Einführung in die Erklärung "Ermutigung zur Ökumene"

von Hans-Georg Hunstig, Sprecher des Sachbereichs 1: Pastorale Grundfragen, im Rahmen der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK)

Wenn wir uns zum Abschluss unserer Vollversammlung der Ökumene zuwenden und dabei uns und allen in Deutschland Mut machen wollen für den gemeinsamen Weg zum ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin, lade ich Sie zunächst ein, sich ihre eigenen, sehr persönlichen Erlebnisfelder in Erinnerung zu rufen, die unser Thema berühren: vielleicht die konfessionelle Verschiedenheit in Ihrer Ehe, die Taufe und Konfirmation Ihres evangelischen Patenkindes, die Hochzeit Ihres Sohnes mit Ihrer evangelischen Schwiegertochter, die Loslösung Ihres erwachsenen Kindes von konfessionellen Grenzen, intensive Diskussionen im Freundeskreis um Glaube und Kirche gerade mit den Nichtkatholiken, die vordergründige Gleichgültigkeit Ihnen Nahestehender in religiösen Fragen, die Frage an Ihr Gewissen wegen der Teilnahme am Abendmahl bei einem evangelischen Gottesdienst ... . Jede und jeder von uns könnte diese Aufzählung bereichern durch unzählige Beispiele, die belegen, wie wir alle von der Trennung der christlichen Kirchen berührt sind und wie wir mit diesem Thema die Lebenswirklichkeit vieler Menschen in unserem Land treffen.

Das gilt ebenso für unsere Erlebnisse außerhalb des persönlichen Umfeldes: Trennendes und Verbindendes in Gottesdiensten der eigenen Gemeinde und der evangelischen Nachbargemeinde, gegenseitige Vorurteile über "die Katholiken" und "die Evangelischen", die Erfahrung der gemeinsamen Spiritualität beim Weltgebetstag der Frauen, der gemeinsame Einsatz der Christen und Christinnen für Benachteiligte in Ihrer Stadt, menschliche Unzulänglichkeiten im Umgang miteinander, gegenseitige Bereicherung bei der ökumenischen Bibelwoche ... . Gerade wir als Engagierte in unseren Gemeinden, Diözesen und Organisationen kennen hier viele Erfahrungen der Gemeinschaft, aber auch der Trennungen zwischen den beiden Großkirchen in unserem Land.

Auf dem Boden dieser Wirklichkeit möchte ich Sie alle einladen, an den Antrag "Ermutigung zur Ökumene" heranzugehen. Wir haben dazu hier vorne drei Bücher mitgebracht:

  • Die aufgeschlagene Bibel, die gemeinsame Grundlage aller Christinnen und Christen. Sie enthält die Verheißung unseres Herrn für die Eine Kirche und soll uns bei unseren Beratungen die Ursache für unsere Hoffnung auf dem Weg zur Einheit der Kirche verdeutlichen.
  • Unser "Gotteslob" und das Evangelische Gesangbuch, zwei Belege für das Getrenntsein in Gebet und Gottesdienst. Ich erinnere daran, dass das "andere Gesangbuch" in der Vergangenheit oft ein besonderes Zeichen der Trennung der Christen war, ja man sprach gar davon, jemand habe "das falsche Gesangbuch". Dieses Getrenntsein wollen wir mit Gottes Hilfe überwinden.



Den vorliegenden Antragstext stelle ich Ihnen als Sprecher des AK 1 "Pastorale Grundfragen" vor. Er ist in unserem Arbeitskreis in alter Besetzung seit Anfang 2001 entstanden, maßgeblich durch Prof. Dr. Hans Jörg Urban vom Johann-Adam-Möhler-Institut Paderborn formuliert und in der Schlussphase besonders von Frau Prof. Dr. Dorothea Sattler, Universität Münster, und Dr. Michael Kappes, Ökumenereferent des Bistums Münster, mitverfasst. Ich danke diesen und allen Mitgliedern des Arbeitskreises für den Dienst an unserer Vorlage. Ich freue mich, dass ich heute auch einige Mitglieder des Arbeitskreises, darunter als evangelisches Mitglied Ökumenepfarrer Dr. Hans-Georg Link aus Köln, zu dieser Debatte begrüßen kann. Der Hauptausschuss hat sich den Text zu eigen gemacht und legt Ihnen diesen mit seinen Ergänzungen zur Beschlussfassung vor

Wir haben mit diesem Text besonders drei Adressaten im Auge:

