"Weltjugendtag 2005 in Köln - mehr als ein Event"

Redemanuskript von Prälat r. Heiner Koch im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) -es gilt das gesprochene Wort.

TOP 8.
Es gilt das gesprochene Wort


Mit einer Frage fing er an:
die fragwürdige Bewegung des Weltjugendtags

Rom, Anfang der achtziger Jahre in einer Seitenstraße in der Nähe des Petersplatzes in der Kirche San Lorenzo: Hier treffen sich regelmäßig Jugendliche zum Gebet und zum Gespräch und hier wird auch zu Beginn des außerordentlichen Heiligen Jahres 1983/84, in dem man sich des 1950sten Todestages Christi erinnert, die Frage gestellt: Warum soll es in diesem Heiligen Jahr kein großes internationales Treffen der Jugend geben? Am Palmsonntag 1984 kommt es zu diesem Treffen, und mehr als 300.000 Jugendliche versammeln sich rund um St. Peter. Im darauf folgenden Jahr lädt der Papst anlässlich des Internationalen Jahres der Jugend, ausgerufen von den Vereinten Nationen, wiederum am Palmsonntag zu einem weiteren Jugendtreffen ein und über 250.000 Jugendliche folgen seinem Aufruf. Schon eine Woche später, am Ostersonntag, verkündet der Papst, dass nun jedes Jahr ein Treffen der Jugend der Kirche stattfinden solle: in einem Jahr ein Treffen des jeweiligen Diözesanbischofs mit seinen Jugendlichen in den einzelnen Bischofsstädten, im darauf folgenden Jahr ein Treffen der Jugend aller Nationen an einem zentralen Ort dieser Welt:

• 1987: II. Weltjugendtag in Buenos Aires
• 1989 in Santiago de Compostela
• 1991 in Tschenstochau
• 1993 in Denver
• 1995 in Manila
• 1997 in Paris
• 2000 in Rom
• 2002 in Toronto
• und nun – so Gott will – 2005 in Köln.

Sind diese Weltjugendtage nur ein Event, ein Erlebnis, ein Ereignis? Sicher sind sie dies auch. Als der Papst 1984 die 300.000 jungen Menschen auf dem Petersplatz sah, rief er aus: „Welch großartiges Schauspiel auf dieser Bühne eure heutige Versammlung!“ Der Weltjugendtag war eben schon damals ein Event. Wahrscheinlich wird auch der Weltjugendtag in Köln ein großes Event: 800.000 Jugendliche erwarten wir, 4000 Journalisten, Fernsehübertragungen in über 100 Länder der Welt, das große Jugendkulturfestival, die Domwallfahrt zum Schrein der Heiligen Drei Könige, das Geistliche Zentrum in Kölns Romanischen Kirchen, die Tag und Nacht geöffnet sein werden, der Papst, der mit der Jugend durch die Straßen Kölns zieht, die Ankunft der jugendlichen Länderdelegationen und des Heiligen Vaters auf Schiffen – dies alles hat zweifelsohne auch Züge eines großen Events. Die Nacht der Vigil im Freien mit 800.000 Jugendlichen: die verantwortlichen Erwachsenen wollten nach den Regengüssen in Toronto diesen Nachtevent für Köln absagen, doch die Jugendlichen setzten sich durch: er bleibt auch in Köln.

Wer die Lieder gehört und die Bilder gesehen hat, als der Heilige Vater am Palmsonntag 2002 das Weltjugendtagskreuz von kanadischen Jugendlichen annahm, die es aus Toronto gebracht hatten, und es deutschen jungen Menschen für den Weg zum Weltjugendtag nach Köln übergab, wer die Ankunft des Weltjugendtagskreuzes in Köln gesehen hat oder die Berichte gelesen hat über den Weg des Weltjugendtagkreuzes durch die Länder Europas, wer die ergreifenden Bilder der jungen Menschen mit dem Weltjugendtagskreuz in Albanien oder im Kosovo vor Augen hat, der wird zustimmen: dies waren alles ergreifende Erlebnisse mit bleibenden Eindrücken. Als am Palmsonntag 2004 das WJT-Kreuz aus Sarajevo nach Köln gebracht wurde und in einem Gottesdienst festlich begrüßt wurde, rief eine ältere Fernsehzuschauerin an: „So viele begeisterte Jugendliche in einem Gottesdienst habe ich noch nie erlebt: die Palmen, die Fahnen, die Hände schwingend: „Du für mich – wie so groß ist die Liebe, du für mich – deine Arme so weit“. Ich habe so intensiv wie noch nie gespürt: die Kirche lebt.“ Dies alles ist ein Event. Sicherlich. Aber: nur ein Event? Nur ein schnell vergessenes Erlebnis? Vielleicht sogar nur eine rasch vorübergehende Show mit Effekthascherei, an die sich bald niemand mehr erinnert?

