Ökumenischer Kirchentag Berlin 2003 - 26 Wochen vor der Eröffnung

Rede von Stefan Vesper im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) - es gilt das gesprochene Wort.

Anrede,

26 Wochen vor Beginn des Ökumenischen Kirchentages haben wir heute noch einmal die Gelegenheit zu einem Austausch über unser gemeinsames Vorhaben.

Ich will einsteigen mit einer wahren Geschichte. Vor einigen Jahren fuhr ich auf der Autobahn von Bad Honnef nach Bonn. Da hatte jemand ein großes Betttuch bemalt und an einer Brücke über das Geländer gespannt. Auf dem Betttuch stand: „Christian, ich will“! Ich freute mich über die Liebe, die sich da mitteilte, diese große Liebe, die nicht anders kann, als sich in die Welt hinauszurufen, diese ganzmenschliche Annahme des Partners, und das große Glück dieses Christians.

Während ich all dies dachte, war ich schon ein Stück weitergefahren. Da kam wieder eine Brücke und am Geländer hing wieder ein Betttuch, von gleicher Machart wie das vorherige, und da stand: „dich nicht“!! Sie können sich meinen Ärger vorstellen, als ich das las: Diese Niedertracht, dem Christian gegenüber, der sie doch liebt! Uns gegenüber, die mit ihm fühlen. Welche Abgründe taten sich hier auf, welches Zerwürfnis, welche tiefe Seelenverletzung....

Inzwischen war ich zu einer dritten Brücke gekommen. Wieder hing dort ein bemaltes Betttuch. Und darauf stand: „verlieren. Deine C.J.“!

„Christian, ich will Dich nicht verlieren. Deine C. J.“ Warum nehme ich das als Einstieg zu meinem Thema? Weil diese kleine Geschichte mich an manche Phasen erinnert, die wir miteinander erlebt haben: Phasen, die man fast schon euphorisch nennen könnte, Phasen in denen jede Seite die eigene Tradition oder Elemente daraus als sakrosankt verteidigte. Und schließlich die jetzige Phase, in der die Gemeinsamkeiten, das Vertrauen und das Verständnis füreinander zu einer belastbaren Grundlage gewachsen sind. Diese Basis gibt uns heute Gelegenheit zu einer realistischen Sicht der Chancen und Möglichkeiten des ÖKT, der Erwartungen und der Überfrachtungen, des Erreichbaren und dessen, von dem wir uns - auch gegenseitig - entlasten müssen.

1. Der Ökumenische Kirchentag ist schon jetzt eine Erfolgsstory.

Der Ökumenische Kirchentag ist schon jetzt eine Erfolgsstory. Nie zuvor hatte ein Kirchentag oder ein Katholikentag im November vor dem Ereignis so viel Presse, so viel öffentliche Aufmerksamkeit. Nie zuvor waren wir in vergleichbarer Dichte auf den Tagesordnungen von Deutscher Bischofskonferenz und EKD-Synode, von Diözesanräten und Landesausschüssen, von Dekanaten, Gemeinden, Pfarreien und von Verbänden auf allen Ebenen. Noch nie hatten wir diesen Grad an „öffentlichem Bewusstsein“ in der Politik, beispielsweise in Berlin, in den sog. "gesellschaftlichen Gruppen" oder in europäischen kirchlichen Kreisen, etwa bei der Konferenz Europäischen Kirchen (KEK) oder beim Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Wir haben in der öffentlichen Aufmerksamkeit einen Qualitätssprung erzielt.

