Rahmenbedingungen für das Gelingen stabiler Partnerschaften in Ehe und Familie verbessern (Erklärungstext)
Erklärung der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) am 03./04. Mai
Anmerkungen zu rechtlichem und politischem Handlungsbedarf
1. Partnerschaft - Rückgrat des Lebens in der Familie
(1) Umfragen und Untersuchungen bestätigen: Junge wie alte Menschen messen Familie und Ehe einen hohen Stellenwert für die eigene Lebensgestaltung bei. Den hier erlebten verlässlichen Beziehungen kommt für das Wohlbefinden und die Lebensenergien der Menschen größte Bedeutung zu. Bindungsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft wachsen aus der Erfahrung verlässlicher Beziehungen in der Familie.
Familie ist geprägt vom Koordinatenkreuz von Partnerschaftsbeziehung und Generationenbeziehung, Familien brauchen verlässliche Partnerschaftsbeziehungen. Die Entscheidung für ein Kind hängt unverändert von der Stabilität der Partnerschaft der Eltern ab, von der emotionalen Tiefe der Beziehung und der Verlässlichkeit des Arrangements, das die Paare über ihre Zukunft haben treffen können. Elterliche Partnerschaftsbeziehungen bilden das Rückgrat des Lebens in einer Familie. Ob Familien die schwierigen Herausforderungen in Kindererziehung und selbstbestimmter Lebensführung der Erwachsenen, in Beruf und Privatsphäre bewältigen können oder nicht, hängt wesentlich von der konkreten Beziehungskultur dieser Partnerschaften ab.
Es wird nun allerdings das Gelingen der Partnerschaftsbeziehung als höchstpersönliche Gestaltungsaufgabe der Paare von Gesellschaft und Politik oft schlicht vorausgesetzt. Faktoren, die eine Partnerschaft destabilisieren, werden nicht beseitigt, Bedingungen, die eine Partnerschaft stützen, zu wenig gefördert. Männer und Frauen brauchen aber ein günstiges kulturelles Klima und unterstützende Rahmenbedingungen, um ihre Vorstellungen von gelingender Partnerschaft verwirklichen zu können.
Die Zukunft der Familie wird sich an zwei Punkten entscheiden.
- Die Folgen der Übernahme von Elternverantwortung müssen durch arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen gerecht gestaltet werden.
- Partnerschaft muss auf der Basis der Gleichberechtigung von Männern und Frauen rechtlich und sozialpolitisch abgesichert werden.
(2) Letzterem Anliegen soll hier - unbeschadet der Bedeutung der Frage der Generationenverantwortung, der das Zentralkomitee der deutschen Katholiken nachhaltige Aufmerksamkeit schenkt, und unbeschadet der Aufgabenvielfalt, die das gesellschaftliche Querschnittsthema Familie stellt - besondere Beachtung zukommen.
Wir beobachten mit Sorge, dass die Stützung und Förderung partnerschaftlicher Lebensbeziehungen junger (Ehe-)Paare in der Familienpolitik immer weniger für notwendig gehalten wird. Dies zeigt sich insbesondere dort, wo gefordert wird, „ehebezogene" Leistungen (z.B. das Ehegattensplitting) zugunsten „familienbezogener Leistungen" zurück zu fahren. Damit wird ein Gegensatz konstruiert wird, der das Beziehungssystem Familie künstlich zerschneidet und der dazu führt, dass zwischen Familien anstatt zugunsten von Familien umverteilt wird.
2. Partnerschaftlich leben - Familien vor neuen Herausforderungen
(1) Familienleben vollzieht sich in vielfältigen Formen: Ehepaare und unverheiratete Paare mit leiblichen Kindern, Familien mit Adoptiv- und Pflegekindern, Einelternfamilien, Stieffamilien, Erwachsene mit ihren „alten" Eltern. Diese Vielfalt gilt es wahrzunehmen. Sie drückt die Unterschiedlichkeit individueller Lebensentwürfe und persönlicher Lebensgestaltung in einer pluralen Gesellschaft aus, auch wenn einige Konstellationen Ergebnis unerfüllter Lebenspläne sein können, wie z. B. bei Paaren, deren Kinderwunsch sich nicht erfüllt.