  • Die Skeptiker, die sich vor dem Projekt des Ökumenischen Kirchentages fürchten, warum auch immer

    Wir wollen ihnen mit Entschiedenheit zeigen, dass wir mit Berlin 2003 kein leichtfertiges Abenteuer, sondern ein wohl überlegtes und gut fundiertes Unternehmen anpacken. Nach dem ökumenisch erlebten Katholikentag in Hamburg 2000 und dem Kirchentag 2001 in Frankfurt heißt es für uns nun: Von Hamburg und Frankfurt nach Berlin!
  • Die Katholiken, die sich mit gutem Mut auf den Weg nach Berlin machen wollen und bereit sind, Hilfen und Handlungsanregungen anzunehmen

    In den letzten Monaten gab es viele Anfragen nach einer soliden Orientierung und Information. Ich bin davon überzeugt, dass in unseren Gemeinden, Diözesen und Organisationen auf eine solche Anregung als Arbeitshilfe nicht nur zur Vorbereitung des Ökumenischen Kirchentages gewartet wird.
  • Unsere evangelischen Schwestern und Brüder, die mit uns zusammen das Wagnis des Ökumenischen Kirchentages eingehen

    Ihnen sind wir im Vorfeld des großen Ereignisses eine Auskunft darüber schuldig, was wir unter Ökumene verstehen und welche Handlungsperspektiven wir sehen, wenn auch manche evangelische Stimme vieles anders sieht. Schon bei der gemeinsamen Versammlung der Präsidialversammlung des DEKT und der Vollversammlung des ZdK im nächsten Jahr können wir darüber gemeinsam im Gespräch sein.



Es geht also um unsere Selbstvergewisserung als Zentralkomitee der deutschen Katholiken und Katholikinnen und um die Ermutigung zu ökumenischen Schritten. Dabei gebe ich Ihnen zu, dass
ich mir gewünscht hätte, wir könnten an manchen Stellen unseres Textes noch mehr visionäre und innovative Ideen weitergeben. Diesen Wunsch haben viele von uns in den letzten Tagen geäußert. Aber, liebe Schwestern und Brüder, realistisch betrachtet hilft es uns wenig, wenn wir als ZdK "Schecks ausstellen, die wir hinterher nicht einlösen können". Die Arbeit am Papier hat zweierlei gezeigt: Erstens muss das Prinzip der Nachhaltigkeit auch in der Ökumene Berücksichtigung finden. Das bedeutet den Vorrang von Solidität vor Sensation, von Grundlagenarbeit vor kurzfristigen Effekten. Und zweitens wird das Wirken des Heiligen Geistes auch in der Ökumene noch viele Überraschungen ermöglichen, die unser heutiges Papier überholen könnten. Schon das Konzil formulierte sein Ökumenismusdekret, (so wörtlich) "ohne den künftigen Anregungen des Heiligen Geistes vorzugreifen". Hoffen wir auf Ihn! Die Verfasser des Textes sind sich aber sicher, dass wir Wegweisendes vorliegen haben, grundsätzliche aktuelle Aussagen, die wir nach Möglichkeit mit Beispielen aus der konkret gelebten Ökumene belegt haben.

Im einleitenden ersten Kapitel beleuchten wir schlaglichtartig die Ausgangssituation unserer Erklärung vor dem ersten Ökumenischen Kirchentag zwischen Hoffnung und Skepsis, um uns dann am Zweiten Vatikanischen Konzil festzumachen, das den echten Ökumenismus als geistlichen Prozess der inneren Bekehrung und Erneuerung der Kirche definiert. Unser Kernsatz dazu lautet "Katholisch sein bedeutet immer auch ökumenisch sein".

Im zweiten Kapitel geben wir auf der Grundlage des katholischen Ökumene- und Einheitsverständnisses einen Überblick darüber, wie wir in den letzten vierzig Jahren mehr als in den vierhundert Jahren zuvor ein hohes Maß an ökumenischer Verständigung auf den drei Ebenen des gelebten Glaubens vor Ort, der Kirchenleitungen und der Theologie erreicht haben. Dabei stellen wir leitende Prinzipien heraus, die diese Entwicklung ermöglicht und gefördert haben: das Ziel der Einheit in "versöhnter Verschiedenheit" und das Verständnis vom ökumenischen Weg nicht als Reduktionsprozess, sondern als Mehrungsprozess wechselseitigen Anteilgebens und Anteilnehmens.

Im dritten Kapitel skizzieren wir die in der Ökumene vor uns liegenden konkreten Aufgaben:.