Zur aktiven Mitwirkung am Programm haben sich schon jetzt 2300 Gruppen angemeldet, die insgesamt etwa 30.000 Menschen umfassen. Solche Zahlen hat es bisher weder bei Kirchen- noch bei Katholikentagen gegeben. Mehr als 1100 Gruppen, Initiativen, Verbände, Räte, Kooperationen etc. sind zur Agora angemeldet. Wir werden mehr als 4000 Bläser und mehr als 2500 Chorsängerinnen und -sänger in Berlin dabei haben. In den ca. 120 Vorbereitungsgruppen engagieren sich mehr als 1000 Menschen für den ÖKT. In der gastgebenden Region gibt es mehr als 420 Gemeindebeauftragte und wir haben - auch das ist wichtig - mehr als 120 Beauftragte für Privatquartiere und Schulen, denn 80.000 Menschen werden in 400 Schulen untergebracht werden. Viele Diözesanräte und Landeskirchen bereiten sich gemeinsam vor. Und sie beraten, ob und wie sie gemeinsam anreisen werden. Auch die Zahl der Sonderzüge wird also das gewohnte Maß bei weitem übertreffen.

Ich breche hier ab, obwohl man noch vieles aufzählen könnte. Diese Zahlen sind Beleg für die Einschätzung „Erfolgsstory - schon jetzt“. Gleichwohl machen sie uns nicht übermütig. Sie verpflichten uns. Denn wir wissen, dass insbesondere junge Menschen Erlebnisse wie Katholikentage und Kirchentage brauchen, um in ihrem Christsein bestärkt zu werden und um in ihm zu reifen. Während Jugendliche in früheren Generationen, wenn sie nach einem Katholikentag nach Hause zurückkamen, meist noch eine flächendeckend gelebte Kirche in Gemeinde oder Jugendgruppe vorfanden, haben Jugendliche heute diese Chance nur noch selten - oder gar nicht mehr. Unsere Verantwortung als Veranstalter von Kirchen- oder Katholikentagen ist größer geworden, denn die „Highlights“ haben kaum noch Bodenhaftung, finden immer seltener eine Einbettung in eine gelebte Alltagserfahrung von Kirche. Um so wichtiger sind also die 5 Tage in Berlin. Und um so bedeutsamer, dass wir so viele junge Menschen zum Thema Ökumene zusammenbringen.


2. Der Ökumenische Kirchentag ist ein Meilenstein in einem Mehrungsprozess.

Was wir als ZdK zum Thema Ökumene zu sagen hatten, haben wir in unserer Erklärung “Ermutigung zur Ökumene“ in der Herbstvollversammlung vor einem Jahr zum Ausdruck gebracht. Dieses Wort ist ein starker Text - es lohnt sich, noch einmal darin zu lesen. Es moduliert die Grundaussage und Kernbotschaft: „Katholisch sein heißt ökumenisch sein!“ Präses Manfred Kock hat soeben an das Ökumene-Wort der EKD-Synode des Jahres 2000 erinnert, in dem es heißt: „Wir sind nur dann evangelisch, wenn wir zugleich ökumenisch sind. Konfessionelle Selbstgenügsamkeit macht uns arm.“

Die Ökumene ist für uns als Katholiken - so sagt unsere Erklärung vom November 2001 - „keine neue, zusätzlich hinzukommende Aufgabe, sondern ein Wesensmerkmal der Kirche, ohne welches das ganze Leben und Dasein der katholischen Kirche nicht denkbar ist. Ökumene ist nicht mehr ausschließlich Sache einzelner Spezialisten, sondern eine Aufgabe, die alle Glieder der Kirche in die Pflicht nimmt. Ökumene ist nicht ein Luxus, den wir uns heute im Zeitalter der Toleranz als Zeichen unserer Großzügigkeit leisten, sondern sie ist Verwirklichung der Katholizität.“ Der Ökumenische Prozess, in dem der Ökumenische Kirchentag ein wichtiger Baustein ist, darf kein Reduktionsprozess sein, er muss ein Mehrungsprozess sein, ein Schritt aufeinander zu, ein Kampf gegen Gleichgültigkeit und Unkenntnis, gegen Vorurteile und Misstrauen. Diese 4 Faktoren, Gleichgültigkeit und Unkenntnis, gegen Vorurteile und Misstrauen, gibt es auf allen drei Ebenen der Ökumene, der Ebene der Theologie, der Ebene der Kirchenleitungen und der Ebene der Gemeinden. Auf all diesen Ebenen Gleichgültigkeit und Unkenntnis, Vorurteile und Misstrauen zu überwinden, das ist eine einmalige und unwiederbringliche Chance des Ökumenischen Kirchentags.


