfonds ermöglicht.

Allerdings gibt es in diesem Gesetz auch Einschränkungen bezüglich der Mikrofinanz-Institute, in die investiert werden darf. Sie müssen als "echte" Banken verfasst sein und der jeweiligen nationalen Bankenaufsicht unterstellt sein. Des Weiteren ist Voraussetzung, dass eine öffentliche Entwicklungsbank wie zum Beispiel die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit mindestens fünf Prozent beteiligt ist. Insbesondere der erste Punkt ist jedoch problematisch, da viele Mikrofinanz-Institute in Entwicklungsländern nicht als Banken, sondern als Genossenschaften oder Nichtregierungsorganisation gegründet werden und damit nicht als "echte" Banken gelten, obwohl sie genauso professionell und profitabel geführt werden.

Das kurz als Einschub und Ergänzung zu Mikrofinanz-Fonds. Nun wieder zurück zur Broschüre: Nach der Vorstellung von verschiedenen Modellen ethischer Geldanlage wird die Wirkung von ethischer Geldanlage – soweit dies möglich ist – beschrieben. Abgerundet wird die Broschüre durch einen ausführlichen Anhang mit Adressen kirchlicher Banken und anderer Anbieter von ethischen Geldanlagen
Rückmeldungen auf die Erklärung und Handreichung

Seit wir im Juni die Erklärung zum Ethischen Investment im Hauptausschuss des ZdK verabschiedet und sie auf einer Pressekonferenz im August vorgestellt haben, ist sie auf großes öffentliches Interesse gestoßen. Viele Zeitungen, regionale wie auch überregionale Zeitungen, haben unsere Erklärung zum Anlass genommen, über ethische Geldanlagen zu schreiben, z. B. die Süddeutsche Zeitung, der General-Anzeiger, die Tagespost, die Bistumsblätter und viele andere. Das ist ein schöner Erfolg für unsere Arbeit – zeigt es doch, dass wir ein immens wichtiges Thema aufgegriffen haben und dass sich viele Menschen in diesem Land für ethische Geldanlagen interessieren.

Im September haben wir die Erklärung und die Handreichung auch bundesweit versendet, beispielsweise an den Bundespräsidenten, die Bundeskanzlerin, Ministerien, Mitglieder des Deutschen Bundestags, Bischöfe und Generalvikare sowie an die Vorsitzenden und Geschäftsführer der Diözesanräte. Und: Wir haben viele Rückmeldungen und Zuschriften erhalten, in denen von eigenen Erfahrungen mit dem Thema die Rede ist.

Auch die aktuelle Umfrage des ZdK in den Diözesen hatte einen enorm hohen Rücklauf – herzlichen Dank an alle, die sich beteiligt haben. Es ist überaus erfreulich, wie sehr "Ethisches Investment" in vielen Diözesen nicht nur thematisiert, sondern auch schon umgesetzt und bei Anlageentscheidungen berücksichtigt wird, wie zum Beispiel in meiner eigenen Heimat in der Erzdiözese Freiburg. Zudem haben einige Diözesen zugesagt, ethische Geldanlagen sowohl innerhalb ihrer Gremien als auch in ihrer Arbeit mit den Gemeinden zu thematisieren, so zum Beispiel die Diözesen Berlin, Limburg und Rottenburg-Stuttgart. Auch von den diözesanen Räten in Fulda und Passau haben wir positive Rückmeldungen erhalten.

Da wir auch viele Briefe, E-Mails und Anrufe von Banken und Investmentgesellschaften erhalten haben, werden wir zusammen mit dem Bund Katholischer Unternehmer Mitte Februar eine Fachtagung zum Thema "Ethisches Investment" veranstalten.

Aber natürlich können wir immer noch mehr tun, sowohl als Kirche als auch als Privatpersonen. Daher ist es wichtig, das Thema jetzt nicht zu den Akten zu legen. Wir sollten weiter daran arbeiten, dass noch mehr Menschen, Gemeinden und kirchliche Institutionen, aber vor allem auch Unternehmen, Banken und Investmentgesellschaften ihr Geld nach ethischen Kriterien anlegen.

Als letztes möchte ich noch sehr herzlich dem Sachbereich 9 und insbesondere Frau Hinrichs für Ihre hervorragende Arbeit danken – sowohl für den inhaltlichen Input als auch für die gesamte Koordination zur Herstellung dieser Broschüre. Und nicht zuletzt haben Sie entscheidend zur Vorbereitung und Organisation der Vollversammlung beigetragen. Herzlichen Dank Frau Hinrichs.

Und herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Peter Weiß MdB, Sprecher für weltkirchliche Solidarität und Entwicklungszusammenarbeit

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