Als Broschüre vergriffen

Für eine Neuorientierung der Agrarpolitik

Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken zu aktuellen Problemen der Landwirtschaft und der Agrarpolitik

I. Unsere Sorge um die Menschen in der Landwirtschaft und die natürlichen Lebensgrundlagen

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken beobachtet mit wachsender Sorge die krisenhaften Entwicklungen in unserer Landwirtschaft. Trotz einer auch nach den Maßstäben unserer Industriegesellschaft außergewöhnlichen Leistungssteigerung sorgt sich die Mehrzahl der bäuerlichen Familien um ihre Zukunft. Das ist keineswegs nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein zutiefst menschliches Problem für die betroffenen Bauern und ihre Familien, da die bisherige Rolle des Landwirts in der Gesellschaft und sein Berufsbild in Frage gestellt sind. Gleichzeitig zeigen sich immer deutlicher ernst zu nehmende Belastungen des Naturhaushalts durch zu intensive Landwirtschaft.

Diese Entwicklungen treffen nicht nur die in der Landwirtschaft Beschäftigten und die im ländlichen Raum Lebenden, sondern uns alle. Wir alle sind daher aufgerufen, in Solidarität mit den Betroffenen und in Verantwortung für Gottes Schöpfung nach Lösungen zu suchen und alles Notwendige zu tun, um die entstandenen Probleme alsbald zu überwinden. Das Ausmaß dieser Krise verdeutlicht, daß es hierbei nicht um einzelne Maßnahmen gehen kann, sondern vielmehr eine Neuorientierung der Agrarpolitik dringend erforderlich ist.

II. Die Lage der Landwirtschaft heute

Jahrhundertelang war die bäuerliche Arbeit die entscheidende Voraussetzung dafür, daß die Ernährung der Menschen gesichert und der Hunger bezwungen wurde. Heute hat sich der Stellenwert der landwirtschaftlichen Tätigkeit verändert. Ein an Menge und Vielfalt nie gekanntes Maß an Nahrungsmitteln wird der Bevölkerung - weit über das zur Versorgung Notwendige hinaus - angeboten. Die hohe Produktivität unserer Landwirtschaft und die intensive Verflechtung unserer Volkswirtschaft mit den Agrarmärkten in Westeuropa sowie darüber hinaus mit der ganzen Welt haben dazu beigetragen.

Die überall zu beobachtende schwierige Situation der Landwirtschaft in einer Industriegesellschaft hat sich bei uns durch die Einbindung in den europäischen Markt noch verschärft. Einerseits gibt es einen gemeinsamen europäischen Agrarmarkt, andererseits ist beispielsweise die Währungspolitik noch weitgehend in nationaler Verantwortung. Dies führt für die deutsche Landwirtschaft zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen, die über den Währungsausgleich nur unzureichend abgeglichen werden. Die Einkommensverluste für die deutsche Landwirtschaft betragen Hunderte von Millionen DM.

Sinkende Erzeugerpreise, billige Futtermittelimporte, Wettbewerbsverzerrungen, die Konzentration zu größeren Betrieben und der Wertverlust des Grundvermögens gefährden hunderttausende bäuerliche Familien in ihrer Existenz. Von entscheidender Bedeutung ist, daß die gegenwärtige Überproduktion in der Europäischen Gemeinschaft auf einen stagnierenden Pro-Kopf-Verbrauch trim??. Bei sinkender Bevölkerungszahl wird die Nachfrage nach Agrarprodukten langfristig weiter abnehmen.

Der Trend zur Überproduktion und zur Intensivbewirtschaftung wird noch verstärkt durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt in der Landwirtschaft. Die kapitalintensive Mechanisierung der Landwirtschaft sowie die Anwendung moderner Produktions- und Fortpflanzungstechniken konnte bisher von den größeren Betrieben besser genutzt werden als von der bäuerlichen Landwirtschaft. Dies hat den Trend zu einer industriellen Agrarproduktion weiter verstärkt.

