Zeit für Pflege und Fürsorge - familienunterstützende Strukturen ausbauen

Erklärung des Hauptausschusses des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Zeit für Pflege und Fürsorge

Familien unterstützende Strukturen ausbauen

Erklärungstext

Die Würde des Menschen ist zentraler Bezugspunkt pflegerischer Versorgung und "beinhaltet eine Förderung der eigen verantwortlichen Lebensgestaltung in allen Lebensphasen. Dazu gehört es, gute Voraussetzungen für eine Pflege im häuslichen Umfeld zu schaffen," so hieß es in der ZdK-Vollversammlungserklärung "Vertrauen stärken - Verantwortung tragen - Solidarität erhalten. Zur Bedeutung der Pflege in einem leistungsfähigen Gesundheitswesen" vom 21. November 2003.

Konkret regte die Vollversammlung an, die Idee weiter zu verfolgen, analog zur Elternzeit für pflegende Angehörige in Deutschland eine "Pflegezeit" einzuführen.

Am 26.3.2004 hat daraufhin das ZdK eine Fachkonferenz zur "Langzeitpflege alter Eltern und Großeltern" durchgeführt. Sie hat eindrucksvoll bestätigt: Häusliche Pflege entspricht den Wünschen der Menschen und Familien sind bereit, sich auf die Last wie die bereichernden Erfahrungen häuslicher Pflege einzulassen. Allerdings sind durch die stärkere berufliche Mobilität, geringe Kinderzahl und die höheren Erwerbsquoten der Menschen, die künftig als Pflegepersonen in Frage kommen, die familiären Ressourcen für häusliche Pflege erheblich begrenzt. Sie werden über das Unvermeidbare hinaus weiter drastisch beschränkt, wenn den pflegenden Familienangehörigen Nachteile zugemutet werden, die nicht zumutbar sind, und wenn ihnen dringend notwendige Stützstrukturen vorenthalten bleiben.

Beunruhigend ist, dass derzeit jede dritte Pflegeperson wegen der Pflege ihre Erwerbstätigkeit kündigt - verbunden mit der Gefahr dauerhaften Arbeitsplatzverlustes.

Auf diese Problematik antwortet das Konzept des Saarlandes, entsprechend der Erziehungszeit eine Pflegezeit mit Arbeitsplatzgarantie einzuführen. Die Pflegezeit soll es Angehörigen ermöglichen, ihre Erwerbstätigkeit vorübergehend zu reduzieren oder zu unterbrechen, um sich der Pflege zu widmen. Ein Anspruch auf Pflegezeit ist für Eltern, Kinder, Geschwister oder Ehepartner vorgesehen. Wenn beim Pflegebedürftigen ein vom medizinischen Dienst der Krankenkassen festgestellter Pflegebedarf von mindestens 14 Stunden wöchentlich besteht, ist ein Anspruch auf Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge durch die Pflegeversicherung gegeben – daher orientiert sich auch das Pflegezeitmodell an dieser Stundenzahl. An eine über das Pflegegeld hinausgehende materielle Absicherung während der Pflegezeit ist nicht gedacht.

Die Pflegezeitregelung ist keine Lösung für alle Probleme, die künftig im Pflegebereich auf uns zu kommen. Die Pflegezeit schafft aber eine wichtige Voraussetzung, damit in der Familie Zeit für Pflege und Fürsorge zur Verfügung  steht und auch in Zukunft häusliche Pflege als Komplementärangebot der professionellen Versorgung für eine wichtige Übergangszeit erhalten bleibt. Pflegezeit wird familiäre Pflege vor allem dann nachhaltig unterstützen, wenn für die pflegenden Angehörigen neben dem Rechtsanspruch auf Unterbrechung der Erwerbstätigkeit Anleitung und Beratung durch Fachpersonal zur Verfügung steht.

Nur so kann die Qualität der häuslichen Pflege im Einzelfall gesichert werden.

Bei der Begleitung der pflegen den Angehörigen kommen auf den Hausarzt und die Anbieter ambulanter und teilstationärer Pflegedienste neue Herausforderungen zu. Vorrangig geht es um die verbesserte Vernetzung der familienunterstützenden Strukturen. Deshalb sehen wir Pflegezeit und die Gewährleistung eines flexiblen ganzheitlichen fachübergreifenden Therapieangebotes als zwei sich ergänzende

Maßnahmen.

Das ZdK bekräftigt und konkretisiert seine Forderung, dass die Zukunftsfähigkeit des Sozialstaats entscheidend davon abhängt, dass von den politisch Verantwortlichen die Pflege-Frage entschlossen und kreativ aufgegriffen und in abgestimmten Konzepten auf diese Herausforderung reagiert wird. Nachdrücklich fordern wir die Sozialministerkonferenz auf, so rasch wie möglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Pflegezeit zumindest in einem Bundesland als Pilotprojekt eingeführt werden kann, in dem auch die betriebs- und volkswirtschaftlichen Dimensionen wissenschaftlich abgeschätzt werden.

 

Beschlossen vom Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken am Freitag, dem 07. Mai 2004

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