Viele Familien stehen unter einem erheblichen Druck. An sie richten sich hohe Erwartungen, ausgesprochene wie unausgesprochene, aus vielen Bereichen unserer Gesellschaft und von den Familienangehörigen selbst. Zudem sind die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen häufig denkbar ungünstig: Kinder aufzuziehen ist für viele Familien, insbesondere allein Erziehende und kinderreiche Familien das Armutsrisiko; die Wohnsituation vieler größerer Familien ist angespannt; bei der Pflege alter und kranker Menschen sind Ehepartner und Familienangehörige immer mehr gefordert; die Vorgaben der Arbeitswelt machen es schwer, Familie und Erwerbsarbeit in Einklang zu bringen.
(2) Auch Partnerschaften stehen unter Druck. Das Lebensglück vieler Paare darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass äußere wie innere Faktoren und Erwartungshaltungen gelingende Partnerschaften gefährden. Dazu zählen lebensfremde Idealisierungen von Liebe und leistungsorientierte Kommerzialisierung von Sexualität durch die Medien ebenso wie der Rückfall in Rollenmuster, die gerade für junge Väter zu Spannungen zwischen Vorstellungen von Partnerschaftlichkeit und Gleichberechtigung einerseits und der Wahrnehmung der Ernähreraufgabe andererseits führen können.
Es ist alarmierend, dass Paarbeziehungen häufig gerade dann zerbrechen, wenn mit der Geburt des ersten Kindes ein oft langgehegter Lebenswunsch in Erfüllung geht. Damit verbindet sich für das Paar die meist größte Veränderung seiner Partnerschaft. Mussten bisher lediglich die eigenen sowie die gemeinsamen Interessen der Partner koordiniert werden, so geht es nun darum, die unterschiedlichen Wünsche und Bedürfnisse von drei Personen zu berücksichtigen. Auf der Partnerschaftsebene heißt es, die Beziehung von Mann und Frau zu gestalten. Auf der Elternebene wird mehr oder weniger offen ausgetauscht, welche Vorstellungen und Vor-Bilder jeder darüber mitbringt, wie sich ein guter Vater, eine gute Mutter verhält. Zu entscheiden ist auch, wie und zu wessen Lasten die Balance zwischen Leben und Arbeiten in der Familie neu austariert wird.
3. Ehe - besonderer Schutz der Partnerschaft in der staatlichen Ordnung
(1) Die Gestaltung der Partnerschaft ist ebenso eine höchstpersönliche Aufgabe wie die Entscheidung für Kinder und deren Erziehung. Dennoch: Das Gelingen der Partnerschaft wie die Bewältigung der Erziehungsaufgabe hängen nicht allein von den Familienmitgliedern selbst, sondern auch von begünstigenden oder erschwerenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ab.
Das Grundgesetz formuliert in Art. 6 den Doppelauftrag: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Über die Gewährung eines Freiheitsraumes hinaus, der es den Menschen ermöglicht, Bindungen in eigener Entscheidungsfreiheit einzugehen, ist positiv die staatliche Ordnung so zu gestalten, dass sie für Partnerschafts- und Generationenbeziehungen in Ehe und Familie günstige Rahmenbedingungen schafft. Dabei darf nicht eines der beiden Schutzgüter zugunsten des anderen benachteiligt werden.