So wahr wir leben,
leben wir wahr
in der Erlebnisgesellschaft?

Ich habe das Buch des Bamberger Soziologen Gerhard Schulze über die Erlebnisgesellschaft vor Augen. „Erlebe dein Leben!“, so sagte Gerhard Schulze, sei der Anspruch des Menschen in dieser modernen Erlebnisgesellschaft. Der Zeitgenosse möchte möglichst vieles möglichst intensiv erleben: das Erlebnisbad, den Erlebnis-Kaufhof, das Erlebnis-Kölsch und das Erlebnis einer Zigarette. Wer die Gedanken Gerhard Schulzes liest, der wird unserer Kirche wohl rasch die Mahnung mit auf den Weg geben: Schwimm nicht mit in dieser Erlebnisgesellschaft, in der so viel Großes im Menschen verflacht:

1. In einer Erlebnisgesellschaft, in der, so Gerhard Schulze, die Überzeugung vorherrscht, das Glück und die Lebensfreude, die Liebe und der Sinn des Lebens, ja selbst die Religion zur Befriedigung religiöser Grundbedürfnisse seien machbar.

2. In einer Erlebnisgesellschaft, in der das Gebot der Unverbindlichkeit gilt – auch im zwischenmenschlichen Bereich.

3. In einer Erlebnisgesellschaft, in der alles nur auf das gute augenblickliche Glücksgefühl ankommt: Hauptsache es tut mir gut, ich fühle mich wohl. Wer spricht schon von Wahrheit und vertritt ihren Anspruch in einer Wellness-Gesellschaft, in der wir vor allem „high“ sein wollen. Auch hinsichtlich des Glaubens kommt es doch offensichtlich nur darauf an, dass er uns gut tut, dass wir uns mit ihm wohlfühlen, dass wir mit ihm leichter leben, und nicht darauf, ob er wahr ist. Wie soll da das Wort vom Kreuz angenommen werden, das uns eben nicht so leichthin einfach gut tut.


Alles ist angeblich machbar, alles ist unverbindlich, nur das gute Gefühl zählt: wird der Weltjugendtag in Köln ein Event, der diese die Größe des Menschen gefährdende Bewegung der Erlebnisgesellschaft faktisch unterstützt, zumindest auf dieser Welle mitschwimmt? Macht der Weltjugendtag auf diesem Hintergrund überhaupt Sinn hinsichtlich der Erfüllung unseres kirchlichen Auftrags und fördert er insbesondere unsere Jugendpastoral, die heute ohnehin schwer genug geworden ist? Steht er im Dienst der Verkündigung des Evangeliums oder braucht er nur unnötig viel Energie kirchlich Engagierter?

Kaum zu glauben:
der Glaube junger Menschen

Versuchen wir, uns einer Antwort anzunähern, indem wir zunächst einen Blick auf die Jugend unserer Tage werfen, gerade im Hinblick auf ihre religiöse Prägung.