3. Der Ökumenische Kirchentag wird den Menschen Orientierung geben.

Doch der ökumenische Prozess ist eben kein innerkirchlicher Prozess, sondern in gleicher Weise auch ein gesellschaftspolitischer Prozess. Gerade darum wird der ÖKT "ein herausragender Ort des gemeinsamen Zeugnisses in unserem Land sein." In unseren "Grundlagen und Zielen des Ökumenischen Kirchentags" haben wir festgelegt: "Allen Christen gemeinsam ist der Auftrag, sich mit ihren grundlegenden Werten und Überzeugungen in die Gestaltung der Welt einzubringen. Sie tragen Mitverantwortung für Staat und Politik, für Wirtschaft und gerechte Sozialordnung, für Wissenschaft, Kultur und Medien, für Frieden und Entwicklung, für Gerechtigkeit, den Schutz der Menschenwürde und für Gottes ganze Schöpfung." Wir Christen haben doch unbestreitbar so viele Übereinstimmung in Fragen wie dem Schutz des ungeborenen Lebens, in Fragen der Option für die Armen, zu einer Zukunft in sozialer Gerechtigkeit, zu Fragen der Nachhaltigkeit, wie wir sie soeben auf unserer ZdK-Vollversammlung beraten haben. Der ÖKT ist eine Chance, gerade diese Übereinstimmung deutlich zu machen!

Auf diesem Hintergrund, dass wir die Welt mit unseren grundlegenden Werten und Überzeugungen mitgestalten wollen, bringen wir uns als Katholiken und als ZdK in die Gespräche und Diskussionen auf den Podien und Foren des ÖKT ein. Auf diesem Hintergrund wollen wir öffentlich Position beziehen zu den Fragen, die uns bewegen. Wir wollen - und müssen - den Christen, die sich in der Gesellschaft engagieren, Impulse für ihre Arbeit vor Ort geben, für ihre Arbeit in den Räten, Verbänden, Orden, Gemeinschaften und Initiativgruppen, im Beruf und Alltag, da wo sie als Christin und Christ ihren Dienst als Kirche leisten. Diesen Menschen solche orientierenden Impulse zu geben, ist eine wichtige Aufgabe, die wir von Anfang an gemeinsam betont haben.


Es ist jetzt schon sicher, dass namhafte Mitglieder des ZdK und namhafte katholische Persönlichkeiten darüber hinaus auf dem ÖKT das Wort ergreifen werden. Ich danke den vom ZdK vorgeschlagenen Mitgliedern in den Vorbereitungsgruppen, dass sie sich dafür einsetzen, dass auch unsere Positionen auf den Foren und Podien, in den Werkstätten und Zentren profiliert zur Sprache kommen. Und es ist hier auch der Ort, mit Genugtuung zu sagen, dass die Einbeziehung der katholischen Verbände und Räte in das Geschehen des ÖKT voll gelungen ist und dass sich durch die vielen Kooperationen von katholischen und evangelischen Verbänden, Werken, Organisationen und Initiativgruppen schon jetzt ein dauerhafter ökumenischer Mehrwert ergeben hat, auch über den ÖKT hinaus.

Neben dem gesellschaftlichen Zeugnis ist ebenso wichtig, dass der ÖKT den Menschen persönliche Orientierung gibt und sie als Christen spirituell stärkt. Er muss also - und er wird - "authentische Personen" erlebbar machen, die Christliche Identität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer fördern, Begegnung ermöglichen, auch über konfessionelle Grenzen hinweg. Dies wird sich auf vielen Ebenen und an vielen Orten ereignen: in Gottesdiensten, durch Podien, bei Abendgesprächen, im Geistlichen Zentrum, in unserer besonders gestalteten Kirche, die wir "Wandelhalle" nennen, und weit darüber hinaus.

