Festveranstaltung zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Hans Joachim Meyer

Laudatio von Prof. Dr. Hans Maier im Rahmen der Festveranstaltung zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Hans Joachim Meyer in Berlin -es gilt das gesprochene Wort.

Hans Maier: Laudatio auf Hans Joachim Meyer aus Anlass seines 70.
Geburtstags am 13. Oktober 2006 in der Katholischen Akademie Berlin


Hans Joachim Meyer wird heute siebzig Jahre alt. Wir alle, die wir hier versammelt sind, gratulieren ihm herzlich und wünschen ihm Glück und Gottes Segen. Ein Dank an das Zentralkomitee der deutschen Katholiken für diesen Festakt, ein Dank an die Katholische Akademie in Berlin für die gastliche Aufnahme in ihren Räumen - und ein besonderer Dank an die Familie Meyer für die freundliche Einladung zum anschließenden Empfang. Ich freue mich, dass ich die Laudatio auf Hans Joachim Meyer halten darf, den Wissenschaftler, Politiker und Mann der Kirche, den hochgeschätzten Kollegen und Freund.

Wer ihn erstmals kennenlernt, der spürt im Gespräch sofort: das ist ein Mann, der seine Worte zu wägen, der zu unterscheiden, zu nuancieren weiß – ein Analytiker, ein wissenschaftlicher Kopf. Meyer ist ein sorgfältiger Formulierer. Er redet nicht einfach so daher, wie das heute viele tun. In der überlegten Verwendung sprachlicher Mittel ist ein wahrer Doctor subtilis. Das, was dauernd auf uns einstürmt, das Zufällige, Ungeordnete des Alltags, die Fetzen von Gesprächen, Eindrücken, Beobachtungen - das alles ordnet sich in seinem Kopf, es nimmt Kontur an, Gestalt, es wird durchsichtig und klar. Soeben haben wir Gottesdienst gefeiert in der Kapelle der Akademie, die dem hl. Thomas von Aquins gewidmet ist. Sapientis est ordinare, das Amt des Weisen ist ordnen, so hat Thomas die wichtigste Aufgabe der Wissenschaft umschrieben. Daran fühlt man sich erinnert, wenn man mit Meyer spricht, ihm zuhört, seine Schriften liest. Man geht danach immer ein wenig aufgeräumter, geordneter in den Alltag zurück – immer vorausgesetzt, man ist bereit, zuzuhören und sein Wort zu beherzigen.


Ein solcher Mann musste natürlich ein Wissenschaftler werden. Der Weg dahin war nicht leicht. Der in Rostock geborene Sohn eines Apothekers und einer Ärztin wollte eigentlich Staatsrechtslehrer werden. Aber das Studium der Rechts- und Staatswissenschaft, das er 1955 in Potsdam/Babelsberg begonnen hatte, wurde schon nach wenigen Jahren unterbrochen: 1958 wurde Meyer aus politischen Gründen exmatrikuliert und als Hilfsarbeiter in den Lokomotivbau in Babelsberg gesteckt.

1959 begann er erneut mit dem Studium, nunmehr an der Humboldt-Universität zu Berlin und mit neuen Fächern: Anglistik/Amerikanistik und Geschichte. 1964 erwarb er das Diplom der Philosophischen Fakultät; von da an bis 1982 war er Sprachlehrer und wissenschaftlicher Oberassistent an der Humboldt-Universität. Weitere Stationen schlossen sich an: 1971 die Promotion, 1981 die Habilitation, 1982 die Berufung zum Hochschuldozenten, 1985 die Berufung zum a.o. Professor für angewandte Sprachwissenschaft an der Humboldt-Universität. Studienaufenthalte und Gastdozenturen in Großbritannien, den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion kamen hinzu. Meyer hat von 1971-1991 zahlreiche Arbeiten, auch Lehrbücher, zum wissenschaftlichen Englisch veröffentlicht.