Das Grundgesetz schützt die Ehe um ihrer Funktionen willen. Es gewährleistet Ehe als freiheitliche Lebens- und Liebes-, Wirtschafts- und Verantwortungsgemeinschaft, die in Europa kulturell vom Christentum mit geprägt wurde. Sie ist rechtlicher Rahmen einer dauerhaften Achtung und Sorge der Partner füreinander. Die Ehe ist als umfassende, grundsätzlich lebenslange Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau eine Sozialstruktur, die Menschen „in guten und schlechten Tagen" verbindet und damit destabilisierende Wirkungen von biographischen Krisen abfedert. Lebensgemeinschaft in Partnerschaft und Familie verlangt nach Verlässlichkeit und Beständigkeit, auch wirtschaftlicher Absicherung. Das Angebot eines institutionellen Rahmens mit definierten Rechtsfolgen entlastet die Partner und die Gesellschaft. Darin liegen Sinn und Wert der Institution Ehe.
(2) Politik hat dafür Sorge zu tragen, dass das rechtliche Gefüge, das die Ehe regelt, der Stabilität der Beziehung dient und von den Heiratswilligen verstanden und akzeptiert werden kann.
Eherecht, Ehevertragsrecht und die relevanten Parallelregelungen müssen dem doppelten Verfassungsauftrag von Art. 6 Abs. 1(besonderer Schutz von Ehe und Familie) und Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz (Gleichberechtigung von Mann und Frau) genügen. Verfassungsrechtlich geschützt ist die Ehe, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen; dies bestätigen nachdrücklich die beiden jüngsten Ent-scheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 6.2.2001 (1 BvR 12/92 zur gerichtlichen Kontrolle des Inhalts ehevertraglicher Abreden) und vom 5.2.2002 (1 BvR 105/95 zum nachehelichen Unterhalt).
Wer sich für die Rechtsform und den besonderen Schutz der Ehe zur Gestaltung seiner Partnerschaft entscheidet, ist in der vertraglichen Ausgestaltung der Beziehung gebunden, insbesondere dort, wo die Rechte Dritter betroffen sind oder sich weitere Rechtsfolgen an den Tatbestand des Verheiratetseins knüpfen.
4. Voraussetzungen für das Gelingen verlässlicher Beziehungen schaffen
(1) Wie Männer und Frauen, Eltern und Kinder ihr Familienleben gestalten können, hängt in vielfältiger Weise von persönlichen Prägungen und gesellschaftlichen Voraussetzungen ab. Eine partnerschaftliche Gestaltung von Ehe und Familie setzt bestimmte Haltungen voraus: Achtung, Respekt, Wahrung gegenseitiger Freiheit, Fairness, Zuverlässigkeit, wechselseitige Anerkennung der jeweiligen personalen Entwicklung, Verantwortungsbereitschaft füreinander, Verzicht, Kompromissfähigkeit, Toleranz, Solidarität und Rücksichtnahme. Diese Werte stehen häufig im Konflikt mit dominierenden gesellschaftlichen Spielregeln und Werthaltungen. Verlässliche Beziehungen und Bindungen in Ehe und Familie werden sich nur insoweit entfalten können, wie die Gesellschaft zum Erhalt der entsprechenden Wertgrundlagen beiträgt.
(2) Bindungsfähigkeit wächst in der Erfahrung verlässlicher Beziehungen in der Familie. Beziehungsfähigkeit zeichnet sich dadurch aus, miteinander Probleme besprechen und Lösungen aushandeln zu können. Die Stärkung der Beziehungskompetenz kann dazu beitragen, sowohl die Partnerschafts- als auch die Generationenachse der Familie im Sinne von Erziehungskompetenz nachhaltig zu stützen. Angebote der Familienbildung, der Ehe- und Familienberatung stellen daher unverzichtbare Hilfen dar, die die Partner und die Familien ermutigen, neu miteinander ins Gespräch zu kommen.