1. Die heutigen Jugendlichen sind die Kinder der Eltern der 68er-Genera-tion.
Die Jugendzeit dieser Eltern war geprägt von der Auflösung der stabilen sozialen Milieus, in denen Generationen vor ihnen gelebt hatten. Viele Bindungen und Lebensordnungen wurden in der Gesellschaft aufgegeben, vieles Normale und für selbstverständlich Erachtete wurde nicht mehr weiter gepflegt und verlor somit seine bestimmende Kraft. Damit verflachte aber die theoretische und praktische Bindung an die Kirche. Alles veränderte sich in dieser mobilen Gesellschaft, die von einem immer rascheren Wandel vieler Lebensverhältnisse geprägt war. Seitdem gilt: wer heute von morgen sein will, ist morgen schon wieder von gestern. Als ich Studentenpfarrer in Düsseldorf war, erklärte mir ein Maler: „Wenn ich ein Bild male, ist das Bild altmodisch, bevor seine Farben trocken sind.“ In einer solchen Gesellschaft, in der alles relativ ist, haben es zwei Größen schwer zu überleben: die Traditionen und die Institutionen. Sie engen angeblich das Leben ein, blockieren Veränderungen und werden somit als lebensfeindlich eingeschätzt. Dies gilt erst recht für Lebensgrößen, die sowohl Tradition wie Institution sind, z.B. die Ehe, aber auch die Kirche. Sie gerät bei vielen zudem schon deshalb in Verruf, weil sie mit dem Anspruch auftritt, Wahrheit zu verkünden. In einer sich stets verändernden Gesellschaft aber ist für Verkünder der bleibenden Wahrheit kaum noch Platz: falls es solch eine Wahrheit überhaupt geben sollte, sei sie für uns Menschen mit unserem begrenzten Horizont ohnehin nicht wahrnehmbar. So wird der Glaube an Jesus Christus als der Weg, die Wahrheit und das Leben von immer weniger Menschen geteilt, der Glaube an die Gottheit Jesu Christi wird immer schwächer. Mit ihm verdunsten das christliche Glaubenswissen und die christliche Lebenspraxis, da ihre Vermittlung von den Eltern der 68er-Generation an ihre Kinder kaum noch erfolgte. Damit verflachte aber die theoretische und praktische Bindung an die Kirche auch immer mehr, Kirche wird immer weniger als Heimat erlebt, gerade weil viele Menschen, selbst Getaufte ihre Lehre, ihr Leben, ihre Bräuche und Symbole und ihre Gemeinschaft nicht mehr kennen, geschweige denn verstehen.

2. Die heutigen Jugendlichen sind religiöser als sie denken.
Nach Aussagen der Shell-Studie von 2002 engagieren sich immerhin 19% der Jugendlichen in der Kirche, vergleichsweise sind dies in Parteien nur

3. Wie viel Tausende Jugendlicher setzen sich in unserer Kirche als Messdiener ein, in der Jugendarbeit, in Jugendchören. Die Religiosität der Jugendlichen aber kommt auch zum Vorschein in ihren großen Hoffnungen und Sehnsüchten. Sie wollen nicht nur ein bisschen Frieden und ein bisschen Liebe, sondern suchen Leben in Fülle, theologisch gesprochen: ewiges Leben. Gerade in den Erwartungen an einen geliebten Menschen, an seine Treue und Verlässlichkeit, werden diese aneinander gestellten „himmlischen Erwartungen“ allzu deutlich. Schließlich positionieren sich heute immer mehr Jugendliche bewusst auch gegen den Standpunkt ihrer Eltern und Erzieher, für die die Religion immer mehr an Bedeutung verloren hat. Auf diesem Hintergrund wird der christliche Glaube von einer wachsenden Zahl von Jugendlichen, die nicht mehr in diesem Glauben aufgewachsen sind, zu einer interessanten Lebensalternative. Gianni Vattimo stellt in seinem Buch „Jenseits des Christentums“ wohl zu Recht fest: „Viele Anzeichen lassen darauf schließen, dass der Tod des Gottes der Philosophen das Terrain für eine wiedererwachte Vitalität der Religion bereitet hat.“ In der Uni Köln las ich vor kurzem den Graffiti-Spruch: „Gott ist tot“. Ein anderer hatte diesen Spruch weitergeführt: „… und lässt herzlich grüßen“. Ein Graffiti-Spruch, der einiges über die Religiosität heutiger junger Menschen aussagt.

„Der alte Mensch muss sterben“,
sagt Paulus (Rom 6,6)
doch wer stirbt schon gerne?

Diese gegebene Ausgangssituation heutiger Jugendlicher hat erhebliche Konsequenzen für die Jugendpastoral und das katechetische Bemühen um junge Menschen: es gibt die Offenheit für die christliche Botschaft, die meisten Jugendlichen aber müssen zum christlichen Glauben erst umkehren. Wir können weitgehend nicht mehr davon ausgehen, dass Jugendliche im christlichen Glauben verwurzelt sind und in ihm leben. Sie müssen sich auf einen Weg zum christlichen Glauben machen, auf diesen Weg geführt und auf ihm begleitet werden. Notwendig ist für sie ein Umkehrprozess zum christlichen Glauben hin und nicht mehr – wie in früheren Jahrzehnten – nur eine Bestätigung des christlichen Glaubens, in den sie hineingeboren und durch viele gesellschaftliche Kräfte hinein erzogen worden sind. Solch ein Umkehrprozess aber stellt, um ein Bild des Apostel Paulus aufzugreifen, einen Sterbeprozess dar: Der alte Mensch muss sterben, damit ein neuer aufersteht (vgl. Röm 6,6). Gegen solches Sterben und solches Umkehren wehrt sich die Trägheit im Menschen, der einen Hang dazu hat, nur Bestehendes festzuhalten. Erst recht kann dieser Umkehrprozess nur schwer gelingen, da er gegen starke gesellschaftliche Strömungen erfolgen muss, die diesen Weg zum Glauben oftmals be- und nicht selten verhindern.