„Doch man muss dem Weisen / seine Weisheit auch entreißen.“ Das ist nur in China wichtig, sondern auch bei uns. Manchmal leisten die Zeitumstände unaufgefordert diesen Dienst. Viele Menschen hätten Hans Joachim Meyer vielleicht nur aus seinem Fach und in einer akademischen Umgebung kennengelernt, wenn nicht Politik und Kirche ihn seit den neunziger Jahren auch in einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgemacht hätten. In dieser Zeit weitete sich das Spektrum seiner Vorträge und Publikationen aus. Er sprach an immer mehr Orten; ich erwähne nur so charakteristische wie die Leopoldina, das Germanische Nationalmuseum, Niederaltaich, Marienthal, die Wartburg – von den Universitäten, den katholischen und evangelischen Akademien, den Katholikentagen und Kirchentagen nicht zu reden.

Während sich Meyer bis 1990 strikt auf linguistische Themen beschränkt hatte, traten jetzt auch andere Interessen hervor: Hochschulpolitik, Wissenschaftspoli- tik, Kulturpolitik, Denkmalpflege, die Künste, die Geschichte im weitesten Sinn des Wortes – und daneben natürlich immer wieder das Schicksal der Christen und der Kirche in Vergangenheit und Gegenwart.

Meyer ist in seinen öffentlichen Reden bei aller Breite und Universalität nie zum Polyhistor geworden. (Manche Politiker erzielen ja eine solche Wirkung mit Hilfe ihrer Referenten!). Alle Texte verraten seine persönliche Handschrift. Überall spürt man die Sorgfalt, die Genauigkeit des Linguisten, den Tastsinn für Nuancen und Wirkungen. Gewiss, kein Wissenschaftler kann heute noch ein Universalgelehrter sein und sich überall auskennen. Aber Hans Joachim Meyer ist auf mehreren Gebieten hochspezialisiert, und das ist selten genug: auf dem Gebiet der Sprache, der Geschichte – und auch auf dem Gebiet des Rechts.

Denn glücklicherweise ist es der SED nicht gelungen, diesen geborenen Freund des Rechts dauerhaft von seinem Wunschfach fernzuhalten. Das zeigte sich, als Meyer im März 1991 bei den „Essener Gesprächen“, der „Frühjahrsbörse des deutschen Staatskirchenrechts“, ein Referat hielt, das viele Profis in Staunen versetzte und das der Versammlungsleiter Alexander Hollerbach einen „außergewöhnlichen Beitrag“ und ein „höchstpersönliche(s) Zeugnis“ nannte. Für den in der DDR aufgewachsenen Hans Joachim Meyer war das Thema biographisch wie politisch zentral: „Geistige Voraussetzungen und Konsequenzen des Beitritts der DDR zur Ordnung des Grundgesetzes“. Hier war er als Wissenschaftler wie als Politiker in seinem Element. Wie er zugleich die Zeitsituation und den Kern der staatsrechtlichen Diskussion traf, war unnachahmlich und bewundernswert.

Die Krise der DDR, die Öffnung der Mauer, die Wiedervereinigung – die Ereignisse der Jahre 1989-1991 haben Hans Joachim Meyer in die Politik geführt. Im April 1990 berief Lothar de Maizière den unbelasteten Akademiker zum Minister für Bildung und Wissenschaft in der einzigen freigewählten Regierung der DDR. Im Juli trat er erneut in die CDU ein, der er von 1952-1961 schon einmal angehört, die er aber verlassen hatte, als sich ihre Ohnmacht und ihr Opportunismus erwies. Auf dem Verordnungsweg – alles musste jetzt schnell gehen – schuf er die im Oktober 1990 erlassene „Vorläufige Hochschulordnung“ für die Hochschulen der DDR - auch das „Meyersche Landrecht“ genannt. Dann wurde er – von Kurt Biedenkopf berufen – vom 8. November 1990 bis zum 2. Mai 2002 in Dresden Sächsischer Staatsminister für Wissenschaft und Kunst.

