Flutkatastrophe

Rede von Prof. Hans Joachim Meyer vor dem Hauptausschuss des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Die Flutkatastrophe, die in diesem Sommer viele Teile Deutschlands und Europas getroffen hat, ist eine aufrüttelnde und hoffentlich tiefgehende Erfahrung. Sie könnte eine Zäsur in unserer Haltung zum Machbaren in der Natur sein, so wie das Scheitern zentralistischer Gesellschaftsutopien die Grenzen des Machbaren in der Geschichte aufwies. Wie Sie verstehen werden, stehe ich besonders unter dem Eindruck dessen, was in Sachsen geschah - nicht nur, weil in diesem Land die Folgen der großen Flut besonders zerstörerisch sind, sondern weil vielen Menschen das vernichtet wurde, was sie in den vergangenen zehn Jahren aufgebaut haben. Eine große Zahl steht nicht nur vor dem Nichts, sondern auch noch vor einem Berg von Schulden, weil sie - im Vertrauen auf ihren Leistungswillen - sich zunächst die Voraussetzungen erfolgreicher Arbeit durch Kredite geschaffen haben und diese sich auch nur so schaffen konnten. Aus eigener Kraft können sie diesen neuen Anfang nicht wiederholen. Das ist außerordentlich bitter.

Sachsen, insbesondere Dresden, läßt uns allerdings auch zögern, die Gründe für diese Katastrophe allzu vordergründig im Handeln der letzten Jahre und Jahrzehnte zu suchen. Dresden hat, da die Elbauen in der Stadt nicht bebaut werden dürfen, für normale Hochwasser ausreichende Ausdehnungsflächen. Und die jetzige Flut folgt dem Muster großer Überschwemmungen im 19. Jahrhundert und in den davor liegenden Jahrhunderten. Dennoch müssen wir uns fragen, ob die weltweiten Einflüsse auf das Klima dessen Charakter generell verändern und zu solchen Katastrophen führen. Jedenfalls sind gründliche Analysen, ein selbstkritisches Nachdenken und mutige Schlussfolgerungen dringend notwendig.

Was uns alle ermutigt und bestärkt, ist die Haltung und das Handeln vieler Menschen in einer Zeit der Krise und der Herausforderung, darunter von vielen jungen Menschen. Solidarität, die ja oft zu einem leeren Wort oder zu einem Schlachtruf für Gruppeninteressen geworden ist, erwies sich hier in selbstverständlicher und selbstloser Hilfe. Hier ist von vielen Menschen vorbildlich gehandelt worden. Und wir können nur hoffen, dass diese Erfahrung in unserer Gesellschaft weiter wirkt, die ja häufig eher zu Selbstsucht und zu Atomisierung neigt. Natürlich gibt es - wie immer - auch Gegenbeispiele, nicht für Versagen und Inkompetenz, sondern auch für Eigensucht und Betrug. Aber diese treten im Gesamtbild deutlich zurück. Was unsere Erinnerung bestimmt, ist die Erfahrung, dass in der Stunde der Not die Menschen zusammen stehen und einander helfen.

Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

 

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