(3) Erziehung ist eine Aufgabe für Mütter und Väter. Das Grundgesetz nimmt die Eltern vorrangig in die Pflicht (Art. 6 Abs. 2 Grundgesetz). Erziehungskompetenz kann aber nicht allein durch Kopie vorgefundener Vorbilder erworben werden. Grundkompetenzen der Alltagsbewältigung in Familien neu zu vermitteln, ist ebenso notwendig wie ein ausreichendes pädagogisch-psychologisches Grundwissen. Für Mütter und Väter gilt es, Voraussetzungen für wirkliche Wahl- und Gestaltungsfreiheit im Hinblick auf Erwerbsarbeit und Erziehungsaufgaben zu schaffen.
(4) Familienbildung und familienergänzender Betreuung kommen für die Zukunft unserer Gesellschaft eine wichtige Aufgabe zu. Qualitativ hochwertige, für alle zugängliche Kindertageseinrichtungen bieten nicht nur für Kinder eine wichtige pädagogische Ergänzung des Lernens in der Familie, sondern auch unkomplizierte Kontakt- und Ratgeberfunktion für Eltern in vielen Fragen. Wichtig ist, dass Familienbildung und Kindertageseinrichtungen personell und finanziell so ausgestattet werden, dass sie eine qualitativ hochwertige Arbeit verlässlich anbieten, Beziehungsprozesse initiieren und begleiten und die Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe wirksam unterstützen können. Dies ist in der heutigen Zeit der geheimen Miterzieher und der Pluralität der Werte dringend geboten.
(5) Die für Partnerschaften lebenswichtige Balance von Erwerbsarbeit und Familie zu finden, stellt angesichts der Eigengesetzlichkeiten der globalisierten Informationsgesellschaft und der wettbewerblich organisierten Weltwirtschaft heute eine dauerhafte Herausforderung dar. Es ist an der Zeit, bei der Organisation des Erwerbslebens die Bedürfnisse der Familien, der Paare ebenso wie der Kinder, auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Betriebe stärker in den Blick zu nehmen. Neben verbesserten Kinderbetreuungsangeboten sind die zeitlichen und räumlichen Erfordernisse der Lebens- und Arbeitswelten vorausschauend aufeinander abzustimmen. Flexible Gestaltung von Tages- und Lebensarbeitszeit kann für Frauen und Männer die partnerschaftliche Teilhabe beider Eltern an der Erziehung fördern und ihnen helfen, für die Partnerschaftsbeziehung verlässliche Rahmenstrukturen zu entwickeln.
Verbesserte Wiedereinstiegsmöglichkeiten nach einer Phase der Erwerbsunterbrechung können belastende Gefühle der ökonomischen Abhängigkeit und der wirtschaftlichen Enge abbauen und so die Partnerschaft stärken. Fortbildungen und Maßnahmen der Urlaubsvertretung können die Risiken einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit mindern und sind als Angebote für Elternzeiten flächendeckend auszubauen. So können auch die mit der Entscheidung über die Arbeitsteilung möglicherweise verbundenen innerfamiliären Machtverschiebungen abgemildert werden.
(6) Für alle Paare gilt: Finanzielle Sorgen belasten Partnerschafts- und Generationenbeziehungen und gefährden ihre Stabilität. Ist die Einkommensposition der Familie durch einen Verdienst allein nicht ausreichend gesichert, schrumpfen für viele Paare die Gestaltungsfreiheit und der Spielraum der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf eine einzige Handlungsalternative zusammen. Familienförderung und Armutsprophylaxe sind wichtige politische Aufgaben, um Familien in ihrer Beziehungs- und Erziehungsaufgabe nachhaltig zu entlasten.
(7) Besondere Unterstützung brauchen Familien mit behinderten Kindern. Eltern behinderter Kinder stehen vor der Herausforderung, ihre Be- und Erziehungsaufgaben unter außerordentlichen Belastungen bewältigen zu müssen. Es kann die Partnerschaft der Eltern durch die Geburt eines kranken Kindes ernstlich gefährdet werden. Nicht jede Beziehung ist zu jedem Zeitpunkt der Herausforderung eines Lebens mit einer Behinderung oder mit einem behinderten Menschen gewachsen. Die Erklärung des Hauptausschusses des ZdK "Mit Behinderung leben: Familiennetze stärken" vom 25.1.2002 hat ausführlich beschrieben, welche Anstrengungen von Kirche, Politik und Gesellschaft unternommen werden müssen, um diesen Familien adäquate Rahmenbedingungen zu sichern.