Es war die Zeit, in der die „Runden Tische“ der Wendezeit verschwanden und neugewählte Parlamente und neubestellte Regierungen an ihre Stelle traten. Die Dissidenten und Opponenten, die Männer und Frauen des Neubeginns hatten ihre Stunde gehabt, ihr Charme – oftmals ein „Charme der Unerfahrenheit“ - hatte sich abgenutzt; jetzt kamen die „Profis“ zurück, die Politik schwenkte in die gewohnten Bahnen ein. So sah es Meyer einige Jahre später in einem Vortrag „Der Laie und der Politiker“ am 10. Mai 1996 in Görlitz. Er legte den Finger auf das Paradoxe der Situation. Einerseits mussten die „politischen Amateure“ des Neubeginns – Meyer rechnet sich zu ihnen! – in angestrengter praktischer Arbeit lernen, mit der Wirklichkeit umzugehen, das politische Handwerk zu erlernen. Anderseits durfte man die Erwartungen und Hoffnungen des Anfangs nicht einfach preisgeben, das neugeweckte bürgerschaftliche Engagement nicht untergehen lassen in der glatten und selbstgefälligen Routine der „normalen“ Berufspolitik. Meyers Fazit: „Politisches Handeln verlangt für den Erfolg Kompetenz und Professionalität, die sich nicht von selbst aus der noch so guten Absicht und dem individuellen Wollen ergibt. Für die Demokratie gehört aber eine große Zahl sich politisch engagierender und zugleich politisch kundiger Bürger zu den notwendigen Existenzbedingungen. Ein Politiker ist daher nicht das gleiche wie ein Amtsträger oder ein Funktionär. Es ist jeder oder jede, der oder die etwas von Politik versteht. Und von solchen hat die Demokratie nie zu viel.“

Ich hatte 1991 bis 1993 das Glück, einer von Meyer berufenen Kommission anzugehören, die sich mit der Neuordnung des Sächsischen Hochschulwesens beschäftigte. Sie war – eine kluge Maßregel! – annähernd gleichmäßig aus Ost- und Westdeutschen, „Ossis“ und „Wessis“, wie man damals sagte, zusammengesetzt. Keine Seite konnte – und wollte – die andere überstimmen. Es war ein kleiner Personentest auf die Wiedervereinigung. Die Mauern in den Köpfen sollten abgebaut werden – durch Zuhören, wechselseitiges Lernen, durch vernünftige Arbeitsteilung. Was brachten die Westdeutschen ein? Fachkenntnis ohne Zweifel, Vertrautheit mit den verschlungenen Pfaden des nunmehr deutschlandweit geltenden Hochschulrechts. Was brachten die Ostdeutschen ein? Etwas ganz anderes, Feldkenntnis - und ohne die wäre alle fachliche Bemühung verlorene Liebesmüh geblieben. Denn wer von uns Westdeutschen hatte schon einmal einen „Kaderentwicklungsplan“ gelesen und verstanden? Wer wusste, wie ein ML-Fachbereich funktionierte (und vielleicht sogar nach der „Abwicklung“ weiterwirkte)? Wer traute sich ein Urteil zu über Aktivisten, Mitläufer, Gefallene, Erpresste, über Nischenbewohner und „Unpolitische“ – aber auch über die vielen Nichtbetroffenen, Anständigen, Hilfsbereiten, Unbestechlichen?

Ich habe damals Hans Joachim Meyer aus der Nähe beobachten können, habe bewundert, wie er mit Vorsicht und Geschick Dialoge in Gang setzte, mögliche Lösungen prüfte, nach gründlicher Beratung Entscheidungen traf - und an ihnen dann auch bei heftigem politischem Gegenwind festhielt. Er ließ sich dabei nicht nur vom gesunden Menschenverstand leiten, dem verlässlichsten Begleiter aller Politik – er urteilte und entschied auch aus einer – vielleicht unbewussten - gesamtdeutschen Denk- und Fühlweise heraus.

Manches Überlieferte, Gemeindeutsche, manche Spureen der Kulturnation – darf man es einmal sagen? – hatten sich ja in der DDR unbeschädigter erhalten als in der Bundesrepublik in den Nach-Achtundsechziger-Zeiten. Man spürt es z. B. bei Heiner Müller in seinem Essay über das Gotisch-Deutsche, es ist hörbar im klassisch-kleistischen Duktus nicht weniger Erzähler aus der DDR – und ich habe es in den siebziger Jahren auch in der Haltung der DDR-Vertreter in der internationalen Rechtschreib-Reformkommission erlebt, die dort den konservativen Flügel bildeten („links“ marschierten die Schweizer und die Österreicher, das westdeutsche Weltkind in der Mitten!). Dass Hans Joachim Meyer - ein Meister des Englischen in Schrift und Wort - sich immer für die Wissenschaftssprache Deutsch eingesetzt hat und einsetzt, dass er die Gleichsetzung von Internationalisierung und Amerikanisierung strikt ablehnt, dass er Einspruch erhebt, wenn Hochschulreform als Abbruchsunternehmen, als Verleugnung des Eigenen und eilfertige Kopie des Anderen betrieben wird, das hängt gewiss auch mit dieser Prägung zusammen.