Auch auf diese Weise wird der ÖKT Kirche erfahrbar machen, sie mit gestalten und weiterentwickeln. Dies wird er tun durch das theologische Gespräch, in dem Gemeinsames benannt und Trennendes nicht verschwiegen wird. Durch den Austausch über die pastoralen Fragen in den Gemeinden die Schwierigkeiten und Chancen des alltäglichen Neben- und Miteinanders. Und indem er sichtbar macht, was bereits heute an gemeinsamen Gottesdiensten, liturgischen Feiern und geistlichen Erfahrungen möglich ist. Wir müssen uns immer wieder an den "Grundlagen und Zielen" messen, in denen es heißt: "Der Ökumenische Kirchentag soll exemplarisch und vorbildlich zu einem Ort werden, an dem neue Formen entwickelt, diskutiert und praktiziert werden können. Der Ökumenische Kirchentag soll gerade dadurch Mut zeigen und Mut machen."


4. Was der Ökumenische Kirchentag braucht

Wir sind - 26 Wochen vor Beginn des ÖKT - in einer entscheidenden Phase. Eine weite Strecke liegt hinter uns, mehrere Verpflegungsstationen haben uns Kraft gegeben, aber es dauert noch, bis wir zur Zielgeraden kommen werden. Das ist der Moment, sich zu vergewissern, was der ÖKT in dieser Phase braucht:


(1) Der ÖKT braucht eine klare Sprache aller Beteiligten: Die Ökumene und darum auch der Austausch auf dem ÖKT muss von Aufrichtigkeit und von Wertschätzung getragen sein. Beides bedingt, dass wir offen und ehrlich miteinander sprechen. Nehmen wir diese Monate als Chance! Lassen wir nicht nach, einander zu sagen: "Das wollen wir, und das wollen wir nicht." Und legen wir die Gründe klar, warum wir etwas wollen und warum nicht! Wir wollen keine Ökumene des kleinsten Gemeinsamen Nenners! Schwere Chorsätze muss man länger üben, aber sie klingen besser, wenn die Stimmen klar und deutlich und sauber sind! Die leichten Liedchen werden schnell zum Ohrwurm, den keiner mehr hören mag.

(2) Der ÖKT braucht Entlastung angesichts der hohen Erwartungen. Eine Bischöfin sagte neulich zu mir sinngemäß: „Sie armer, Sie sollen in 5 Tagen all das darstellen und vertiefen und weiterführen, was 100 Jahre ökumenische Bewegung erreicht haben.“ In der Tat, kommen viele auf uns zu und sagen: „Wenn Ihr dieses oder jenes nicht schafft, dann ist der Ökumenische Kirchentag gescheitert.“ Viele Hoffnungen und manche Sehnsucht treten uns da gegenüber, aber auch die ein oder andere Frustration und Lebensfremdheit - ich möchte manchmal auch sagen „Kirchenfremdheit“. Die Chance des Ökumenischen Kirchentags besteht nicht darin, dass er zum Schwert wird, der den ökumenischen gordischen Knoten zerschlägt. Das wäre eine heillose Überforderung. Und die Ökumene ist eben auch kein verstrickter gordischer Knoten, sondern ein Weg wachsender Übereinstimmung und wachsenden Vertrauens.

(3) Der ÖKT braucht auch weiterhin das geduldige und sachliche Gespräch über das Thema Eucharistie und Abendmahl. Keineswegs soll das Thema in Berlin an den Rand gedrängt werden. Es ist klar: Wir wollen vor, während und nach Berlin alles Tun, um dem Ziel der Einheit der Christen näher zu kommen. Wie die Ökumene-Erklärung sagt: "Das Ziel unserer Bemühungen auf dem Weg zu größerer gottesdienstlichen Gemeinschaft ist die gemeinsame Feier der Eucharistie. Es schmerzt uns, dass dieses Ziel bislang noch nicht erreicht werden konnte. Wir vertrauen aber auf den Heiligen Geist, dass er uns auch hier Einheit schenkt und die Wunden heilt. Auf jeden Fall darf die noch nicht vollzogene Tischgemeinschaft beim Ökumenischen Kirchentag nicht als Festhalten an der Spaltung missverstanden und überbewertet werden. Vielmehr zeigt diese Trennung auch die noch bestehenden Unterschiede und mahnt uns, sie zu verändern. Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um eine Einheit am Tisch des Herrn zu erreichen."

