Einführung in den Erklärungstext "Mut zur Zukunft - Verantwortung des Einzelnen und des Sozialstaates angesichts neuer Risikosituationen"

Rede von Dr. Hermann Kues im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,

niemand bezweifelt ernsthaft, dass die Herausforderungen des deutschen Sozialstaates immens sind. Es kommt heute darauf an, wie wir diesen Herausforderungen begegnen und welchen Weg in die Zukunft wir gestalten wollen. Wer sich dabei engagiert, wird selbst Teil der Zukunft. Deshalb ist es eine zentrale Aufgabe des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sich an diesen Debatten aktiv zu beteiligen.

Der vorliegende Textentwurf ist hervorgegangen aus einer Reihe lebendiger Debatten im zuständigen Arbeitskreis des Sachbereiches 3 "Gesellschaftliche Grundfragen" sowie in Präsidium und Hauptausschuss.

Im Zuge dieser Debatten haben wir uns für den aus unserer Sicht interessanten und auch innovativen Zugang zur Sozialstaatsthematik über den Risikobegriff entschieden. Die bisherigen Erfahrungen in diesem Diskussionsprozess zeigen deutlich, dass es eben dieser Risikobe-griff ist, der grundsätzliche Debatten provoziert. Deshalb haben wir uns um eine präzise Fassung des Risikobegriffes bemüht, der in Anlehnung an die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Debatte mögliche Gewinne und Verluste umfasst. Risiko hat immer zwei Seiten. Man kann durch das Eingehen eines Risikos zwar verlieren, man kann aber auch gewinnen.

Ein Zweites sei vorangestellt. Wir legen – in der Tradition der katholischen Soziallehre und nicht zuletzt verbürgt durch die Formulierungen in unserem Grundgesetz – ein ethisch qualifiziertes Verständnis des Sozialstaates zugrunde. Damit bleibt noch eine Fülle von Ausgestaltungsmöglichkeiten. Es wird aber von vornherein festgelegt, dass eine Synthese von Freiheit des Marktes und sozialem Ausgleich angestrebt werden muss. Wirtschafts- und Sozialpolitik sind für uns zwei Seiten ein und derselben Medaille.
Natürlich werden einige fragen, warum wir in dem Text nicht rigorosere Positionierungen zu einzelnen Sachfragen, z. B. für oder gegen Mindestlohn, für oder gegen solidarisches Grundeinkommen usw., bezogen haben. Selbstverständlich haben wir diese Debatte geführt, sowohl im Sachbereich 3 wie im Hauptausschuss. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass es angesichts der Pluralität innerhalb der Vollversammlung des ZdK und auch angesichts der Gefahr, in den derzeitigen Debatten parteipolitisch vereinnahmt zu werden, nicht angemessen wäre, eine eindeutige Festlegung für oder gegen bestimmte Positionierungen zu treffen. Uns scheint es vielmehr Aufgabe des ZdK zu sein, eine substanzielle und niveauvolle Diskussion zu den zentralen Herausforderungen des Sozialstaates in der Vollversammlung zu führen. Deswegen haben wir uns darum bemüht, klare Formulierungen zu treffen, die im Sinne von Kriterien an die zu entscheidenden Sachfragen angelegt werden müssen. Wenn wir in diesem Sinne die notwendige grundsätzliche Debatte zu den zentralen Herausforderungen des Sozialstaates in unserer Vollversammlung führen, werden wir die öffentliche Debatte sicher befruchten.

Die grundsätzliche Debatte zu Fragen des Sozialstaates darf sich unseres Erachtens nicht zu sehr im technischen Klein-Klein verlieren. Es muss die grundsätzliche Option zum Ausdruck kommen, dass eine moderne Sozialpolitik vorsorgend und vernetzt angelegt werden muss. Deswegen gehören zu den Fragen der Arbeitsmarktpolitik die Themenfelder Bildungs- und Familienpolitik integral dazu. Für die Zukunft des Sozialstaates wird es entscheidend sein, wie das kohärente Ineinander der genannten Politikfelder gelingt.

Ich darf Sie deshalb ausdrücklich zu einer kritischen Debatte ermutigen. Wir hören zunächst Herrn Professor Cremer, einen der Mitautoren unseres Textes, der die veränderten Risikosituationen der letzten 10 bis 15 Jahre beschreibt und Wege zur Bewältigung der Herausforderung benennen wird. Im Anschluss daran werden wir eine Grundsatzdebatte führen und dann mit Hilfe der Einführung von Herrn Staatssekretär Georg Fahrenschon in die konkrete Textdebatte einsteigen und hoffentlich zur Abstimmung kommen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Staatssekretär Dr. Hermann Kues

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