Diese Diskrepanz zwischen Produktion und Nachfrage kann auch durch vermehrten Export nicht ausgeglichen werden, zumal bisherige Importländer zu Selbstversorgern werden. Vor allem kann aber der Export unserer Überschüsse in Entwicklungsländer kein verantwortbarer Weg sein, da damit deren Bemühungen um eine eigenständige Nahrungsmittelversorgung unterlaufen und ihre Chancen zum Handel mit Industrieländern blockiert werden. Dies schließt Nahrungsmittelhilfe bei Hungerkatastrophen nicht aus.

Die Entwicklung zur hochintensiven und möglichst rationellen Agrarproduktion führt außerdem zu einer Gefährdung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und unserer Kulturlandschaft, da die immer intensivere Nutzung mit wachsenden Umweltbelastungen und einschneidenden Veränderungen der Landschaft verbunden ist.

Im Zuge des Strukturwandels in der Landwirtschaft mit seinen ökonomischen und ökologischen Problemen hat sich auch die soziale Situation verschlechtert. Angesichts der sehr unterschiedlichen Betriebsgrößen und natürlichen Produktionsbedingungen mit der Folge unterschiedlicher Einkommensentwicklung ist die Interessenlage in der Landwirtschaft längst nicht mehr einheitlich. Innerhalb des Berufsstandes führt der Kampf um die Sicherung der eigenen Existenz zunehmend zu einem Verdrängungswettbewerb. Die früher übliche Solidarität auf dem Land droht zu zerbrechen. Schlimmer noch: Wir erleben in der bäuerlichen Bevölkerung gegenwärtig eine weitverbreitete menschliche Not, die zweifacher Natur ist. Es handelt sich dabei erstens um eine wirtschaftliche Not, bei der viele um ihre Existenzringen und keine Zukunftsperspektive für sich und ihre Kinder sehen, zweitens um eine Sinn- und Identitätskrise, die das Selbstwertgefühl der Berufsgruppe allmählich zerstört. Davon betroffen sind nicht allein die Bauern, sondern ebenso sehr die Bäuerinnen, ohne deren erhebliche Mitwirkung bäuerliche Familienbetriebe vielfach gar nicht existenzfähig wären.

III. Die Agrarpolitik am Scheideweg

Landwirtschaft und Agrarpolitik stecken offensichtlich in einer Krise. Es handelt sich dabei nicht um einen Betriebsunfall, sondern um das Ergebnis falsch eingeschätzter Produktivitätsentwicklung und darauf fußender agrarpolitischer Maßnahmen, die der Landwirtschaft über die Förderung von Produktionsmengen zu einem angemessenen Anteil an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung verhelfen wollten. Dies war zwar überlange Zeit hinweg durchaus sinnvoll und im allgemeinen Interesse. Dieser Weg ist aber nicht länger gangbar. Administrative Festsetzungen von Preisen und Mengen können die Einkommen der Bauern auf die Dauer nicht sichern; auch sind die Kosten der Überproduktion immer weniger finanzierbar. Es reicht daher nicht aus, jetzt auf die Bremsen zu treten, vielmehr muß die Richtung der Entwicklung in der Landwirtschaft neu bestimmt werden.

Die Agrarpolitik steht aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen am Scheideweg. Sie muß sich eindeutig entscheiden zwischen einer Landwirtschaft, die bodengebunden und umweltverträglich arbeitet, und einer industriell betriebenen Nahrungsmittelproduktion mit einseitigen Anbaumethoden, nicht artgemäßer Tierhaltung und bedenklichen Auswirkungen auf die Umwelt und den Naturhaushalt.