(8) Unterstützende Angebote der Familienbildung und -beratung sind insbesondere für Migrantenfamilien von besonderer Bedeutung, denn für sie ergeben sich nicht selten Spannungen, weil in der neuen Heimat die kulturellen, religiösen und rechtlichen Bestimmungsfaktoren der Institutionen Ehe und Familie untereinander nicht in Einklang stehen. Oft sind Migranten ihre Ehe unter anderen Voraussetzungen und in anderer Vorstellung von der Paarbeziehung eingegangen, sie haben andere Vorstellungen vom Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern und umgekehrt, als sie es im deutschen Alltag erleben. Für die erfolgreiche Integration ist es wichtig, diese Spannungen auszugleichen. Für das Gelingen von Partnerschafts- und Generationenbeziehungen der Migrantenfamilien kann eine länger dauernde Trennung der Familie eine besondere Belastung darstellen. Insofern ist die gemeinsame Einreise der gesamten Migrantenfamilie äußerst wichtig und wünschenswert; ein rascher Nachzug der Ehepartner und der Kinder sollte aktiv gefördert werden.
(9) Der Kirche stellt sich die Herausforderung, ihr Angebot zur Begleitung von Ehe und Familie weiter zu entwickeln. Dies gilt insbesondere auch für die Vorbereitungskurse auf Ehe und Partnerschaft. Die Zahl der kirchlichen Trauungen hat sich von 1990 bis heute fast halbiert, womit der Anteil der katholischen Trauungen an zivilen Eheschließungen mit mindestens einem katholischen Partner von drei Viertel im Jahre 1960 kontinuierlich auf ein Drittel heute gesunken ist. Diese Entwicklung ist besonders bedauerlich, enthält doch die Vertiefung der Ehe im Sakrament eine ermutigende Zusage. Paare dürfen sich im Vertrauen auf Gott von einer größeren Zuversicht getragen wissen, die vielen Herausforderungen an gelingende Partnerschaft gemeinsam meistern zu können. Unverzichtbarer Beitrag der Kirche zur Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für Partnerschaften in Familien ist es, ihre Ehepastoral in den Dienst einer partnerschaftlichen Beziehungskultur zu stellen. Dazu kann sie auf das II. Vatikanische Konzil, die Würzburger Synode und das kirchliche Gesetzbuch (CIC 1983) zurückgreifen.
5. Eherecht und Partnerschaftlichkeit - Notwendige Reformen
(1) In Zeiten dynamischen gesellschaftlichen Wandels ist auch das Ehe- und Familienrecht immer wieder neu darauf hin zu überprüfen, ob es noch den adäquaten rechtlichen Rahmen sichert, der das partnerschaftliche Miteinander von Mann und Frau schützt und stärkt. Dazu gehört auch eine Synchronisation der angrenzenden Rechtsmaterien.
