Einführung in die Beschlussvorlage "Mehr kirchliche Mitbestimmungsrechte für Laien"

von Dr. Walter Bayerlein im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

Meine Damen und Herren!

I.

Sie kennen die Vorgeschichte dieser Vorlage. In der Vollversammlung vom 19./20.November 2004 hat Ihnen der Antrag der Mitglieder Bernward Beel und Hugo Uebbing mit dem Titel „Kirchliche Mitbestimmungsrechte für Laien“ vorgelegen. Dieser Antrag ging auf den Wunsch eines Treffens der Vertreter der Diözesanräte im ZdK zurück. Unser Mitglied, Frau Dr. Sabine Demel, Professorin für Kirchenrecht, hat dazu eine geänderte Fassung vorgelegt, der die ursprünglichen Antragsteller zugestimmt haben.
Dieser Antrag war unter TOP 9 Beratungsgegenstand der letzten Vollversammlung. Im Protokoll ist dazu festgehalten: „In einer ausführlichen Aussprache wird deutlich, dass die Vollversammlung dem im vorliegenden Antrag enthaltenen Anliegen im Grundsatz inhaltlich zustimmt, ohne damit dem Wortlaut im Einzelnen zuzustimmen. Die Vollversammlung verweist das Anliegen zur weiteren Bearbeitung an den Hauptausschuss.“

Das Präsidium hat daraufhin eine Arbeitsgruppe unter meiner Federführung damit beauftragt, den Antrag unter Berücksichtigung der Diskussionsbeiträge in der letzten Vollversammlung neu zu fassen, mit dem Ziel einer Vorlage an die Vollversammlung. Der Arbeitsgruppe haben angehört: Herr Bernward Beel, Frau Prof. Demel, Frau Barbara Wieland und Herr Prof. Bucher, der allerdings an den Beratungen krankheitsbedingt nicht unmittelbar teilnehmen konnte. Zwischendurch hat sich auch das Präsidium mit dem Zwischenergebnis der Arbeitsgruppe befasst.
Der überarbeitete Text lag dem Hauptausschuss vor. Dieser hat beschlossen, ihn als Antrag der Vollversammlung zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen.



II.

Der Text des Beschlusses, der auch die wesentliche Begründung enthält, ist so kurz, dass er keiner längeren Einführung bedarf.

Ich darf mich daher auf einige wenige Bemerkungen beschränken.

1. Der Beschlusstext nimmt durchaus zur Kenntnis, dass die Mitwirkungsrechte der Laien in den verschiedenen deutschen Bistümern recht unterschiedlich entwickelt sind und dass nirgends vom Nullpunkt aus damit begonnen werden muss, sie zu verbessern. Gleichwohl ist das Anliegen dringlich, gerade in der heutigen Umbruchsituation der Kirche Laien und deren Vertretungsorgane auf allen kirchlichen Ebenen „deutlich stärker als bisher“ an Entscheidungen und Leitungsaufgaben zu beteiligen. Der Text verzichtet insoweit bewusst auf einen detaillierten Katalog, zumal dieser – beachtet man den jeweiligen Status quo – in jeder Diözese anders aussehen müsste.
Es werden aber vier Bereiche hervorgehoben, in denen dringender Handlungsbedarf besteht: Bildung pastoraler Schwerpunkte, Veränderungen kirchlicher Strukturen, Haushaltsfragen und Personalentscheidungen. In allen diesen Bereichen stehen in nahezu allen Bistümern weit in die Zukunft reichende Entscheidungen an.

2. Entsprechend einem Wunsch vieler Redner der Debatte in der letzten Vollversammlung ist die theologische und pastorale Bedeutung des Anliegens noch deutlicher an die erste Stelle gerückt, ohne die rechtlichen Wege und Instrumente zu vernachlässigen. Das Kirchenrecht ist ja Ausfluss der Theologie über das Wesen der Kirche und auch kein Gegensatz zur Pastoral, sondern ihr dienender Rahmen.