In der Agrarpolitik sind Entscheidungen von historischer Tragweite zutreffen, die nicht länger aufgeschoben werden können, wenn einschneidende oder gar irreparable Schäden verhindert werden sollen. Es geht dabei nicht nur um die Bewahrung einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft, sondern insbesondere auch um die Sicherung ihres Nutzens für Gesellschaft und Umwelt. Im Rahmen der Neuorientierung der Agrarpolitik muß der bodengebundenen, bäuerlichen Landwirtschaft eine Zukunft gegeben werden.

Damit kann und darf nicht jede Veränderung blockiert werden. Eine Bestandsgarantie für jeden einzelnen Bauernhof ist auch in Zukunft nicht möglich. Ziel der Agrarpolitik muß die Erhaltung möglichst vieler bäuerlicher Betriebe sein.

IV. Die notwendige Neuorientierung der Agrarpolitik

Im Interesse der betroffenen bäuerlichen Familien ist ein rasche Klärung über den künftigen Weg notwendig. Die unmittelbar Betroffenen haben ein Recht auf eine vorbehaltlose offene Information, bei der die Leitbilder und Ziele, die Maßnahmen und Handlungsspielräume der Agrarpolitik und die möglichen und voraussichtlichen Entwicklungen der Landwirtschaft dargelegt werden müssen. Die Politik muß ihre Handlungsspielräume ausschöpfen, darf aber andererseits keine unerfüllbaren Erwartungen wecken, die zu fatalen Fehlentscheidungen in den betroffenen Familien führen können. Umfassende Informationen sind unverzichtbar für den einzelnen als Orientierungshilfe seiner Entscheidungen, aber auch für die Politik zur Formulierung ihrer Maßstäbe und zum Erreichen eines breiten gesellschaftlichen Konsenses über den künftigen Weg der Agrarpolitik. Die Einsicht muß wachsen, daß die agrarpolitische Neuorientierung ohne die Solidarität der gesamten Gesellschaft nicht gelingen kann. Hierfür hält das Zentralkomitee folgende Schritte für unumgänglich:

1. Maßstab künftiger Agrarpolitik muß das Gemeinwohl sein

Die notwendige Solidarität der gesamten Gesellschaft kann nur gelingen, wenn der Maßstab künftiger Agrarpolitik nicht einseitig an den Interessen und dem jeweiligen Einfluß von Repräsentanten bestimmter Betriebstypen, Regionen oder Produktionsrichtungen orientiert wird. Maßstab der Agrarpolitik kann nur sein, was im Interesse aller notwendig ist, nämlich das Gemeinwohl. Dies ist gleichzeitig der gerechteste Maßstab gegenüber den unterschiedlichen Interessen innerhalb der Landwirtschaft.

Eine Agrarpolitik, die dem Gemeinwohl verpflichtet ist, muß auch die Wirkungen und eventuellen Nebenwirkungen der getroffenen oder geplanten Maßnahmen überprüfen. Hierfür sollten als Kriterien dienen: ihr Beitrag zur Erhaltung der bäuerlichen Landwirtschaft, ihr Beitrag zur Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, sozial gerechte Verteilungswirkungen der Mittel und die administrative Durchführbarkeit der Maßnahmen.

2. Das Leitbild künftiger Agrarpolitik muß neu bestimmt werden

Das überkommene Leitbild der Agrarpolitik ist einseitig geprägt von der Vorstellung, daß die Landwirtschaft die Ernährung der Menschen sicherstellen soll. Der Landwirt wird in diesem Rahmen nur als Nahrungsmittelproduzent gesehen. Die Krise der Landwirtschaft ist aber offensichtlich auch eine Krise dieses Leitbildes. Demgegenüber müssen sich das Leitbildkünftiger Agrarpolitik und das Berufsbild des Landwirts am heute und morgen notwendigen Beitrag zum Gemeinwohl orientieren. In den Industrieländern sind die Mangelgüter der Gegenwart und der vorhersehbaren Zukunft nicht mehr Nahrungsmittel, sondern gesunde Umweltgüter. Das Leitbild der Agrarpolitik muß daher eine umweltverträgliche, bodengebundene und vielfältige bäuerliche Agrarstruktur mit zwei gleichwertigen Leistungsbereichen sein, der Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den landeskulturellen Leistungen. Die Agrarpolitik muß es der Landwirtschaft ermöglichen,