(2) Rechtlich geregelt ist die Ehe als Wirtschafts- und Verantwortungsgemeinschaft im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Der Güterstand der Eheleute entscheidet in besonderer Weise über die Art der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit der Partner. Seit 1958 leben die Eheleute automatisch im gesetzlichen Güterstand der sogenannten Zugewinngemeinschaft (falls sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes regeln). Diese geht vom Grundsatz der Vermögenstrennung aus und führt erst beim Zugewinnausgleich nach einer gescheiterten Ehe zu einer geldmäßigen Beteiligung des Ehepartners, der während der Ehe einen geringeren Vermögenszuwachs hatte. Während der Ehe führt dieser Güterstand oft nicht zu einer befriedigenden Teilhabe beider Ehegatten am jeweiligen Vermögenszuwachs, wenn sie nicht selbst entsprechende Regelungen treffen. Demgegenüber bedeutet die Vereinbarung des Güterstandes der Gütertrennng, dass sich die Eheleute vermögensrechtlich wie Unverheiratete gegenüberstehen und einander nur unterhaltsrechtlich verpflichtet sind. Dagegen kommt die Gütergemeinschaft, die ebenfalls durch Ehevertrag vereinbart werden kann und bei der eingebrachtes und später erworbenes Vermögen Gemeinschaftsvermögen wird, dem Ziel der wirtschaftlichen Gleichberechtigung während der Ehe ebenso nahe wie die errungenschaftsgemeinschaftlichen Regelungen, wie sie in europäischen Nachbarländern getroffen wurden. Eine dem Ziel der wirtschaftlichen Gleichberechtigung während der Ehe dienende Güterstands-Reform sollte nicht nur die komplizierten rechtlichen Rahmenbedingungen der Gütergemeinschaft modernisieren und die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten der Eheleute durch Wahl und Ausgestaltung des Güterstandes besser bekannt machen, sondern auch den gesetzlichen Güterstand reformieren. Als wichtigen Schritt zu einem einheitlichen europäischen Familienrecht braucht der einheitliche Lebensraum Europa eine Angleichung der rechtlichen Rahmenbedingungen.
(3) Schon in der Rentenrechtsreform 2000/2001 wurde heftig darum gerungen, ob den Zielvorstellungen eines Rentenanwartschaftsplittings oder einer Teilhaberente im ehelichen Güterrecht nicht die Errungenschaftsgemeinschaft entsprechen müsse. Der Ausbau eigenständiger Anwartschaften des haushaltführenden Ehepartners könnte um so leichter realisiert werden, je besser das Ehe-Güterrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs eine Teilhabe an der Altersvorsorge des erwerbstätigen Partners vorbereitet. Das Modell der als bloßer Unterhaltsersatz konzipierten Hinterbliebenenrente, das von der deutschen Bischofskonferenz und dem ZdK seit den 80er Jahren immer wieder kritisiert worden ist (vgl. zuletzt „Generationengerechtigkeit braucht Familiengerechtigkeit - Forderungen des Hauptausschusses zur aktuellen Rentendiskussion", Beschluss des Hauptausschusses des ZdK vom 8. September 2000), könnte aufbauend auf einer Güterstandsreform endlich mit größerem Erfolg zu einer Teilhaberente / einem Rentenanwartschaftssplitting umgestaltet werden.
(4) Eine weitere Anfrage an das Güterrecht ergibt sich aus der aktuellen Steuerreformdebatte. Der Ehe steht als Verantwortungs- und Wirtschaftsgemeinschaft - im Unterschied zur Unterhalts- oder Bedarfsgemeinschaft, die zwischen Eltern und Kindern besteht - im Steuerrecht das sachgerechte Privileg der gemeinsamen Veranlagung zu. Bei der gemeinsamen Veranlagung wird das zu versteuernde Einkommen beider Ehepartner addiert und anschließend durch zwei geteilt. Auf den geteilten Betrag findet dann zweimal der gleiche Steuersatz Anwendung. Das Splitting sichert so Gleichbehandlung und Gestaltungsfreiheit in der Erwerbsgemeinschaft Ehe. Es stellt die einfachste Möglichkeit dar, Ehepaare steuerlich gleich zu behandeln und zwar ganz unabhängig davon, ob einer der Partner gut und einer schlecht oder beide etwa gleich verdienen. Das Steuerrecht geht davon aus, dass beide Ehepartner einen Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten während der Ehe haben. Daher wird steuerrechtlich beiden Partnern ihr gemeinsam erzieltes Einkommen zu gleichen Teilen zugerechnet. Die Möglichkeit der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung sollte an das Vorliegen einer gleichberechtigten Wirtschafts- und Erwerbsgemeinschaft der Eheleute gekoppelt sein, die den Vorstellungen einer partnerschaftlichen Solidargemeinschaft entspricht.
