Politische Erklärung des ZdK

aus Anlass der sechsten Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni 2004

Politische Erklärung des ZdKaus Anlass der sechsten Wahlen zum Europäischen Parlament am 13. Juni 2004

Am 13. Juni 2004, sechs Wochen nachdem zehn weitere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beigetreten sind, findet zum sechsten Mal eine Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments statt. Es ist ein besonderer Grund zur Dankbarkeit und zur Freude, wenn mit den diesjährigen Europa-Wahlen ca. 365 Millionen Menschen in 25 Ländern unseres Kontinents zur Wahrnehmung ihres Wahlrechts aufgerufen sind, um auf diese demokratische und friedliche Weise die Vereinigung Europas zu bestätigen.

Sowohl in den alten wie in den neuen Mitgliedsstaaten werden diese Wahlen aber nicht nur von Freude und Dankbarkeit bestimmt sein, denn mit der Erweiterung der Union um eine große Zahl von mittel- und osteuropäischen Ländern, die jahrzehntelang von Westeuropa abgetrennt und einer ganz anderen Entwicklung unterworfen waren, sind auch Ängste und Befürchtungen verbunden. Die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Auswirkungen und Herausforderungen sind außerordentlich groß.

Mit den Wahlen zum Europäischen Parlament haben die Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit, über die zukünftige Politik der Union mitzubestimmen. Zur Stärkung der demokratischen Legitimation des europäischen Gemeinwesens bedarf es eines starken Parlamentes, dem wichtige Aufgaben obliegen: es genehmigt und kontrolliert den Haushalt der Union, übt die demokratische Kontrolle über die Europäische Kommission sowie den Europäischen Ministerrat aus und wirkt bei der Gesetzgebung entscheidend mit. Die Bürgerinnen und Bürger übernehmen durch ihre Stimmabgabe Verantwortung für die Demokratie in Europa.

Die Europäische Union - eine Erfolgsgeschichte

Der in den letzten Jahrzehnten zurückgelegte Weg der europäischen Einigung ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Nach den schrecklichen Erfahrungen der beiden Weltkriege brachten ehemals tief verfeindete Völker die Kraft zur Versöhnung und zur Schaffung einer dauerhaften Friedensordnung auf. Diese Friedensordnung wuchs in einem Raum der politischen Freiheit, der den Menschen in einem bisher nicht gekannten Maß Sicherheit, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit brachte.

Seit der ersten Europa-Wahl im Jahre 1979 hat sich die Europäische Union grundlegend verändert. Sie ist nicht nur von sechs auf 25 Mitgliedsstaaten angewachsen, sondern sie hat sich zunehmend auch von einer Staaten-Union, als die sie auf der Grundlage eines Vertrages entstanden ist, zu einer Bürger-Union entwickelt, die sich bald auf eine Verfassung gründen kann. Das heißt: das politische System der Europäischen Union befindet sich im Übergang; es wurde zunächst von der Diplomatie und der Bürokratie geschaffen und gelenkt, jetzt entwickelt es sich zu einem Gemeinwesen, das nach den Regeln der Demokratie gestaltet wird.

Dieser Prozess ist seit langem im Gange. Er wurde schon in den Römischen Verträgen (1957) angelegt; die Direktwahl und die dadurch gestärkte Rolle des Europäischen Parlaments hat ihm einen wichtigen Schub gegeben.

Mit dem Vertrag von Maastricht (1992) hat die Demokratisierung der Union eine Beschleunigung erfahren: durch die Einführung der Unionsbürgerschaft, durch die Anerkennung der Subsidiarität als einem leitenden Prinzip der Integrationspolitik, durch die Anerkennung der Regionen als Akteure der Integration und die Einrichtung des Ausschusses der Regionen, durch die Ausweitung der parlamentarischen Mitbestimmung, durch die Einführung des Ziels der Währungsunion und insbesondere durch die Verpflichtung der Union und ihrer Mitgliedstaaten auf die "Grundsätze der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit".

Mit dem Vertrag von Amsterdam (1996) wurde diese Entwicklung fortgesetzt und mit der Einberufung und dem Tätigwerden des Konvents zur Erarbeitung der Charta der europäischen Grundrechte (2000) wurde ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung getan.

Mit dem Europäischen Konvent, der sich 2002/2003 mit der zukünftigen Gestaltung Europas befasst hat, ist schließlich ein entscheidender Durchbruch auf dem Wege zur Bürger-Union erzielt worden, auch wenn das Ergebnis seiner Arbeit, der Entwurf einer Verfassung, von den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedsstaaten noch nicht ratifiziert worden ist.