- rückstandsfreie Nahrungs- und Futtermittel und nachwachsende Rohstoffe zu erzeugen,

- die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig zu sichern,

- das Trinkwasser nicht zu beeinträchtigen,

- eine artgerechte Tierhaltung zu betreiben,

- die Lebensräume und den Artenreichtum für Flora und Fauna dauerhaft zu erhalten und

- unsere vielfältige Kulturlandschaft zu bewahren.

Im Sinne dieses Leitbildes braucht die Landwirtschaft neue Rahmenbedingungen. Dabei muß auch Sorge dafür getragen werden, daß die Agrarpolitik den einzelnen Landwirt nicht ständig in einen Konflikt zu diesen Maßstäben führt.

3. Die agrarpolitischen Maßnahmen müssen so ausgestaltet werden, daß die Landbewirtschaftung auf allen Standorten, mit allen Produktionsmethoden und bei allen Betriebsgrößen umweltverträglich erfolg

Unsere Verantwortung gegenüber der Schöpfung und den nachkommenden Generationen und die Ehrfurcht vor dem Leben verlangen, allen Formen des Lebens mit Achtung zu begegnen. Dies muß die Grenzen der weiteren Entwicklung bestimmen. Im Konfliktfall muß bei der Güterabwägung die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und die Gestaltung unseres Lebensraumes Vorrang haben vor den ökonomischen Vorteilen rationeller Nahrungsmittelproduktion, bei denen die Folgekosten und Folgewirkungen für uns, unsere Nachkommen und die Schöpfung nicht bedacht werden. Diese Grenzen müssen auch dann gelten, wenn damit Marktanteile verloren werden sollten, etwa weil in anderen Ländern diese Grenzen nicht beachtet werden.

Allein nach ökonomischen Maßstäben betriebene Landnutzung mit hochintensiven und umweltgefährdenden Produktionsmethoden, möglicherweise noch auf guten Standorten, und eine brachliegende Kulturlandschaft in den übrigen weiten Gebieten unseres Landes schaffen keine sinnvolle Entwicklung. Eine solche Nutzung der Möglichkeiten technisch- wissenschaftlicher Neuerungen ist kein Fortschritt.

4. Die landeskulturellen Leistungen müssen durch ein Bewirtschaftungsentgelt angemessen honoriert werden

Die Landwirtschaft hat unsere Kulturlandschaft seit Jahrhunderten geprägt. Diese landeskulturelle Aufgabe bäuerlicher Landwirtschaft ist auch heute und morgen von großer Bedeutung. Betriebsstruktur und Produktionsbedingungen der Landwirtschaft wirken sich auf die Landschaft, den Siedlungs- und Erholungsraum und die Situation der natürlichen Lebensgrundlagen aus. Darum ist die Erhaltung der bäuerlichen Lebensform, ihrer Familienstruktur und ihrer Gestaltungskraft für die Kultur unserer Gesellschaft unverzichtbar.

Bisher wurden die Leistungen der Landwirtschaft für die Pflege des Naturhaushaltes und der Kulturlandschaft und ihr Nutzen für den ländlichen Raum über die Preise für die Nahrungsmittel entgolten. Das ist heute immer weniger möglich. Die Sicherung des Naturhaushaltes und der Landschaft liegt aber im öffentlichen Interesse. Diese Sicherung ist unverzichtbar und kann am besten von einer bäuerlich strukturierten Landwirtschaft wahrgenommen werden. Diese Aufgabe beansprucht die Solidarität aller.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken hält es deshalb für notwendig, daß es in unserer Gesellschaft zu einem breiten Konsens kommt, der diese Aufgabe als eine Chance für bäuerliche Betriebe begreift. Die Agrarpolitik muß in Zukunft beide Leistungen bäuerlicher Landwirtschaft - die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erhaltung ländlichen Kulturraumes - als gleichermaßen wichtige Aufgabenstellungen anerkennen. Sie muß dafür sorgen, daß beide Aufgaben miteinander verbunden bleiben und gemeinsam erbracht werden.