(5) Handlungs- und Synchronisationsbedarf besteht auch im Bereich des Unterhaltsrechts. Die Abstimmung mit dem Sozialhilferecht und dem gemeinsamen Sorgerecht ist eine wichtige Aufgabe der Familienpolitik. Kosten der Umgangspflicht und die Unterhaltspflicht des Partners, bei dem nach einer Scheidung die Kinder nicht dauerhaft leben, müssen besser in Einklang gebracht werden; gleichzeitig markiert die hohe Zahl zahlungsunwilliger Väter ein noch größeres Problem, das allein Erziehende in ihrer wirtschaftlichen Situation stark beeinträchtigt. Dabei kommt der Sicherung und dem Ausbau von Unterhaltsvorschussrechten eine besondere Bedeutung zu - zum Ausgleich von Risiken, die durch die fortbestehende geschlechtshierarchische Arbeitsteilung entstehen. Die Entschließung des Bundestags vom Juni 2001, das Unterhaltsrecht hinsichtlich der Abstimmung seiner Inhalte mit sozial- und steuerrechtlichen Parallelregelungen zu überprüfen, geht daher in die richtige Richtung, greift aber angesichts des nicht angesprochenen Synchronisationsbedarfs zwischen Güter-, Unterhalts-, Renten- und Steuerrecht noch zu kurz.
(6) Das Familienrecht wird am ehesten dann der Stabilisierung von familiären Partnerschaftsbeziehungen dienen, wenn die Hochzeitspaare über die rechtlichen Inhalte und Konsequenzen des Eheschlusses tatsächlich informiert sind. Ergänzend zu den rechtlichen Reformen bedarf es daher - u. U. unkonventioneller - Ideen, um die Paare, die eine dauerhafte Bindung und ein verlässliches Arrangement für ihre Beziehung suchen, auch über die juristische und ökonomische Bedeutung der Eheschließung sowie die wählbaren Güterstände und ihre unterschiedlichen Konsequenzen zu informieren. Entscheidungsoptionen vor dem Standesbeamten könnten eine solche Möglichkeit darstellen, die sich im Bereich des Namensrechts bereits bewährt hat.
6. Den Wandel gestalten
Die hier vorgelegten Anmerkungen formulieren ein erstes Anforderungsprofil, das günstige Rahmenbedingungen für gleichberechtigte Partnerschaften als Voraussetzung und Teil einer ganzheitlichen Familienpolitik beschreibt - Rahmenbedingungen, die das Gelingen und die Stabilität von Partnerschaften fördern, indem sie die Partner dabei unterstützen, den hohen gesellschaftlichen und eigenen Anforderungen an ihre Beziehung zu genügen. Soweit bei der Beschreibung der Haltungen, die das Gelingen von Partnerschaften befördern, christliche Werte eine Rolle spielen, wird nicht der Versuch unternommen, die inhaltliche Deutungshoheit über das staatliche Eheverständnis zu beanspruchen. Vielmehr wird auf die Möglichkeiten und Chancen hingewiesen, die diese Werte für Partnerschaften und damit für die Gesellschaft anbieten.
Politik und Kirche können und müssen sich in dem Bemühen ergänzen, geeignete Rahmenbedingungen zum Schutz und zur Stabilisierung dauerhafter Partnerschaftsbeziehungen zwischen Männern und Frauen zu schaffen, denn das partnerschaftliche Miteinander im Wandel von Bedürfnissen und Fähigkeiten, von Aufgaben und Zuständigkeiten in einer gemeinsamen Lebensgeschichte braucht günstige Rahmenbedingungen, damit die Gestaltungsaufgabe Familie gelingen kann.
Beschlossen von der Vollversammlung des ZdK am 3. Mai 2002