Für ein lebendiges europäisches Bewusstsein

In einem bislang nicht gekannten Ausmaß ist durch den Konvent europäische, transnationale Öffentlichkeit hergestellt worden. Das gemeinsame Nachdenken der politisch und zivilgesellschaftlich interessierten und engagierten Bürger Europas über die Zukunft der Union in den Parteien, Verbänden, Vereinigungen, Gewerkschaften und in der akademischen Welt schafft eine neue Dimension von Identitätsbewusstsein.

Auch das ZdK hat sich mit einer ausführlichen Stellungnahme ("Für eine wertgebundene europäische Verfassungsordnung" vom 22. November 2002) und wiederholten Wortmeldungen in diese Debatte eingebracht. Zudem hat das ZdK mit dazu beigetragen, ein Netzwerk von europäischen Partnerorganisationen aufzubauen, die als katholische Laien auf europapolitischer Ebene handlungsfähiger werden wollen. Ausgehend von dem deutsch-französischen "Manifest für ein europäisches Bewusstsein" vom Mai 2000 entstand eine Entwicklung, die in dem großen Treffen vom 24. - 26. September 2004 in Lille einen vorläufigen Höhepunkt finden wird. Damit beteiligen sich katholische Laien Europas an der Herausarbeitung eines europäischen Wir-Gefühls, ohne das es keine überzeugten Europäer und in der Folge keine handlungsfähige Europäische Union geben wird. Dabei vollzieht sich dieser Einsatz in dem Bewusstsein um die gemeinsame Geschichte Europas. Europa ist nicht primär ein Markt, sondern eine geistig-kulturelle Größe. Und die Integration neuer Mitgliedsstaaten und ihrer Völker in die Europäische Union ist nicht nur eine wirtschaftliche und politische, sondern in hohem Maße eine kulturelle Aufgabe. Dieses Bewusstsein gilt es stets gegenwärtig zu halten, da es Voraussetzung für die Vertiefung des Einigungsprozesses ist.

Die Entwicklung der Union bleibt gefährdet

Trotz dieser positiven Entwicklung des politischen und institutionellen Systems der Europäischen Union sind im Laufe der Jahre und auch wieder in jüngster Zeit ernste Krisen zu Tage getreten. So geht nach wie vor von einem Mangel an Zustimmung durch die Bürgerinnen und Bürger eine Gefährdung des Einigungsprojektes aus, die von gewissen Tendenzen zur Zentralisierung und Bürokratisierung gefördert wird.

Im Zusammenhang mit der von den Vereinigten Staaten propagierten Irak-Politik mussten wir eine Zwietracht unter den Regierungen der Mitgliedsstaaten erleben, die viel Vertrauen zerstört hat. Auch der Streit um die regelgerechte Anwendung des wirtschafts- und währungspolitischen Stabilitätspaktes und die Kommunikationsschwierigkeiten, die zum Scheitern des Brüsseler Gipfels im Dezember 2003 geführt und die Verabschiedung des Verfassungsentwurfs zunächst verhindert haben, gehören nicht zu den Ruhmesblättern der Geschichte der Europäischen Union. Deshalb müssen jetzt die Anstrengungen verstärkt werden, um im gegenseitigen Gespräch das Gewicht der Geschichte und den Sinn der gewachsenen Unterschiede besser zu verstehen. Das Gespräch und die partnerschaftliche Praxis der gemeinsamen Beratung und Abstimmung sind unverzichtbar für eine abgestimmte Außenpolitik ebenso wie für die gemeinschaftliche Aktion in den verschiedenen anderen Politikfeldern.

Ebenso wichtig ist allerdings, dass jetzt durch eine transparente, demokratische und föderale Verfassungsordnung die institutionellen und prozeduralen Bedingungen sowie die rechtlichen Garantien für den ständigen, fairen Dialog unter Gleichberechtigten geschaffen und gesichert werden.

Die Europäische Union braucht eine Verfassung

Der Entwurf für eine europäische Verfassung, den der Konvent im Sommer 2003 vorgelegt hat, erfüllt wesentliche Forderungen der ZdK-Erklärung vom November 2002.