  • Wir plädieren für eine missionarische Ökumene im Blick auf den suchenden und fragenden Menschen heute und stellen dazu fest: "Der Glaube lebt nicht zuletzt auch vom Glauben des anderen. Die Herausforderung der Verkündigung des Evangeliums in der heutigen gesellschaft-lichen Situation kann nur gemeinsam angenommen und bewältigt werden."
  • Wir plädieren für eine Vertiefung ökumenischer Spiritualität, heben die geistliche Gemeinschaft in Gebet und Gottesdienst auf dem Weg zur Mahlgemeinschaft hervor und stellen fest: "Das Ziel unserer Bemühungen auf dem Weg zu größerer gottesdienstlicher Gemeinschaft ist die gemeinsame Feier der Eucharistie. Es schmerzt uns, dass dieses Ziel bisher noch nicht erreicht werden konnte." Um diesen Teil des Textes haben wir am intensivsten gerungen. Traum und Realität, Bewegen und Bewahren, die Sorge vor neuen Trennungen, aber auch vor Verzagtheit, der Respekt vor der Gewissensentscheidung im gelebten Glauben der Einzelnen, aber auch die Bedeutung der kirchlichen Gemeinschaftsentscheidung haben uns beschäftigt. Im Ergebnis haben wir die Erkenntnisse der Theologie formuliert, die uns sagen lässt: "Mit diesen Ergebnissen ist eine theologisch solide Grundlage geschaffen, die Mut macht für eine konkrete Umsetzung in die Praxis der Kirchen".
  • Wir plädieren für eine diakonische und weltzugewandte Ökumene und stellen fest, "dass nicht das gemeinsame Handeln begründet und gerechtfertigt werden muss, sondern das getrennte". Vielleicht wird gerade in diesem Abschnitt besonders deutlich, was wir uns mit dem Leitwort für Berlin 2003 "Ihr sollt ein Segen sein" vorgenommen haben: "Unsere Welt braucht das weltweite christliche Beispiel von Gerechtigkeit Versöhnung und Frieden, damit Gewalt überwunden und dadurch die Würde des Lebens vor Gott gewahrt werden kann".



Im vierten Kapitel erinnern wir an unsere gemeinsame Verpflichtung in Zeugnis und Dienst. Ich zitiere daraus Bischof Joachim Wanke aus Erfurt: "Die Leute werden uns nicht verstehen, wenn wir allein unsere konfessionellen Besonderheiten verteidigen. Aber sie werden uns dann ihre Ohren und Herzen öffnen, wen wir uns als Bundesgenossen in der Sorge um eine menschliche Welt von morgen zu erkennen geben".

Im fünften Kapitel nennen wir konkrete Anregungen, wie Christinnen und Christen sich auf den Weg zum Ökumenischen Kirchentag begeben können. Daraus greife ich zwei Punkte heraus:

  • Nachdem es bereits gute Vorerfahrungen gibt, setzen wir uns als ZdK mit dem Beschluss dafür ein, ab 2002 den Pfingstmontag als "Tag der Einheit der Kirche" jährlich zu begehen. Wir wollen diesen Montag von Pfingsten, womit wir den Geburtstag der Kirche begehen, zukünftig zu einem deutlichen öffentlichen Zeichen für eine wachsende Gemeinschaft in Zeugnis und Dienst von Christinnen und Christen in Deutschland werden lassen.
  • Wir rufen auf, regelmäßig im sonntäglichen Fürbittgebet der Anliegen der christlichen Nachbargemeinden wechselseitig zu gedenken und bei Gottesdiensten ein Gebet für den Weg zum Ökumenischen Kirchentag zu sprechen.



Ich freue mich auf die Debatte. Die Antragskommission ist bemüht, zielgerichtet Änderungsanträge der Abstimmung zuzuführen. Da ich immer gern einen Liedgedanken aufgreife, zitiere ich zum Schluss der Einführung im Sinne unserer Orientierung und Hoffnung auf dem Weg nach Berlin
aus einem Lied, das in beiden hier liegenden Büchern noch getrennt abgedruckt ist, uns jedoch in ökumenischer Verbundenheit singen lässt ("Sonne der Gerechtigkeit", Nr. 262 im Evangelischen Gesangbuch und Nr. 644 im Gotteslob):

"Schaue die Zertrennung an, der sonst niemand wehren kann. ... Lass uns eins sein, Jesu Christ,
wie du mit dem Vater bist, in dir bleiben allezeit heute wie in Ewigkeit. Erbarm dich, Herr."

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