Wo stehen wir heute? Durch das intensive und von Respekt zeugende Gespräch in allen Gremien des ÖKT und unter Leitung der Präsidentin und des Präsidenten, Frau Dr. Elisabeth Raiser und Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, haben wir eine einmütige Haltung zum Thema der Eucharistie- und Abendmahlsgemeinschaft in Berlin gefunden. Wir wollen gemeinsam, dass die in den jeweiligen Kirchen geltenden Regelungen respektiert werden. Niemand muss hinter die Praxis der eigenen Kirche zurückgehen - niemand soll aber auch zu etwas gedrängt oder genötigt werden, was ihn in einen Konflikt mit der eigenen Kirche bringt. Als Katholiken sind wir froh über die verlässliche Einstellung unserer Partner in diesem so wichtigen Punkt und vielen Evangelischen Christen im DEKT und vielen evangelischen Bischöfen zu Dank verpflichtet. Wir wissen zugleich, dass wir einen Anspruch darauf haben, respektiert zu werden - gegenseitig respektiert zu werden.

Freilich bleiben zwei Aufgaben: Zunächst müssen wir gemeinsam noch manches tun, um den Grad von Respekt und das Maß ökumenischer Verantwortung, das wir in unseren Vorbereitungsgremien erreicht haben, auch weiter zu kommunizieren in die Öffentlichkeit, in die Gemeinden hinein. Wir müssen deutlich sagen, dass wir alle die gegebene, schmerzliche Situation aushalten müssen. Es ist uns als Katholiken aufgegeben, besonders auf die glaubwürdige Begründung der in unserer Kirche geltenden Regelungen zu achten. Und bei der glaubwürdigen Begründung, bei der überzeugenden Vermittlung dieser Regelungen sind die Bischöfe und die Priester mit in der Pflicht. Wir als Veranstalter des ÖKT haben uns jedenfalls vorgenommen, in Berlin durch eine große Zahl von Veranstaltungen im Themenbereich 2, im Ökumenischen Lern- und Begegnungszentrum etc. unseren Beitrag zu leisten, das Glaubenswissen über Eucharistie und Abendmahl, über das Amtsverständnis und viele andere zentrale Fragen von Kirche und Theologie zu vertiefen. Und wir hören mit Genugtuung, dass der ÖKT Anlass ist für viele wissenschaftliche und auch für Laien verständliche neue Buchveröffentlichungen zum Thema Eucharistie und Abendmahl, aber auch zum Thema „Was eint, was trennt“.

Die zweite Aufgabe ergibt sich aus der wirklich brennenden Not vieler konfessionsverschiedenen Ehen. Diese Eheleute haben wirklich den ganzen Schmerz der Trennung zu tragen. Wenn sie Wege finden, ihre schwierige Situation zu bewältigen, gilt es, sie mit aller Kraft zu unterstützen. Es ist gut, dass viele von ihnen unseren Ökumenischen Kirchentag bereichern.

(4) Der ÖKT braucht eine Besinnung auf unsere gemeinsame Basis, die Bibel, als die allen christlichen Konfessionen gemeinsame Glaubensquelle und auf die Kernaussagen ihrer Botschaft: die Heilzusage Gottes, das Liebesgebot Jesu Christi, den Glauben an die Vergebung von Schuld und Sünde, die Rechtfertigung allein aus Glauben und die Sendung in die Welt. Vergessen wir nicht, dass 2003 das Jahr mit der Bibel begangen wird und dass wir gemeinsam dies einbeziehen konnten in den ÖKT. Hier gibt es eine große Chance, dass Christen sich ihrer Grundlage vergewissern und Nichtchristen die faszinierende Welt der Bibel kennenlernen.