Am 25. April 1997 wurde Hans Joachim Meyer als Nachfolger von Rita Waschbüsch zum Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gewählt. Damit trat er ins dritte seiner „öffentlichen Leben“ ein, ohne die anderen Leben - Wissenschaft und Politik - beiseite zu legen. Er wurde zum Sprecher der deutschen katholischen Laien – ein Niederdeutscher, ein Mann aus den „Neuen Ländern“, ein Kind der Diaspora. Auch das war ein Stück Wiedervereinigung – ein mutig ergriffener Kairos für den alten, seit seinen Anfängen demokratisch verfassten Dachverband der deutschen Katholiken. Im April 2005 wurde Hans Joachim Meyer für eine dritte Amtszeit wiedergewählt.

Verbandliches und kirchliches Engagement war für Meyer nichts Neues. Schon in der Zeit der DDR, schon als Student und junger Wissenschaftler hatte er nach Ausdrucksmöglichkeiten für eine zeitgerechte christliche Existenz gesucht - damals konfrontiert mit einer nahezu rein atheistischen Umgebung an der Hochschule, leidend unter der „gelähmten Zunge“, weil die altvertrauten Formeln bei vielen Gesprächspartnern außerhalb der Kirche nur mildes Lächeln oder blanken Hohn auslösten, nach neuen Worten suchend für die Wahrheiten des Glaubens. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) war für ihn eine Ermutigung – ein Kraftquell unmittelbar nach dem Schock des Eingemauertwerdens (1961). Meyer engagierte sich als gewähltes Mitglied in der Dresdner Pastoralsynode (1973-1975) und danach als Mitglied im Pastoralrat des östlichen Teils des Bistums Berlin. Er setzte sich in den Jahren 1989/90 für das Wiedererstehen einer katholischen Laienbewegung im östlichen Teil Deutschlands ein, ab Februar 1990 als Vorsitzender des Gemeinsamen Aktionsausschusses katholischer Christen – und er arbeitete seit der deutschen Vereinigung im Zentralkomitee der deutschen Katholiken mit, seit November 1992 als dessen Vizepräsident.

Fast zehn Jahre steht Hans Joachim Meyer nun an der Spitze des ZdK. Er steuert dieses Gremium mit Festigkeit und Geduld, mit stets deutlichem Wort, mit klaren Positionsangaben. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und die mit ihm geschichtlich eng verbundenen Katholikentage sind Manifestationen katholischer Bürger in der deutschen Öffentlichkeit. Sie entstanden zu einer Zeit, als die Katholiken um ihre öffentliche Stellung kämpfen mussten und sich zu diesem Zweck demokratischer Mittel bedienten, der Petitionen, der Verbands- und Vereinsbildung, der politischen und parlamentarischen Aktivitäten. Im oft heillosen Gewebe unserer jüngeren Geschichte verkörpern die katholischen Verbände und Organisationen einen kräftigen Einschlag demokratischen Engagements – es richtete sich gegen das Staatskirchentum, die politische Gängelung und Unterordnung der Kirche unter den Staat - aber auch gegen ein Verständnis von Kirche, das die Gemeinschaft der an Christus Glaubenden ausschließlich durch ein System von Befehl und Gehorsam lenken wollte und das den Laien nur eine dienende Rolle zuwies.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat an vielen Stellen betont, dass Geistliche, Ordensleute, Laien für Welt und Kirche verantwortlich sind. Auch bei den Laien gehören der Weltdienst und die Stellung in der Kirche zusammen. Deshalb ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken unter Mitwirkung der Bischöfe im Anschluss an das Konzil und die Würzburger Synode neugestaltet worden: neben die Vertreter der Verbände sind die Mitglieder der Diözesanräte getreten. Wenn konservative Kritiker manchmal beklagen, das ZdK nähme allzu häufig zu innerkirchlichen Fragen Stellung, so muss man darauf antworten: Das genau war ein Auftrag des Konzils! Das Konzil wollte, dass das Nebeneinander der kirchlichen Stände abgelöst werde durch ein stärkeres In- und Miteinander. Daher die Verschränkungen, die manchmal auch Spannungen erzeugen können. Daher aber auch die Möglichkeiten des Ausgleichs, des Dialogs: Eine Einrichtung wie die Gemeinsame Konferenz wäre in ihrer heutigen Form vor 1965 noch nicht denkbar gewesen. Vertrauen wir also darauf, dass Amt und Gläubige, dass Geistliche, Ordensleute, Laien auch künftig miteinander im Gespräch bleiben. Nur gemeinsam, in wechselseitiger Absprache, nicht in Alleingängen und einsamen Beschlüssen werden wir den Herausforderungen der Zeit gerecht.