Wie können wir als Kirche angesichts dieser Situation, den Weg der Jugendlichen zum Glauben an Jesus Christus ebnen und wie sie auf diesem Weg begleiten? Folgende Punkte scheinen mir für ein Gelingen dieses Weges unabdingbar zu sein:

Nicht nur Reifen ohne Profil
sind unnütz und gefährlich

I. Die Erfahrung einer profilierten Kirche

Wenn Jugendliche heute Christen werden, müssen sie einen zu ihrem bisherigen Leben oft alternativen Lebensweg einschlagen. Dazu brauchen sie ein Motiv, der neue Lebensweg muss so profiliert und attraktiv sein, dass der junge Mensch ihn überhaupt einzuschlagen wünscht. Von daher stellt sich an uns Christen und an die Kirche von heute die Frage, ob und wie klar und eindeutig wir in unserer Gesellschaft für den christlichen Glauben stehen. Die so genannte Kopftuchdiskussion hat wohl auch gezeigt, dass Christen Probleme haben mit Menschen, die ihre Glaubenshaltung selbstbewusster formulieren und entschiedener bezeugen als die meisten Christen es zu tun wagen. Wer redet im Kreis von Gleichgesinnten schon über seine persönliche Glaubensüberzeugung, allenfalls doch über die Kirche und den Ärger, den er mit ihr habe. Die gegenwärtige Glaubenssituation ist für uns eine große Herausforderung, neu zu versuchen, den christlichen Glauben so klar wie möglich zu leben und so eindeutig wie denkbar zu bezeugen. Das klarste Zeugnis für die Menschen sind wir Christen, insbesondere aber auch die kirchlichen Repräsentanten, die im Licht der Öffentlichkeit stehen. Der christliche Glaube wird in unserer Gesellschaft ferner dargestellt oder verdunkelt durch die Institutionen, die wir als Kirche führen: wird etwa in unseren Schulen oder Krankenhäusern ein spezifisch christlicher Charakter deutlich oder strahlt er nicht aus? Gerade in einer Mediengesellschaft wird der Glaube nicht zuletzt auch sichtbar in den Events und Großveranstaltungen, die wir als Kirchen in der Öffentlichkeit setzen. Schon jede Fronleichnamsprozession ist ein solch öffentliches Ereignis, aber auch unsere Katholikentage oder in der Öffentlichkeit begangene kirchliche Feste.

Der Weltjugendtag ist eine profilierte Veranstaltung. Er ist zweifelsohne ein spektakuläres Ereignis, in dem aber spezifisch kirchliches Profil deutlich wird. Wenn bis zu einer Million Jugendliche aus der ganzen Welt zusammenkommen, sich des Glaubens vergewissern und ein Fest des Glaubens feiern, wenn sie eben nicht ein kirchliches Woodstock begehen, sondern im Zentrum ihres Zusammenseins die Katechesen, die Gottesdienste, die Anbetung und das Sakrament der Versöhnung stehen, dann ist dies in unserer Gesellschaft ein unübersehbares Zeichen. Es wirkt vor allem, weil hier – für viele in unserer Gesellschaft völlig überraschend – junge Menschen zusammenkommen, die sich um das Weltjugendtagskreuz herum auf den Pilgerweg begeben. Die jüngsten Erfahrungen mit dem Weg des Weltjugendtagskreuzes durch Europa bezeugen dies eindrucksvoll. Schließlich gewinnt der Weltjugendtag wesentlich Profil durch die Persönlichkeit des Papstes, der gerade in seinem Alter und in seiner Gebrechlichkeit nicht nur für junge Menschen zusehends an Glaubwürdigkeit gewinnt.