Besonders erfreulich und bedeutsam ist, dass der Konvent der Forderung nach einer wertgebundenen Verfassung entsprochen hat, indem er die Europäische Union und ihre Institutionen auf die Werte der Menschenwürde, der Freiheit, der Demokratie, der Gleichheit, der Solidarität, des Pluralismus, der Toleranz, der Gerechtigkeit, des Rechtsstaats und der Menschrechte verpflichtet.

Durch die Übernahme der Charta der Grundrechte in den Verfassungstext werden darüber hinaus die wichtigsten Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger der Union rechtsverbindlich festgelegt und gesichert.

Auch für die Sicherung des Respekts vor dem Prinzip der Subsidiarität macht der Europäische Konvent in seinem Entwurf geeignete Vorschläge, indem er eine Kompetenzordnung einführt, die es ermöglicht, die Verantwortlichkeiten für die Gesetzgebung den verschiedenen Gestaltungsebenen besser zuzuordnen und Vermischungen zu vermeiden.

Ebenso positiv zu bewerten sind die Dispositionen, die garantieren sollen, dass die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Europäischen Union und ihrer Institutionen den Anforderungen des europäischen Gesellschaftsmodells - das heißt: der Sozialen Marktwirtschaft - entspricht.

Mit der Anerkennung des spezifischen Beitrags der Kirchen und Glaubensgemeinschaften durch die Verfassung und mit dem in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen offenen und regelmäßigen Dialog der Europäischen Union mit den Kirchen und Glaubensgemeinschaften wurde eine wichtige Forderung des ZdK erfüllt.

Der Verfassungsentwurf eröffnet außerdem in mehrfacher Hinsicht interessante Perspektiven für die Entwicklung der europäischen Demokratie und damit für den Status der Unionsbürger und ihrer Rechte im politischen System der Union; er gibt dem Willen Ausdruck, das politische System der Union zu demokratisieren, indem er die Bürgerinnen und Bürger als Mitwirkende und Mitgestalter einbezieht.

Die Bedeutung des jüdisch-christlichen Erbes und eines expliziten Gottesbezug

Trotz der insgesamt positiven Bilanz und der Freude darüber, dass bedeutende Fortschritte bei der Ausgestaltung einer wertgebundenen, demokratischen und föderalen europäischen Verfassungsordnung vorgezeichnet werden konnten, die weitgehend den Forderungen und Vorschlägen des ZdK entsprechen, wird der Verfassungsentwurf einem zentralen Anliegen der deutschen Katholiken noch nicht gerecht.

Deshalb fordert das ZdK von den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten, die in dieser Sache das letzte Wort haben, im Vorfeld der Entscheidung über die Verfassung und anlässlich der Europa-Wahl 2004 eine geeignete Initiative: Sie sollte darauf zielen, in der Präambel im Zusammenhang mit dem Bekenntnis zum "kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe" die jüdische und christliche Prägung Europas ausdrücklich zu erwähnen und einen expliziten Gottesbezug vorzusehen. Denn die Europäer müssen im Wissen um die Einigung Europas als ethisches Projekt ihrer Verantwortung für die Beachtung und Förderung der der Union zugrunde liegenden Werte gerecht werden: vor ihrem eigenen Gewissen, vor den Menschen und - sofern sie an Gott glauben - vor Gott. Eine entsprechende Formulierung darf niemanden ausschließen und sie darf Gott nicht für politische Zwecke vereinnahmen. Die in der polnischen Verfassung gefundene Formulierung bietet dafür nach wie vor eine bedenkenswerte Anregung.

Wir bedauern darüber hinaus, dass es nicht gelungen ist, den Schutz von Ehe und Familie explizit in der europäischen Verfassung zu verankern. Deshalb kommt es jetzt darauf an, den durch die Grundrechtcharta vorgegebenen Rahmen mit Hilfe konkreter Politik so auszufüllen, dass sich positive Wirkungen für Ehe und Familie ergeben.

Forderungen an die zur Wahl stehenden Kandidatinnen und Kandidaten

Die Kandidatinnen und Kandidaten sowie die Parteien, die zur Europa- Wahl antreten, müssen sich ihrer Verantwortung für die Gestaltung des Prozesses der europäischen Einigung bewusst sein und ihr politisches Handeln an dieser Verantwortung ausrichten. Sie sollten sich für die Aufnahme eines Hinweises auf die jüdische und christliche Prägung Europas und eines Bezugs auf Gott in die Präambel und für eine zügige Verabschiedung des Verfassungsvertrages einsetzen.

