Thesen zur Kleinwaffenproblematik

von Sami Faltas, Bonn International Center for Conversion, im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Trotz der restriktiven deutschen Rüstungsexportpolitik werden in vielen Krisen und Kriegen deutsche Waffen eingesetzt. Kleinwaffen, die ursprünglich aus Deutschland und anderen Industrieländern stammen, verursachen weltweit Millionen von Opfern, vor allem in der Zivilbevölkerung

Deutschland sollte:

- Die Ausfuhr von Kleinwaffen weiter einschränken,
- Versprechen, alle überschüssigen Kleinwaffen zu vernichten ,
- Die Konsequenzen früherer Fahrlässigkeit bei der Vergabe von Produktionslizenzen für Kleinwaffen beheben und
- Solche Maßnahmen auch in der EU und in der NATO anstoßen.

Erläuterung: Deutsche Kleinwaffen gelangen nur im Ausnahmefall über den direkten Export in Kriegsgebiete. Nach eigenen Angaben genehmigte die Bundesregierung im vorletzten Jahr Kleinwaffenexporte im Wert von DM 461 Millionen und Munitionsexporte von DM 285 Millionen (Rüstungsexportbericht 1999). Damit war Deutschland nach den USA der weltweit größ-te Exporteur von Kleinwaffen (Small Arms Survey, Genf, 2001, S. 148-150). Die Empfänger dieser Kleinwaffen aus Deutschland sind meistens NATO- und EU-Staaten. Nach der Wiedervereinigung schenkte Deutschland der Türkei 300.000 Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow und 83 Millionen Schuss Mu-nition aus ehemaligen NVA-Beständen. Aus den daraus resultierenden Problemen hat die Regierung gelernt. Waffenlieferungen an die Türkei sind keine Selbstverständlichkeit mehr. Außerdem werden ausgemusterte Kleinwaffen kaum noch veräußert, sondern zerstört.

Ein größeres Problem als der direkte Export von deutschen Kleinwaffen ist die Weiterlie-ferung durch Dritte an Staaten und Organi-sationen, an die Deutsch-land keine Waffen liefern würde. Manchmal werden dabei die Bestimungen über den Endverbleib der Waffen verletzt. In anderen Fällen wird die Ware zwar an den richtigen Kunden geliefert, aber später weiterver-kauft. In beiden Fällen ist das Resultat aus deutscher Sicht politisch unerwünscht.

Problematisch ist auch die ausländische Lizenzproduktion von deutschen Kleinwaffen. So wird das Sturmge-wehr G3 von Heckler & Koch in mehr als 64 Ländern benutzt. Die mehr als 7 Millionen Exemplare, die in der Welt kursieren, kommen jedoch nicht alle aus Deutschland. Viele wurden in Birma, Griechenland, Iran, Mexiko, Saudi-Arabien, der Türkei oder einem ande-ren der insgesamt 18 Staaten, die eine Produk-tions-lizenz für die-se Waffe gekauft haben, hergestellt. Die früher abgeschlossenen Lizenzverträge lassen kaum zu, dass die Bundesre-gierung gegen unerwünschte Lieferungen einschreitet. Bei neuen Ver-trägen soll das besser sein, aber das ändert nichts an den Konsequenzen früherer Fahrlässigkeit.

Die Kriege von heute finden im Süden statt, aber die Waffen stammen aus dem Norden. Während des Ost-West-Konflikts bewaff-ne-ten die Industrieländer im großen Maßstab ihre Freunde und die Gegner ihrer Gegner, und nach 1989 veräußerten die Länder des Nordens Millionen von überschüssigen Waffen. Durch diese zwei Exportschübe entstand eine weltweite Schwemme von Kleinwaffen, die von Krise zu Kri-se vagabundieren. Die leichte Verfügbarkeit von militärischen Kleinwaffen trägt zum Ausbruch, zur Eskalation und zur Verlängerung gewaltsamer Konflikte in den Ländern des Südens bei. Aus diesem und anderen Gründen müssen die Industrieländer gegen die weltweite Verbreitung und den Missbrauch von Kleinwaffen vorgehen

Deutschland hat sich bereits in diesem Sinne engagiert. Doch die Umsetzung deutscher Vorhaben verläuft langsam und zaghaft. Siehe dazu die in Abschnitt 3 formulierten Vor-schläge.

Erläuterung: Die Kriege von heute werden vor allem in den Entwicklungsländern geführt. Sie werden oft von nichtstaatlichen Akteuren, die mit Kleinwaffen bewaffnet sind, ausgetragen. Die Länder des Nordens sind meistens nicht aktiv an diesen Konflikten beteiligt. Sie haben meistens auch nicht direkt die Waffen, mit denen diese Kriege ausgetragen werden, geliefert. Trotzdem tragen die Länder des Nordens in mehreren Hinsichten eine Verantwortung für diese Kriege. Sie sind, zum Beispiel, wenn nicht rechtlich, dann doch politisch und moralisch, mitverantwortlich für die weltweite Verbreitung von militärischen Kleinwaffen. Also sollten sie aktiv und beharrlich die Verbreitung und den Missbrauch dieser Waffen bekämpfen.

Deutschland hat in seiner Sicherheits- und der Entwicklungspoli-tik mehrere Initiativen ergriffen und Vorhaben angekündigt, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Es fehlt jedoch an de-ren energischer Umsetzung.

Initiativen zur Bekämpfung der unkontrollierten Verbreitung und des Missbrauchs von Kleinwaffen erfordern nicht nur Maß-nahmen auf der Angebotsseite (siehe Abschnitt 1), sondern auch in den Ländern, wo die Waffen sich anhäufen.

Notwendig sind Programme, Projekte und Initiativen zur

- Einsammlung und Entsorgung von illegalen und überschüssigen Kleinwaffen,
- Strikten Kontrolle des Besitzes, des Handels und des Gebrauchs von Kleinwaffen,
- Einleitung von politischen und wirtschaftlichen Reformen, die die Nachfrage nach Kleinwaffen reduzieren.

Erläuterung: Je weniger Waffen und Munition zur Verfügung stehen, desto geringer das Risiko, dass sie in politischen und ethnischen Auseinandersetzungen oder in kriminellen Handlungen benutzt werden. Also ist es notwendig, so viele militärische Kleinwaffen wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen. Sie sollten nur gut ausgebildeten und streng kontrollierten Behördenvertretern zur Verfügung stehen. Doch es nützt wenig, Waffen ein-zusammeln und zu vernichten, wenn diese durch neue ersetzt werden können. Also muss auch der Handel von Kleinwaffen streng kontrolliert werden. Außerdem ist es notwendig, den Missbrauch von Kleinwaffen einzuschränken und ihren Besitz zu kontrollieren. Das ist nur dann möglich, wenn es Behörden und Autoritäten gibt, die über die notwendigen Mittel und das erforderliche Vertrauen der Bevölkerung verfügen. In vielen Ländern fehlt eine solche Obrigkeit. Also sind Reformen angesagt, die gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit fördern. Even-tuell müssen die Stärke der Polizei vergrößert und ihre Qualifikation verbessert werden.

Reformen sind auch erforderlich, um die Entwicklung einer starken Zivilgesellschaft und kritischer Medien zu unterstützen. Schließlich wird es in vielen Teilen der Welt nötig sein, Kulturen, die den Besitz und den Gebrauch von Waffen verherrlichen, in Frage zu stellen. Solche Reformen werden das Bedürfnis, pri-vate Waffen zu besitzen, reduzieren. Sie sind freilich schwierig herbeizuführen

Sami Faltas, Bonn International Center for Conversion

Diesen Artikel teilen: