Begrüßungsimpuls zum interdisziplinären wissenschaftlichen Symposium

Rede von Georg Kardinal Sterzinsky im Rahmen des Symposiums der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu unserer interdisziplinären Fachtagung „Anschnallen und Abheben. Ehe – ein Zukunftsmodell“ begrüße ich Sie sehr herzlich hier auf dem Köln-Bonner Flughafen.

Der Titel dieser Veranstaltung ist gewiss ein wenig unkonventionell gewählt. Zunächst orientiert er sich sprachlich natürlich am Ort dieser Veranstaltung. Der Flughafen als symbolträchtiger Ort für Modernität und Mobilität schien doch sehr geeignet als Rahmen für unsere Fachtagung.

Die Ehe ist eine Institution, die von den Modernisierungsschüben der Gesellschaft und von den damit zusammenhängenden Mobilitätsanforderungen an die Menschen in hohem Maß betroffen ist. Die Ehe ist alles andere als ein beschauliches Stück wohlsituierten Bürgertums vergangener Jahrhunderte. Die Menschen, die in der Ehe ihre Lebensform suchen und finden, sind Menschen von heute, gekennzeichnet von aller Aufgeschlossenheit, allen Vereinbarkeitsnöten, allen Alltagssorgen und auch aller Individualität, die für das Leben zu Beginn des 21. Jahrhunderts typisch sind.

Der Titel „Anschnallen und Abheben“ spielt zunächst einfach mit dem Vokabular dieser Mobilitätsgesellschaft. Aber er rekurriert auch auf eine Vergleichbarkeit, ein „tertium comparationis“ zwischen dieser Welt moderner Fortbewegung und der Welt von Ehe und Partnerschaft: Zum Preis für die Freiheit „über den Wolken“ und für die schnelle Mobilität gehört eine ganze Reihe von Systemzwängen und klar abgegrenzten, fest geregelten Strukturen, denen wir uns unterwerfen, um in den verheißenen Vorteil zu kommen: Wir halten strikte Terminvorgaben ein, stellen uns am Schalter an, lassen die Sicherheitsprozeduren über uns ergehen, schalten sogar unsere unverzichtbaren Mobiltelefone aus und schnallen uns schließlich an unserem Sitzplatz fest, bevor wir abheben können. Diese festen Strukturen dienen klar erkennbar dem Zweck eines guten und sicheren Fluges an das gemeinsame Ziel.

Im Bereich der Partnerschaft zwischen Mann und Frau ist die Sache doch, ohne dieses Bild allegorisch überziehen zu wollen, in gewisser Weise ähnlich. Auch hier sind es doch die klaren Strukturen, das verlässliche Übereinkommen und die gemeinsame Ausrichtung auf Lebensziele, die zu einer positiven Entfaltung der personalen Beziehung und darin nicht zuletzt auch der Personen selbst beitragen.

Die Ehe ist in gesellschaftlicher Perspektive ein Institut, eine eingerichtete feste Form, die von Menschen angenommen werden kann, um innerhalb dieses Rahmens ihre Partnerschaft zu leben und eine Familie zu gründen. Selbstverständlich dürfen diese Strukturen kein zu enges Korsett darstellen, das eine individuelle Entfaltung unmöglich macht. Aber ein völliger Verzicht auf die Verbindlichkeit, die die Institution Ehe bedeutet, kann auch aus der Perspektive der Gesellschaft nicht sinnvoll und hilfreich sein. Die Ehe ist – das ist unsere feste Überzeugung, von der wir ausgehen – in ihrer Kerngestalt eine in hohem Maß zukunftsfähige Institution. Wenn sie im gesellschaftlichen Diskurs dennoch enormen Gegenwind erfährt, liegt das vielleicht auch daran, dass ihr Sinngehalt und ihre Dienstfunktion für ein gelingendes Menschsein nicht ausreichend zur Geltung kommt.

Woran dies aber liegt und wie es gelingen kann, etwas für das Gelingen von Ehe und damit für den Stellenwert der Ehe in unserer Gesellschaft zu tun, darum muss es uns in den vor uns liegenden Überlegungen und Gesprächen gehen.

Ich freue mich auf den Austausch mit Vertretern verschiedener Wissenschaftsbereiche und hoffe, dass uns ein Erkenntnisgewinn gelingt, den wir in unser Bemühen um die Ehe mitnehmen können.

Georg Kardinal Sterzinsky

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