Manche sagen:
„Fühlen Sie sich wie zu Hause!“
Und denken:
„Hoffentlich sind die bald zu Hause!“

II. Die Erfahrung einer einladenden und begleitenden Kirche

Nun reicht es aber nicht, um junge Menschen auf den Weg zu Christus zu führen, nur das Zeugnis eines profilierten Glaubens zu geben; die Kirche muss auch so einladend sein, dass junge Menschen wagen, den Weg zu ihr einzuschlagen und ihren Lebensweg weiter mit und in ihr zu gehen. Wir bemühen uns deshalb mit allen Kräften, dass der Weltjugendtag auch einladend ist für die Jugendlichen, die dem Glauben und der Kirche eher fern stehen oder die noch gar keine Berührung mit ihm bzw. ihr gefunden haben. Die Botschaft des Heiligen Vaters anlässlich des XX. Weltjugendtags 2005 in Köln richtet sich deshalb auch ausdrücklich an die jungen Menschen, die nicht getauft sind oder die sich nicht mit der Kirche identifizieren: „Habt nicht auch ihr Durst nach dem Absoluten, seid nicht auch ihr auf der Suche nach ‚Etwas’, was eurer Existenz einen Sinn gibt? Wendet euch Christus zu und ihr werdet nicht enttäuscht“.
Wir bemühen uns, den einladenden Charakter des Weltjugendtags immer wieder zur Geltung zu bringen:

• in seiner inhaltlichen Gestaltung: Das Leitwort des Weltjugendtags „Wir sind gekommen, um Ihn anzubeten“ (Mt 2,2) ruft die Erzählung von den Heiligen Drei Königen wach: In ihrem Weg, in ihrem Suchen, ihrem Fragen, in ihrer Neuorientierung und ihrer Umkehr und schließlich in ihrem Finden des überraschend gegenwärtigen Gottes können sich Jugendliche auf ihrem Lebens- und Glaubensweg wiederfinden. Es wird ein Spezifikum des Kölner Weltjugendtags sein, dass er als Pilgerweg gestaltet sein wird, nicht nur im Eröffnungs-Gottesdienst, beim Weg des Papstes durch Köln, beim Kreuzweg oder bei der festlichen Eucharistiefeier als Abschluss dieser Tage, sondern auch in der Domwallfahrt zum Schrein der Heiligen Drei Könige, die die Jugendlichen in diesen Tagen gehen werden.
• Die Formen, Symbole, Gesten und Darstellungen sollen so gewählt und gesetzt sein, dass sie auch kirchenferne Jugendliche verstehen können. So greifen wir etwa beim Eröffnungs-Gottesdienst am Rheinufer die Bilder des Wassers, und des Schiffs, und der Brücke auf und beim Schluss-Gottesdienst die Symbolik des Berges, der Wolke, des Lichtes, des Sterns und des Weges.
• Das Jugendfestival ist ein Versuch, über die verschiedensten Künste junge Menschen zur Nachdenklichkeit einzuladen.
• Es ist von hoher Bedeutung, dass die Tage des Weltjugendtags vom Geist der Gastfreundschaft geprägt sind. Deshalb ist es uns wichtig, Jugendliche vor allen Dingen in Familien während der Weltjugendtage unterzubringen und dort, wo sie in Hallen und Schulen oder Gemeindezentren übernachten, Gemeinschaften von Jugendlichen zu bilden, die an diesen Orten als Gastgeber wirken. Auch dass die Kirchen nachts geöffnet bleiben, ist Ausdruck einladender Gastfreundschaft genauso wie das Musikpicknick an einem der Nachmittage, an denen Jugendliche eingeladen werden, in kleinen Gruppen mit einheimischen Gastgebern und Gastgeberinnen Picknick zu halten und miteinander zu musizieren.
• Der einladende Charakter prägt auch die zahlreichen Gelegenheiten zur Beichte, zum persönlichen Gespräch und die Beratungsangebote. Gerade diese Formen der persönlichen Kommunikation sollen verdeutlichen, dass der Weltjugendtag mehr ist als eine Großveranstaltung, als die er im Bewusstsein vieler ausschließlich existiert.
• Wir sind froh, dass auch die Bundesregierung ein Zeichen der Einladung gesetzt hat, indem sie für die Teilnehmer des Weltjugendtags keine Visagebühren erhebt. Sehr wichtig sind uns auch die einladenden Angebote an die behinderten Jugendlichen, die während des Weltjugendtags nicht nur gut versorgt sein sollen, sondern eingeladen sind, aktiv diese Tage mit zu gestalten.

Der Himmel,
dass sind die anderen.