Die Wertepräferenzen der zukünftigen Verfassungsordnung mit Leben erfüllen

Von den zukünftigen Mitgliedern des Europäischen Parlamentes erwarten wir, dass sie sich bei der Mitgestaltung der Politiken an den Werten und Prinzipien orientieren, die dem vorgelegten europäischen Verfassungsentwurf zugrunde liegen. Diese Werte und Prinzipien müssen - obwohl das Inkrafttreten des Verfassungsvertrages nach seiner Verabschiedung durch die Regierungskonferenz und seine Ratifizierung durch die Mitgliedsstaaten erst für das Jahr 2009 vorgesehen ist - ab sofort den festen Bezugsrahmen für die notwendigen öffentlichen Diskussionen und politischen Entscheidungen im Rahmen der Union bilden. Das gilt sowohl für die Verbote der Selektion menschlichen Lebens, der sogenannten verbrauchenden Embryonenforschung, der Folter, der Todesstrafe und der Vertreibung als auch für den Schutz vor Gewalt und Menschenhandel. Bei den Grundfragen des Lebensschutzes darf die europäische Politik die nationalen Werteordnungen nicht aushöhlen oder nivellieren.

Für eine EU-Familienstrategie

Von den zukünftigen Mitgliedern des Europäischen Parlaments erwarten wir ebenso, dass sie sich für ein familienfreundliches Europa einsetzen. Mit Fragen der Kinderbetreuung und der Altenpflege befasst sich die EU-Politik nur aus instrumentellen Gründen. Sozialpolitische Maßnahmen in diesem Bereich dienen vornehmlich dazu, das vollständige individualisierte Modell des erwachsenen Erwerbstätigen verwirklichen zu können. Damit wird aber die Bedeutung des Schutzes von Ehe und Familie ebenso wie die Komplexität des Themenfeldes fürsorglich-pflegerischer Tätigkeiten verfehlt.

Eine europäische Familienstrategie ist wünschenswert. Dabei sollen die zu Recht im wesentlichen national ausgerichteten und auszurichtenden Familienpolitiken nicht durch die EU ersetzt werden, wohl aber ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass viele Gesetze und Programme auf der EU-Ebene sehr wohl eindeutige, wenn auch oft indirekte Auswirkungen auf die Situation von Ehen und Familien haben. Die Regierungschefs der EU haben sich auf ihrem Gipfel in Lissabon im Jahr 2000 auf eine Strategie geeinigt, deren Ziel es ist, die EU bis zum Jahr 2010 zur wirtschaftlich stärksten Region der Welt zu machen. Ziel einer europäischen Familienstrategie sollte es sein, in Ergänzung der sog. Lissabonstrategie die EU bis 2010 zu der Weltregion zu machen, in der die günstigsten Rahmenbedingungen für das Gelingen stabiler Beziehungen in Partnerschaft und Familie bestehen. (Vgl. hierzu die Erklärung des Sekretariates der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft "EU-Familienstrategie" vom 16. März 2004.)

Europapolitik muss Friedenspolitik sein

Die Anstrengungen für eine gemeinsame Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union müssen verstärkt werden. Ein Festhalten an nationalen Außenpolitiken kann dabei nicht der Weg sein. Vielmehr muss Europa eine eigenständigere friedenspolitische Rolle übernehmen. Die Friedenspolitik muss dabei in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Vereinten Nationen die gemeinsamen Ziele der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Union verfolgen, ihre fundamentalen Interessen vertreten sowie ihre Unabhängigkeit und Integrität schützen. Ferner muss sie zur internationalen Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft und zur Schaffung einer auf Gerechtigkeit basierenden friedlichen Weltordnung beitragen. Die künftigen Mitglieder des Europäischen Parlaments müssen sich dafür einsetzen, dass die zur Umsetzung dieser gemeinsamen Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik erforderlichen Instrumente auch zur Verfügung gestellt werden. Dazu zählt auch ein Werben für diese Politik bei den Bürgerinnen und Bürgern der europäischen Gesellschaften, denn diese sind auf die friedens- und sicherheitspolitischen Herausforderungen der letzten Jahre - von den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan über die Krisen in Afghanistan und Irak bis hin zu den terroristischen Bedrohungen - offensichtlich nicht ausreichend vorbereitet.

Einer Änderung bedürfen die Genehmigungsverfahren der Rüstungsexporte aus der Europäischen Union. Denn oft zerstören unkontrolliert aus der Europäischen Union in Krisengebiete exportierte Waffen jedwede Friedenshoffnung, da sie regionalen Warlords als Mittel dienen, um das staatliche Gewaltmonopol zu unterlaufen bzw. anarchische Verhältnisse zu erhalten.