Denn gerade die Gegenwart verlangt das Zeugnis der Christen. Der Rückzug in eine vermeintlich heile Vergangenheit, in eine tatabgewandte Frömmigkeit, ins Nur-Ästhetische, Nur-Schöne des Glaubens ist kein gangbarer Weg. Die Kirche wird nicht allein durch Wallfahrten und Prozessionen, durch Feste und Feiern in der Gesellschaft präsent, so wichtig und unentbehrlich diese sind. Auch die Katholikentage sollen stets beides im Blick haben: sie sollen den Glauben bezeugen und der gesellschaftlichen Positionsbestimmung dienen. „Ohne die Chance zum eigenen Wort“ sagt Hans Joachim Meyer, „wird die Fähigkeit zum eigenen Denken und Argumentieren nicht gestärkt. Ohne eigenes Denken gibt es auch keine Eigenverantwortung.“

Nun habe ich von den „drei Leben“ unseres Jubilars erzählt – seinem wissenschaftlichen, politischen und kirchlichen Leben. Aber wer ist er selbst, welche Person wird sichtbar hinter diesen Rollen? Ist er „ein Katholik mit protestantischer Ausstrahlung“, wie ein (ihm durchaus wohlgesonnener!) Journalist einmal schrieb? Ist er ein kühler Niederdeutscher, ein „Fischgobb“, wie man in Sachsen die Mecklenburger nennt? Einen Meister der klaren Struktur und Analyse, modern, unkonventionell und realitätsnah, so nennt ihn eine Mitarbeiterin. Einen Menschen mit Kampfgeist, Mut zum Widerspruch und einem enormen Rückgrat („manchmal besteht er quasi nur aus Rückgrat“, so charakterisiert ihn einer, der es wissen muss!). Was ist er noch? Ein Mann mit trockenem Humor? Einer, der manchmal sogar im Zug Opernarien singt und ganz viele davon auswendig kennt (eine fast geheimdienstverdächtige Information!)? Ich höre auf, weil ich sonst ins Fantasieren komme und üppigen Gerüchten Nahrung gebe. Nur ein Hinweis noch: die rheinische Komponente bei Meyer ist bisher ungenügend untersucht. Seine Eltern kamen nämlich aus dem Rheinland nach Rostock. Vielleicht ist er also gar kein Mecklenburger, sondern ein verkappter Rheinländer? Mensch Meyer!

Lieber Herr Meyer, an Geburtstagen bekommt man so manches zu hören. Überwiegend natürlich gute Dinge – manchmal sogar übertrieben Gutes, während das weniger Gute vorsorglich im Sack bleibt. Ich wünsche Ihnen, dass Sie auch in Zukunft der bleiben, der Sie sind, dass sie sich noch lange der politischen – und kirchlichen! - correctness verweigern, dass Sie immer wieder unfrisierte Gedanken äußern und ein freimütiges Wort sagen – ein Hans Joachim Meyer, der nur noch „zustimmungsfähige Sätze“ spräche, wäre ja wahrlich ein schreckerregender Gedanke. Und grämen Sie sich nicht bitte darüber, dass Sie nun schon siebzig Jahre alt geworden sind. Denken Sie einfach, dass Sie sich nun langsam der Mitte des Lebens nähern, und genießen Sie die römische Zeitansage (Rom hat nicht immer, aber meistens recht): Nondum meridies – es ist noch nicht Mittag.

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