(5) Der ÖKT braucht die Kraft, auch Enttäuschungen wegzustecken: Das Unternehmen wird manche verstören und enttäuschen. Zum Beispiel die, denen wir abgesagt haben - ich nenne hier fast 500 Musikgruppen; zum Beispiel jene, die eine ihnen liebgewordene Katholikentags- oder DEKT-Tradition fortführen wollten, die im gemeinsamen Unternehmen so nicht zu verwirklichen war; zum Beispiel jene, die die üblichen guten katholischen (oder evangelischen) Namen auf den Podien suchen, und dieses Mal nur die Hälfte davon finden werden. Denn wir wollen keine Podien in Schulklassengröße! Wir werden, vor allem unter den Insidern, verstörte Katholiken haben, die sagen: „Das ist aber evangelisch hier!!“ Und Evangelische, die sagen: „Da haben Euch aber die Katholiken schön über den Tisch gezogen!“ Manches an solcher Verstörung ist wohl unvermeidlich, manches vielleicht sogar heilsam. Für alle Seiten ist der Ökumenische Kirchentag auch eine Herausforderung, die Selbstgefälligkeit, das ein oder andere hehre Ziel, das in Wirklichkeit zur Ideologie geworden ist, aufzugeben. Ohne die ein oder andere Zerreißprobe auch auf der eigenen Seite, ohne manche „Kritik zu hause“, wird und kann die Planung eines solchen Ereignisses nicht ausgehen. In der Bilanz aber, da bin ich heute schon sicher, werden wir gemeinsam großen Grund zur Freude haben.

(6) Der ÖKT braucht einen langen Atem und fröhliche Gelassenheit auf allen Seiten. Man möge nicht vergessen: Dies ist das erste Mal, dass DEKT und ZdK ein solches Ereignis gemeinsam veranstalten. Dass wir damit soweit gekommen sind, wie jetzt absehbar, darauf können wir stolz und dafür können wir dankbar sein. Vielleicht könnte der lange Atem, die Gelassenheit und die notwendige Geduld uns allen und damit der Ökumene jenen „Schub von innen“ geben, von dem Hildegard Kasper spricht, die Schwester von Kardinal Walter Kasper - auch sie ein Mitglied in einer unserer Vorbereitungsgruppen.


5. Denken wir schon heute an die Zeit nach dem Ökumenischen Kirchentag!

Wir haben schon jetzt mit dem Projekt ÖKT viel erreicht. Wir haben die Ökumene auf die Tagesordnung gesetzt und junge Menschen für sie begeistert. Mit diesem Pfund müssen wir auch nach Berlin weiter wuchern.

Künftige Katholikentage und Kirchentage werden durch die Ergebnisse des Ökumenischen Kirchentags beflügelt werden. Sie werden anders sein als zuvor. Die Vorbereitung des Ulmer Katholikentages steht dabei unter einem besonderen zeitlichen und inhaltlichen Druck. Wir müssen schon jetzt - eineinhalb Jahre vor Beginn - auf der Basis des Leitwortes „Leben aus Gottes Kraft“ die ersten thematischen Grundentscheidungen fällen, wenn wir im Zeitplan nicht hoffnungslos zurückfallen wollen. Im ersten Halbjahr 2003 wird die Programmkommission sich konstituieren. Zugleich steht die Arbeit unter dem Vorbehalt des Verlaufs des Ökumenischen Kirchentags.

Das gleiche gilt für unsere Partner vom DEKT, die - wenn auch mit einer längeren Zeit zum Atem holen - ihre nächsten Projekte Hannover 2005 und Köln 2007 planen werden. Auch für sie wird der Verlauf des ÖKT wichtige Maßstäbe setzen.

„Christian, ich will Dich nicht verlieren. Deine C. J.“ Dieser Satz lehrt uns vor allem: Schauen wir die Dinge von ihrem Ende her an. Wir werden nicht euphorisch werden nach der einen Etappe, und wir lassen uns nicht verunsichern nach einer anderen Etappe. Wir werden immer wieder gemeinsam von der Froschperspektive in die Vogelperspektive gehen. Wir werden das große Ziel im Auge behalten. Und wissen wir dabei, dass zum Glück nicht alles in unserer Hand liegt und auch nicht zu liegen braucht.

Stefan Vesper

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