III. Die Erfahrung einer gemeinschaftsbildenden Kirche

Gerade junge Menschen brauchen auf dem Weg zum christlichen Glauben die Erfahrung der Gemeinschaft, in der sie Geborgenheit erfahren und Stabilität, aber auch Korrektur, die sie herausfordernd weiterbringt und weiterträgt. Der Weltjugendtag in Köln soll Raum geben für drei unterschiedliche Gruppenformen mit unterschiedlichen Wirkungsmöglichkeiten:

• Die Zusammenkünfte, bei denen sich Hunderttausende von Jugendlichen treffen und bei denen sie erfahren können, dass sie als christliche Jugendliche nicht wenige sind, dass sie nicht einer verlorenen Minderheit angehören, dass es in unserer Welt eine christliche Strömung gibt, in die sie sich hineingeben können. Bei einem Vorbereitungstreffen haben mich gerade Jugendliche aus Vietnam und aus islamisch geprägten Ländern auf diese für sie so wertvolle Erfahrung hingewiesen, die ja wohl auch zusehends für unsere deutschen Jugendlichen an Bedeutung gewinnt.

• Wir werden auf dem Weltjugendtag in den Katechesen besonders mit Gruppen zwischen 500 und 1000 Jugendlichen arbeiten, die sich wieder in Untergruppen aufteilen können. Die wichtige Erfahrung einer solchen Gemeinschaft hat uns auch bewogen, den Kreuzweg am Freitag des Weltjugendtags nicht als zentralen Groß-Gottesdienst zu gestalten, sondern diesen betrachtenden Gottesdienst in den Gemeinden des Erzbistums auf den Straßen unserer Pfarreien zu begehen.

• Junge Menschen brauchen die Erfahrung der kleinen Gemeinschaften, der Gesprächsgruppen, in denen auch ein persönlicher Austausch möglich ist. So werden wir in den Katechesen immer wieder kleinere Runden bilden, damit es in diesen Gruppen auch zu einem wirklichen Glaubensaustausch kommen kann. In der Vorbereitung auf den Weltjugendtag haben wir in den Gemeinden unseres Erzbistums zudem Kernteams gebildet, kleine Gruppen von Jugendlichen, die sich vor allem spirituell auf den Weltjugendtag vorbereiten, die aber auch die logistischen Vorbereitungen in ihren Gemeinden tragen, um dann während des Weltjugendtages gute Gastgeber sein zu können. Die Erfahrung dieser kleinen Gemeinschaften bezeichnen heute schon viele Seelsorger und Seelsorgerinnen, die diese Gruppen begleiten, als so intensiv und wertvoll, dass, wie ein Kaplan es ausdrückte, „sich der Weg zum Weltjugendtag schon gelohnt hätte, selbst wenn der Weltjugendtag nicht mehr stattfinden würde“. Durch solche intensiven Glaubensgruppen geschieht auch das, was die Kirche in unserer Gesellschaft zunehmend braucht, wenn sie nicht in profilloser Durchschnittlichkeit untergehen will: eine Begabtenförderung. Nicht mit dem Ziel einer quasi exklusiven Sektenbildung, sondern mit dem Ziel des Aufbaus von ausstrahlenden und anziehenden Kerngruppen, die die Identität der Kirche in einer pluralen Gesellschaft verkörpern.

Der Weltjugendtag wird – so Gott will – ein bewegendes, eindrucksvolles Ereignis. Aber er wird von seinem Ansatz her und wird es hoffentlich auch in seiner Durchführung etwas deutlich anderes sein als ein Event unserer Erlebnisgesellschaft:

• Seine Bewegung ist, wir spüren es Tag für Tag stärker, keine von uns gemachte Konstruktion, sondern von Gottes Geist getragen.
• Er ist nicht Teil einer Wohlfühlgesellschaft, vielmehr ist er ein Weg, der zu entschiedenen Anbindung Gottes führen will.
• Er ist nicht unverbindlich, sondern will in die Verbindung, in den Bund mit Gott in der Kirche führen.

Nach meinen bisherigen Erfahrungen kann ich uneingeschränkt bejahen, dass die Bewegung auf den Weltjugendtag hin gerade in unserer gesellschaftlichen, pastoralen und vor allem jugendpastoralen Situation eine enorme Herausforderung und Chance ist, eben eine große Gnade auf dem Weg zur Jugend und mit der Jugend zu Christus.

Prälat Dr. Heiner Koch, Generalsekretär des Weltjugendtages

 

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