Europas Verantwortung für mehr Gerechtigkeit in der Einen Welt

Das Selbstverständnis der Europäischen Union als politisches Projekt mit ethischen Implikationen muss auch die Verantwortung für mehr Gerechtigkeit in der Einen Welt umfassen. Im Einsatz für eine Verbesserung der Stabilität der Finanzmärkte und in der Entwicklungszusammenarbeit fordern wir von den zukünftigen Mitgliedern des Europäischen Parlaments entsprechende Initiativen.

Zur konstruktiven Gestaltung der Globalisierung gehören verlässliche Rahmenbedingungen der internationalen Finanzmärkte. Dabei ist in den letzten Jahren die Einsicht gewachsen, dass sich Regeln für die internationalen Finanzströme nicht mehr auf nationaler Ebene vereinbaren und durchsetzen lassen. Deshalb ist eine Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit auf diesem für die internationale Gerechtigkeit bedeutsamen Politikfeld erforderlich. Die Institutionen der Europäischen Union müssen ihre Verantwortung für die Schaffung von Regeln wahrnehmen, damit die Verbesserung der Stabilität der Finanzmärkte gelingt. Hierzu gehört ein einheitlicheres Auftreten Europas in den internationalen Organisationen mit dem Ziel, bei der Beratung von Schwellen- und Entwicklungsländern in Finanzmarktfragen mehr Gewicht zu haben. (Vgl. hierzu die ZdK-Erklärung "Internationale Finanzmärkte - Gerechtigkeit braucht Regeln" vom 09. Mai 2003).

In den Zuständigkeitsbereichen der Europäischen Union für die Entwicklungspolitik bedarf es einer stärkeren Orientierung auf die Armutsbekämpfung. Die Europäische Union muss einen substantiellen Beitrag leisten, damit das Milleniumsziel - Halbierung der extremen Armut bis zum Jahr 2015 - tatsächlich erreicht werden kann.

Europas Einsatz für faire Handelsbedingungen

Der Agrarhaushalt ist der größte Einzelposten innerhalb des Haushaltes der Europäischen Union. Allein deshalb bedarf er besonderer Aufmerksamkeit und demokratischer Kontrolle. Die Vergabe der Agrarmittel hat unübersehbare Auswirkungen auf die internationale Gerechtigkeit.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat in seiner Erklärung "Agrarpolitik muss wieder Teil der Gesellschaftspolitik werden" für eine konsequente Neuausrichtung der Agrarpolitik gerade auch in Europa plädiert. Viele Entwicklungsländer fordern einen besseren Zugang für ihre landwirtschaftlichen Produkte zu den weltweiten Märkten. Die EU importiert inzwischen mehr aus Entwicklungsländern als die anderen Industrieländer zusammen. Dennoch werden auch weiterhin mit Hilfe von Importzöllen die europäischen Märkte geschützt. Zugleich exportiert auch die EU ihre landwirtschaftlichen Überschüsse - verbilligt durch Exportsubventionen und andere Unterstützungsleistungen - auf den Weltmarkt. Dadurch entsteht ein extrem unfairer Wettbewerb mit Bauern aus Entwicklungsländern. Nicht selten wird auch die Nahrungsmittelerzeugung in diesen Ländern durch die billigen Importe untergraben. Diesen unfairen "Verdrängungswettbewerb" zu beseitigen sowie die Verpflichtung auf eine gerechtere Handelspolitik müssen als Ziele der europäischen Politik stärker verfolgt werden. Eine tatkräftige Unterstützung hierfür erwarten wir von den zukünftigen Mitgliedern des Europäischen Parlaments.

Wahlbeteiligung ist Bürgerpflicht

Vor dem Hintergrund der Entwicklung zu einer Union der Bürger, die sich in Zukunft auf eine demokratische und föderale Verfassung stützen soll, in der die Rolle des Europäischen Parlaments für die Gestaltung der Politik entscheidend sein wird, ruft das ZdK die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu einer bewussten Beteiligung an den im Rahmen der Wahlkampagne von den Parteien, Bildungseinrichtungen und Verbänden organisierten Veranstaltungen und Gesprächen und an der Europa-Wahl selbst auf, um dadurch auch den Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf Teilhabe und Mitwirkung am europäischen Einigungswerk zu bekräftigen.

 

Beschlossen vom Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken am 7. Mai 2004

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