Die landeskulturellen Leistungen müssen im Interesse der gesamten Gesellschaft zeitgerecht honoriert werden. Dazu ist die Einführung eines eigenständigen, flächenbezogenen und zeitgerechten Bewirtschaftungsentgeltes notwendig. Es handelt sich dabei um ein Entgelt für erbrachte Leistung durch umweltverträgliche Landnutzung.

5. Die Neuorientierung der Agrarpolitik muß auch zu einer Neuorientierung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts führen

Die Diskrepanz zwischen Produktion und Nachfrage, zwischen Landbewirtschaftung und Umweltverträglichkeit wird weiter zunehmen, wenn die technisch-wissenschaftliche Entwicklung in der Landwirtschaft die bisherige Richtung fortsetzt. Diese Entwicklung kann nicht mehr als Fortschritt verstanden werden, da damit erhebliche soziale, ökonomische und ökologische Schwierigkeiten verbunden sind. Die Agrarpolitik muß deshalb ihre Steuerungsinstrumente so verändern, daß der technisch-wissenschaftliche Fortschritt in Richtung umweltverträglicher Produktion und artgerechter Tierhaltung als lohnende Wirtschaftsformen gelenkt wird. Andernfalls läßt sich aus Gründen des Gemeinwohls ein dichtes Netz dirigistischer Regelungen für die Marktsituation und die Umweltsituation nicht vermeiden. Dies würde die Konfliktsituation für denLandwirt und für die Gesellschaft verschärfen.

6. Neue Verdienstmöglichkeiten fördern

Auch wenn die Politik alle agrarpolitischen Handlungsspielräume durch eine Neuorientierung der Agrarpolitik ausschöpft, wird eine erhebliche Zahl von Beschäftigten in der Landwirtschaft einen anderen Arbeitsplatz brauchen. Die Politik muß dafür alle Möglichkeiten der regionalen Wirtschaftspolitik nutzen, damit im ländlichen Raum Arbeitsplätze in zumutbarer Entfernung angeboten werden. Nur so ist es auch möglich, eine bäuerliche Agrarstruktur von Voll-, Neben- und Zuerwerbsbetrieben zu erhalten.

Ebenso muß der Staat der Landwirtschaft helfen, neue Märkte und Marktnischen durch Beratung und Ermutigung zum unternehmerischen Handeln zu nutzen, etwa bei der wachsenden Nachfrage nach Freizeitaktivitäten in der Natur, bei der direkten Beziehung von Erzeuger und Verbraucher durch Direktvermarktung, bei nachwachsenden Rohstoffen u.a.

7. Die Aufgabenverteilung zwischen europäischer und nationaler Agrarpolitik wird den Erfordernissen nicht mehr gerecht. Wesentliche Voraussetzung für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Landwirtschaft ist daher eine Regionalisierung der Agrarpolitik

Um einer bodengebundenen und umweltschonenden bäuerlichen Landwirtschaft Zukunft zu geben, ist angesichts unterschiedlicher Voraussetzungen und Leitbilder in den Mitgliedsländern der EG eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen europäischer und nationaler Politik und auf nationaler Ebene zwischen Bund und Ländern notwendig. Der ursprüngliche Integrationsfaktor Agrarpolitik wird sonst zum Sprengsatz europäischer Politik. Konkret bedeutet diese Forderung, daß die agrarpolitischen Kompetenzen der EG auf den Außenschutz, die Marktordnungen, die Preispolitik und Rahmenregelungen für die Agrarstrukturpolitik begrenzt werden sollten. Die Kriterien für gesunde Nahrungsmittel und Umweltschutz sind jedoch in den Ländern der EG unter Zugrundelegung strenger Maßstäbe einander anzugleichen. Eine solche Neuverteilung der Zuständigkeiten wird politisch allerdings nur dann zu erreichen sein, wenn wir auch in Zukunft bereit sind, unserer Verpflichtung für die Europäische Gemeinschaft nachzukommen.

