Einführung in das "Memorandum des ZdK mit Vorschlägen zur Mitwirkung des Gottesvolkes bei der Bischofsbestellung"
Rede von Hans-Georg Hunstig im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.
Liebe Schwestern und Brüder,
als Dritter in der Rednerliste darf ich Sie nun kurz in unseren Beratungstext einführen. Ich kündige gleich an, dass ich, nachdem uns die Texte von Frau Prof. Demel und Herrn Dompropst Feldhoff bereits seit einiger Zeit vorlagen, nach Rücksprache mit dem Präsidium einen Verfahrensvorschlag machen werde.
Zu Beginn will ich aber die Frage stellen: Waren das aus heutigem Blickwinkel nicht paradiesische Zustände, als im 3. Jahrhundert das ganze Volk seinen Bischof wählen konnte? So wird es uns jedenfalls mit der Kirchenordnung Hippolyts von Rom übermittelt, nach der diese Wahl durch das Volk die Voraussetzung war, dass jemand zum Bischof geweiht wurde. Heute haben wir, wie wir alle wissen, bei der Bestellung der Bischöfe andere Zustände. Jede und jeder von uns hat in seinem Bistum in den letzten Jahren mehr oder weniger bewusst mitbekommen, dass nach einer Sedisvakanz plötzlich die Glocken der Domkirche läuteten und verkündeten: Wir haben einen neuen Bischof! Aber selbst der aus den Wahlen zu den Pfarrgemeinderäten und den Vorständen der Verbände hervorgegangene Diözesanratsvorstand hatte – als Gremium – nichts mit der Angelegenheit zu tun. Gerüchte, unter dem Tisch gehandelte Namen und angeblich vertrauliche Anfragen zu Personen waren das einzige, was "man" vorher gehört hatte. Dieser Zustand ist letztlich unbefriedigend und für die meisten von uns völlig undurchsichtig, auch wenn er nach korrekten Spielregeln abläuft.
So kam es dazu, dass bei der Vollversammlung im November 2002 die ZdK-Mitglieder Rolf-Peter Cremer, Knuth Erbe und Gaby Hagmans einen Antrag mit der Überschrift "Bischöfe des ganzen Gottesvolkes" stellten, der zum einstimmigen Beschluss führte:
"Das ZdK fordert, dass in Zukunft wesentlich stärker als bisher das gesamte Volk Gottes an der Auswahl der Kandidaten zur Bischofswahl in ihren Diözesen beteiligt wird. Die Vollversammlung überweist das Anliegen im Sinne dieses Satzes an den Hauptausschuss zur weiteren Beratung." Dieses war der Auslöser des heute vorliegenden Textes. Es setzte eine intensive Kommunikation ein, wie das in einem demokratisch verfassten Gremium nun mal so geht: März 2003 im Hauptausschuss, 2003 und 2004 mehrfache Beratung im AK "Pastorale Grundfragen" einschließlich einer dort gebildeten Untergruppe, 2005 wieder im Hauptausschuss, der noch mal eine Untergruppe bildete, bis das inzwischen "Memorandum" genannte Papier dann im Januar 2006 wieder den Hauptausschuss passierte und das uns nun heute vorliegt.
In der Hinführung ist es uns wichtig, auszugehen von Jesus Christus als unserem Herrn der Kirche, in welche sich das Bischofsamt einordnet. Ausgehend von der Darstellung verschiedener Wege der Bischofsbestellung in der Kirchengeschichte rufen wir mit Hinweis auf bereits vorhandene Reformvorschläge zur Bischofsbestellung auf zu prüfen, welche Form dem Wesen der Kirche und des Bischofsamtes am besten entspricht. Dabei erinnern wir auch an Formulierungen der Vollversammlung des ZdK, die erst – oder schon – 13 Jahre alt sind: "Es geht uns nicht um eine 'Demokratisierung' der Kirche im staatsrechtlichen Sinne; denn der Souverän der Kirche ist nicht das Volk, sondern Christus, der durch die Berufung der Zwölf die Grundstruktur des Amtes der Kirche vorgegeben hat, unbeschadet seiner späteren geschichtlichen Entfaltung ... "
Es folgt eine theologische Darstellung der Mitverantwortung aller Gläubigen in der Kirche, die mir grundlegend dafür erscheint, warum wir überhaupt der Auffassung sind, dass ein Änderungsbedarf besteht. Wir stellen die theologische Bedeutung des Bischofsamtes heraus, die eine wechselseitige Loyalitätspflicht zwischen dem Bischof und dem Volk Gottes der Diözese mit sich bringt, die wiederum einen echten Kommunikationsprozess zwischen beiden verlangt. Es folgt die Darstellung der Bischofskonferenz als wichtigem Verbindungsglied in der Gesamtkirche, bevor das Memorandum das Bischofswahlrecht nach geltendem Recht vorstellt.
Nach dieser Hinführung erlauben wir uns, aus den bereits bekannt gewordenen Reformvorschlägen drei Gruppen vorzustellen und Schritte zu benennen, wie diese umgesetzt werden können.
Dies ist eine nüchterne, realistische Darstellung der Situation und der gegebenen Möglichkeiten. Unser Papier ruft nicht zur Revolution bei der Bischofsbestellung auf, es unterstreicht sogar die Bedeutung des Bischofsamtes für die katholische Kirche und will das Ansehen des Bischofs stärken. Es will keine Konfrontation mit den Domkapiteln, es ist natürlich aus der Sicht der Laien in den Diözesen geschrieben und macht auch lediglich Vorschläge für Deutschland. Wir möchten mit diesem Memorandum einen Denkanstoß für die katholische Kirche unseres Landes geben, über gegebene Veränderungsmöglichkeiten konstruktiv nachzudenken.
Soweit zur Vorstellung unseres Textes. Nun haben wir soeben die beiden Vorträge von Frau Prof. Demel und Herrn Dompropst Feldhoff gehört. Diese beiden Vorträge waren sehr interessant, und es ist gut, dass wir sie beide hören konnten und dass wir sie in einer guten Diskussionskultur miteinander beraten. Insofern ist es hilfreich, dass der Hauptausschuss Sie, lieber Herr Dompropst, eingeladen hat, und ich fand gut, dass Sie die Einladung angenommen und freimütig gesprochen haben. Ich möchte nun in Absprache mit dem Präsidium und mit Frau Prof. Demel empfehlen, dass wir heute eine ausführliche Debatte führen, dass wir uns dafür die notwendige Zeit nehmen und dass wir dies als "erste Lesung" betrachten. Auf der Basis dieser ersten Lesung würden wir dann den Text überarbeiten und später wieder in einer der kommenden Vollversammlungen einbringen. Das Thema ist uns zu wichtig, um es jetzt in wenigen Minuten eilig zu beraten. Ich wäre dankbar, wenn Sie diesem Vorschlag zustimmen würden, und wünsche uns eine anregende und spannende Debatte!
Es wäre doch schön, lieber Herr Dompropst Feldhoff, wenn vielleicht in einigen Jahren die Glocken des Kölner Domes einen neuen Bischof verkünden und Sie daran beteiligt waren, dass auch der Diözesanrat mit allen seinen kompetenten Frauen und Männern daran beteiligt war.
Hans-Georg Hunstig