3. Der Beschlusstext hebt hervor, dass das seit 1983 geltende Kirchenrecht geeignete Wege zu der theologisch und pastoral zu fordernden Stärkung von Mitentscheidungsrechten von Laien und ihrer Vertretungsorgane bereithält. Dabei wird zwischen Mitentscheidungs-, Anhörungs- und Zustimmungsrechten unterschieden. Mitentscheidung bedeutet, dass Laien oder deren Vertretungsorgane gemeinsam mit den Trägern des kirchlichen Amtes entscheiden. Dafür war das vom Hl. Stuhl approbierte Statut der Würzburger Synode ein gutes und nachahmenswertes Beispiel. Alle Synodalen hatten gleiches Stimmrecht, die Synode als Ganzes das Recht, verbindliche Beschlüsse zu fassen, solange die Deutsche Bischofskonferenz der Beschlussfassung nicht unter Angabe von Gründen der Glaubens- und Sittenlehre widersprach, oder im Einzelfall vor der Beschlussfassung erklärte, Anordnungen werde die bischöfliche Gesetzgebung versagt. Die Notwendigkeit, dass die Bischöfe etwaige Bedenken gegen den Inhalt von Vorlagen vor der Beratung und Entscheidung mitteilen und argumentativ vertreten mussten, förderte die Ernsthaftigkeit der Beratung und das Bewusstsein von der gemeinsamen Verantwortung für die Entscheidungen.

Anhörungsrechte von Laien bedeuten, dass vor der Entscheidung deren Rat eingeholt werden muss, der zwar nicht verbindlich ist, aber ernsthaft in Erwägung gezogen werden muss.
Zustimmungsrechte bedeuten, dass Entscheidungen ohne diese Zustimmung nicht wirksam werden.
Anhörungs- und Zustimmungsrechte werden mit dem kirchenrechtlichen Fachausdruck „Beispruchsrechte“ bezeichnet. Werden sie nicht beachtet, erlangen Entscheidungen der kirchlichen Autorität keine Rechtswirksamkeit.

4. Der Beschlusstext will nicht die Kirche in einem banalen Sinn „demokratisieren“. Er leugnet keineswegs die hierarchische Struktur der Kirche. Es ist deshalb der auch von Papst Pius XII. ausdrücklich als Menschenrecht bezeichnete Satz, dass das, was alle angeht, von allen entschieden werden soll, im Hinblick auf die Unabstimmbarkeit von Glaubensinhalten und die hierarchische Struktur der Kirche relativiert. Die deutlich verstärkten Mitwirkungsrechte von Laien und ihrer Vertretungsorgane sind nur dem ersten Anschein nach „demokratische Elemente“ in der Kirche, die nicht souverän ist, sondern in Gott ihren Souverän hat. In einer tieferen Sicht sind sie vielmehr eine notwendige Folge davon, dass die Kirche „communio“ getaufter und gefirmter Christen mit gleicher Würde ist, die vom Herrn selbst zur Mitgestaltung von Kirche und Welt berufen sind.
Das Wesen der Kirche würde durch mehr Mitentscheidung von Laien nicht angetastet, da die Kompetenz des kirchlichen Amtes dabei nicht in Zweifel gezogen wird, in Kollegialität und offenem Dialog argumentativ und verbindlich den unabstimmbaren Bereich zu bestimmen (Kompetenzkompetenz).

III.

Meine Damen und Herren, Sie werden sich vielleicht schon gefragt haben: Und was geschieht oder ändert sich, wenn wir einen solchen Beschluss fassen?
Zunächst einmal wird allenthalben seit dem Konzil und seit der Würzburger Synode, aber in den letzten Jahren noch verstärkt beklagt, dass die Laien den ihnen vom Konzil zugewiesenen Platz in der Kirche noch nicht hinreichend gefunden haben, sei es, weil sie ihn nicht gesucht haben, sei es, weil er noch nicht da ist. Aus Anlass des neuen Pontifikats ist das öffentlich immer mit angesprochen worden, wenn es um die Zukunft der Kirche geht. Die Umbruchsituation in vielen Bistümern, ausgelöst vom Mangel an Priestern und Mangel an Geld, macht dieses Defizit oft schmerzlich bewusst.
Insofern liegt das Thema sozusagen „in der Luft“. Wer sollte es aufgreifen und in Worte fassen, wenn nicht das ZdK.
Das ZdK spricht dabei nicht in einen luftleeren Raum. Die Vertreter der Diözesanräte und die Verbände und Organisationen haben vielfältige Beziehungen zu ihrem Bischof. Ich habe bewusst das besitzanzeigende Fürwort „ihrem“ gewählt. Diese Ebene gilt es nach einem solchen Impuls effektiv zu nutzen.
Das ZdK bildet mit der Deutschen Bischofskonferenz seit dem Ende der Würzburger Synode die sog. Gemeinsame Konferenz. Unsere Vertreter dorthin haben wir gerade gewählt. Diese Konferenz ist ein guter Ort, die Umsetzung dieses Beschlusses in einer Atmosphäre des Vertrauens gemeinsam zu beraten und schrittweise zu konkretisieren.

In diesem Sinne bitte ich Sie um die Zustimmung zu diesem Beschlussantrag des Hauptausschusses.

Dr. Walter Bayerlein

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