V. Konsequenzen für Politiker, Verbraucher und Landwirte

Die künftigen Entwicklungen in unserer Landwirtschaft sind für unsere Lebensbedingungen von großer Bedeutung. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken tritt ein für eine Neuorientierung der Agrarpolitik, die es der bäuerlichen Landwirtschaft in ihrer Vielfalt von Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetrieben und auf den unterschiedlichen Standorten ermöglicht,

- uns alle mit gesunden Nahrungsmitteln zu versorgen

- unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu bewahren und

- unseren ländlichen Kulturraum mit Leben zu erfüllen.

Dazu müssen alle den ihnen jeweils möglichen Beitrag leisten.

Landwirtschaftliche Produktion ohne Rücksicht auf Umwelt und gesundheitsverträgliche Nahrungsmittel bietet oft Preisvorteile am Markt. Es ist kurzsichtiges Verbraucherverhalten, immer nur nach dem Billigprodukt zu greifen. Qualität hat auch bei den Nahrungsmitteln ihren Preis. Wir rufen daher die Verbraucher auf, sich kritisch und qualitätsbewußt zu verhalten. Bei der Güterabwägung zwischen Umweltschäden einerseits und höheren Preisen für Landwirtschaftsprodukte, die von bäuerlichen und umweltverträglichen Betrieben erwirtschaftet werden, muß auch der Verbraucher durch bewußte Kaufentscheidungen zugunsten von Umwelt und Gesundheit seinen Beitrag leisten.

Die bäuerliche Bevölkerung rufen wir auf, die neuen Aufgaben, die auch eine Erweiterung des Berufsbildes des Landwirts bedeuten, anzunehmen und als Chance zu nutzen. Darauf müssen auch Infrastrukturmaßnahmen im ländlichen Raum sowie Ausbildungs- und Fortbildungsangebote für die bäuerliche Jugend verstärkt ausgerichtet werden. Die Dienstleistung für die natürlichen Lebensgrundlagen und die Kultur des ländlichen Raumes ist so wichtig und anerkennenswert wie die Produktion von Nahrungsmitteln. Beide Aufgaben entsprechen dem Berufsbild des selbständigen Unternehmers Landwirt.

Eine praktizierte Partnerschaft innerhalb der Landwirtschaft ist eine wesentliche Voraussetzung für die Zukunft unserer bäuerlichen Landwirtschaft. Staat und Gesellschaft, die ihrerseits zur Hilfe aufgerufen sind, dürfen erwarten, daß durch Eigeninitiative und Eigenverantwortung die Möglichkeiten der Partnerschaft voll genutzt werden. Darum rufen wir die Landwirte auf, alle Möglichkeiten zur überbetrieblichen Zusammenarbeit in Produktion und Vermarktung konsequent auszuschöpfen. Vor allem sind weitere deutliche Kostensenkungen bei der Mechanisierung möglich, Marktpositionen können häufig noch verbessert werden. Das wirkt sich auch auf die Arbeitsbedingungen aus, nicht zuletzt bei den Landfrauen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken fordert die Bundesregierung, die Länderregierungen und alle Politiker auf, eine solche Agrarpolitik zu verwirklichen. Es bittet alle Bürgerinnen und Bürger um die solidarische Unterstützung einer solchen Politik.


Beschlossen von der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken am 29. April 1988 in Bonn-Bad Godesberg

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